Benachrichtigung aktivieren Dürfen wir Sie in Ihrem Browser über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts informieren? Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Fast geschafft Erlauben Sie handelsblatt.com Ihnen Benachrichtigungen zu schicken. Dies können Sie in der Meldung Ihres Browsers bestätigen.
Benachrichtigungen erfolgreich aktiviert Wir halten Sie ab sofort über die wichtigsten Nachrichten des Handelsblatts auf dem Laufenden. Sie erhalten 2-5 Meldungen pro Tag.
Jetzt Aktivieren
Nein, danke
Energie

Klage in den USA Solarworld und das 770- Millionen-Desaster

Im Rechtsstreit mit Hemlock geht es für Solarworld ums Überleben. Nun macht der zuständige Richter klar, dass der Solarmodulhersteller den Prozess verlieren wird. Anleger reagieren entsetzt. Was kann Chef Asbeck jetzt tun?
14.07.2016 - 18:00 Uhr Kommentieren
Solarworld hat keinerlei Rückstellungen für den Fall einer Niederlage gebildet. Quelle: dapd
Solarzellen

Solarworld hat keinerlei Rückstellungen für den Fall einer Niederlage gebildet.

(Foto: dapd)

Düsseldorf Schlechte Nachrichten pariert Solarworld-Boss Frank Asbeck gerne, indem er Wilhelm Busch oder das Rheinische Grundgesetz zitiert. „Et kütt wie et kütt und hätt noch emmer joot jejange“, rief er beispielsweise erst Anfang Juni besorgten Aktionären zu. Auf der Hauptversammlung von Deutschlands größtem Photovoltaikkonzern im Bonner Kameha Grand Hotel äußerten Anteilseigner wie Rolf-Jochen Ehresmann vom Dachverband Kritischer Aktionäre, die Befürchtung, dass Solarworld bald „ratzfatz liquidiert werden muss“.

Mehr als einen Monat später ist klar: Die Sorgen von Ehresmann und anderen Aktionären sind mehr als berechtigt. Der Grund: Solarworld steht kurz davor, einen überlebenswichtigen Rechtsstreit zu verlieren. Im US-Bundesstaat Michigan entschied jetzt ein Gericht, dem Antrag des US-Siliziumherstellers Hemlock Semiconductor auf ein beschleunigtes Verfahren gegen Solarworld stattzugeben. Das macht ein Richter in der Regel nur dann, wenn die Beweislage eindeutig ist.

Und die ist im Fall Solarworld sehr klar, meint Thomas Ludington: „Hemlock wird der geforderte Schadensersatz gewährt“, schreibt der zuständige Zivilrichter in seiner 40-seitigen Begründung, die dem Handelsblatt vorliegt. Bei der Gerichtsentscheidung handelt es sich zwar noch nicht um ein endgültiges Urteil. Ludington ordnete aber an, dass Hemlock bis zum 22. Juli seine über die Jahre angefallenen Ansprüche auflisten soll. Schon kurz darauf dürfte das Gericht dann ohne Einbindung einer Jury festlegen, wie viel Geld Solarworld tatsächlich zahlen muss.

Für Solarworld ist die Gerichtsentscheidung ein Desaster. Im Geschäftsbericht des Bonner Konzerns heißt es, ein negatives Urteil in dem Rechtsstreit mit Hemlock könnte Auswirkungen „bis hin zur Bestandsgefährdung“ haben. Hemlock fordert wegen angeblich nicht eingehaltener Lieferverträge mehr als 770 Millionen Dollar Schadensersatz. 770 Millionen Dollar, die Solarworld nicht hat. Die Summe übersteigt die liquiden Mittel des Bonner Konzerns um gut das Vierfache. Zudem hat Solarworld keinerlei Rückstellungen für den Fall einer Niederlage gebildet. Den Konzern drücken nach der Restrukturierung noch immer Nettoschulden in der Höhe von 217 Millionen Euro.

Anleger reagierten entsetzt. Die Solarworld-Aktie brach am Donnerstag teilweise um fast 16 Prozent ein. Der einstige Milliardenkonzern Solarworld ist an der Börse nicht einmal mehr 80 Millionen Euro wert. Solarworld selbst teilte mit, dass der Konzern gegen ein etwaiges Urteil in den USA Rechtsmittel einlegen werde. Nach Auffassung des Bonner Konzerns bestehen „kartellrechtliche Bedenken“ gegen die zugrundeliegenden Lieferverträge mit Hemlock.

Solarworld schmiedete 2005 mit Hemlock eine Allianz. Sie schlossen insgesamt vier Lieferverträge miteinander ab. Der Deal: Solarworld kaufte Hemlock jährlich große Mengen an Silizium ab. Der Rohstoff ist die Basis für die Herstellung von Photovoltaikzellen. Infolge des Solarbooms, der allen voran in Deutschland durch üppige Förderungen für Sonnenstrom angeheizt wurde, zog die Nachfrage nach Silizium an. Der Rohstoff wurde immer knapper und teurer.

Hemlock gewährte Solarworld einen Vorzugspreis. Im Gegenzug für Zahlungsgarantien konnte sich Solarworld zu Preisen von weniger als 50 Dollar für ein Kilogramm mit Silizium eindecken. Ein gutes Geschäft für die Bonner. Denn der Börsenpreis für Silizium lag lange Zeit teils bei fast 400 Dollar pro Kilogramm. Doch aus dem Engpass an Silizium wurde mit den Jahren ein Überangebot. Die Preise erodierten und fielen deutlich unter 50 Dollar. Die Verträge waren nun ungünstig für Solarworld. Zudem setzten die Billigkonkurrenz aus Asien und gedrosselte Subventionen Solarworld zu. Der Photovoltaikkonzern stellte 2012 die Zahlungen an Hemlock ein.

Schlichtungsversuche scheiterten. Im März 2013 reichte Hemlock Klage gegen Solarworld ein. Nun steht das Urteil kurz bevor.

Auf der Solarworld-Hauptversammlung im Juni betonte Konzernboss Asbeck, dass er selbst im Falle einer Niederlage keine erhöhte Risikolage sieht. Denn Hemlock müsste, um Ansprüche geltend zu machen, zunächst einen Vollstreckungstitel in Deutschland erwirken. Diesen Titel werde Hemlock aber „weder kurz- noch langfristig“ erlangen, gab sich Asbeck überzeugt, da die Verträge gegen EU-Kartellrecht verstoßen würden. In den USA, erklärte Asbeck weiter, könne Hemlock nichts vollstrecken, da die Tochtergesellschaft von Solarworld, gegen die sich die Klage rein formell richtet, „keine Assets in den USA führt“.

Roland Klose ist weit weniger optimistisch. „Asbeck muss gucken, dass er sich hier jetzt irgendwie durchlaviert“, sagte der Experte von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz dem Handelsblatt. Auf dem Rechtsweg sieht Klose kaum noch Chancen für Solarworld, den Prozess zu gewinnen. „Man sollte jetzt eine außergerichtliche Einigung beschreiten“, fordert der Aktionärsschützer. Doch auch dafür dürften Solarworld aktuell die finanziellen Mittel fehlen.

„Das Bild verfestigt sich“, erklärte Corporate-Governance-Experte Christian Strenger dem Handelsblatt, „dass Solarworld-Gründer Asbeck und der Großaktionär aus Katar Geld bereitstellen werden müssen, um das von allen Seiten gewünschte Überleben von Solarworld zu sichern“. Strenger fragt sich, ob „Aufsichtsrat und Wirtschaftsprüfer den Vorstand jetzt nicht verpflichten müssen, Rückstellungen zu bilden?“
Arash Roshan Zamir, Analyst von Warburg Research, hält es für „mutig und verwunderlich“, dass Solarworld das Risiko gering einschätze. Zumal ein negatives Urteil das Geschäft von Solarworld beeinflussen könnte.

Schließlich macht Solarworld mehr als die Hälfte des Umsatzes in den USA. Kommt es wie erwartet zum Urteil und Solarworld zahlt nicht, ist das Image dahin. Und künftiger Umsatz womöglich auch.

Startseite
Mehr zu: Klage in den USA - Solarworld und das 770- Millionen-Desaster
0 Kommentare zu "Klage in den USA: Solarworld und das 770- Millionen-Desaster"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%