Kohleausstieg Pannenkraftwerk Datteln 4 soll doch noch ans Netz gehen

Die Anlage im nördlichen Ruhrgebiet kann wohl doch noch ans Netz gehen.
Düsseldorf, Berlin Deutschland wird nach dem Atomausstieg auch die Verstromung von Kohle beenden. Nachdem die Kohlekommission Anfang des Jahres den Fahrplan bis zum endgültigen Aus im Jahr 2038 skizziert hatte, liegt jetzt der Entwurf für das Kohleausstiegsgesetz vor.
Allerdings wird eine Klausel im Gesetzesentwurf, der dem Handelsblatt vorliegt, die Klimaschützer verärgern. Dem Kohleausstieg zum Trotz wird vermutlich schon im kommenden Jahr eine letzte Anlage den Betrieb überhaupt erst aufnehmen: Das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 im nördlichen Ruhrgebiet kann nach dem Gesetzentwurf doch noch ans Netz.
Damit wird die Anlage, die zum Symbol für den Kampf der Umweltschützer gegen die Kohle wurde, doch noch Strom produzieren – falls die entsprechende Passage nicht noch im Gesetzgebungsverfahren gestoppt werden sollte.
Die Inbetriebnahme würde auch die Deutsche Bahn und ihren Eigentümer, den Bund, in Erklärungsnot bringen. Gut 400 der 1100 Megawatt sollen für die Bahn Strom produzieren. So wurde es vor Jahren in einem Vertrag vereinbart, auf den Betreiber Uniper pocht.
Ein Viertel des Stroms, den die Bahn benötigt, könnte so aus dem Kraftwerk Datteln 4 kommen. Dabei will die Bahn bis 2038 klimaneutral unterwegs sein und wurde erst jüngst im Klimapaket der Bundesregierung mit einer Steuerbefreiung begünstigt.
Die Kohlekommission, in der auch Bahn-Vorstand Ronald Pofalla saß, hatte empfohlen, das umstrittene Kraftwerk nicht mehr in Betrieb zu nehmen. Jetzt eröffnet Paragraf 35 des Gesetzentwurfs doch noch eine Zukunft. „Es ist verboten, neue Stein- und Braunkohleanlagen in Betrieb zu nehmen“, heißt es darin zwar. Entscheidend ist aber der Zusatz: „Es sei denn, für die Kohleanlage wurde bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt.“ Diese Genehmigung liegt Uniper vor, wie Finanzvorstand Sascha Bibert betonte.
„Wir gehen unverändert davon aus, unser hocheffizientes Steinkohlekraftwerk Datteln 4 im Sommer 2020 in Betrieb zu setzen“, sagte Bibert. Im September habe man erfolgreich einen Drucktest gemacht, Ende des Jahres seien Zündversuche geplant und im ersten Quartal die Synchronisation mit dem Stromnetz.
Für Klimaschützer wäre das schwer zu akzeptieren – und sie machen auch schon massiv Front gegen die Pläne. Schließlich hat Datteln 4 seit mehr als einem Jahrzehnt eine hohe Symbolkraft. Eigentlich sollte der Block schon 2011 in Betrieb gehen. Der Bau wurde aber durch Klagen von Umweltschützern jahrelang blockiert. Als Uniper die rechtlichen Bedenken dann ausgeräumt hatte, verzögerte sich der Bau durch Materialmängel erneut.
Anreize für Stilllegungen
Bund fürchtet hohe Schadensersatzforderungen
Neben der Bahn versucht auch Konkurrent RWE, der ebenfalls eine große Menge des Stroms aus Datteln abnehmen soll, schon lange aus seinem Vertrag zu kommen. Die vor dem Stillstand vereinbarten Preise liegen inzwischen höher als das Marktniveau. Aber weder RWE noch der Bahn ist es bislang gelungen, aus dem Vertrag auszusteigen.
Die Bahn äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Plänen der Bundesregierung. Nach Informationen des Handelsblatts aus Regierungskreisen fürchtet die Bundesregierung bei einem Aus für Datteln 4 hohe Schadensersatzforderungen von Uniper. Es drohe ein jahrelanger Rechtsstreit.
Ansonsten folgt der Gesetzentwurf im Wesentlichen den Empfehlungen der Kommission. Demnach soll es zunächst Anreize für die Stilllegung von Steinkohlekraftwerken geben. Nur wenn diese Anreize nicht zu Stilllegungen im gewünschten Umfang führen, sollen Kraftwerke per Ordnungsrecht stillgelegt werden.
Ziel des Gesetzes ist es, die deutschen Kohlekraftwerke schrittweise so vom Markt zu nehmen oder umzurüsten, dass ihre Leistung im Jahr 2022 auf rund 15 Gigawatt (GW) Steinkohle und 15 GW Braunkohle und im Jahr 2030 auf höchstens 8 GW Steinkohle und 9 GW Braunkohle reduziert wird und die Produktion spätestens 2038 endet. Das Gesetz definiert für jedes Jahr ein bestimmtes Ziel zur Stilllegung von installierter Leistung an Steinkohlekraftwerkskapazitäten, für die Prämien ausgeschrieben werden. Die Höhe der Prämie steht noch nicht fest. Über die Stilllegung von Braunkohlewerken führt die Bundesregierung individuelle Verhandlungen mit Betreibern.
Außerdem soll das Gesetz dazu beitragen, den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Dazu wird der Ausbaudeckel bei der Photovoltaik gestrichen und das Ziel für den Ausbau der Offshore-Windenergie erhöht.
Gleichzeitig soll mit dem Gesetz aber auch die umstrittene Abstandsregelung für Windräder eingeführt werden. Die müssten dann einen Mindestabstand von 1000 Metern zum nächsten Wohngebiet einhalten. Damit würde sich die Ausbaufläche für Windkraft in Deutschland fast um die Hälfte reduzieren.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.
2038 soll laut Beschluss der Bundesregierung die Kohleverstromung beendet werden, ggf. schon 2035. Das Kraftwerk in Datteln hat demnach eine maximale Laufzeit von 18 Jahren. Wenn Datteln IV in 2020 in Betrieb gehen sollte, müssen laut Kabinettsbeschluss anderswo Kohlekraftwerkskapazitäten in gleicher Höhe abgeschaltet werden. Es bleibt spannend, wen es dann treffen wird.