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Energie

Nach Reitzle-Abgang Hauskrach bei Linde

Intrigen, Neid und Missgunst drücken auf die Stimmung bei Linde, und auch wirtschaftlich läuft es nicht wie gewünscht. Der Vertrag mit Chef Büchele soll trotzdem verlängert werden. Einem dürfte das gar nicht schmecken.
13.07.2016 - 19:15 Uhr Kommentieren
Der Manager soll weiter an der Konzernspitze bleiben. Quelle: dpa
Linde-Chef Wolfgang Büchele

Der Manager soll weiter an der Konzernspitze bleiben.

(Foto: dpa)

Münchener Bei der Hauptversammlung von Linde Anfang Mai war Wolfgang Reitzle noch ein letztes Mal zur Passivität verdammt. Der langjährige „Mister Linde“ saß zwar in der ersten Reihe, doch das Wort führten andere: sein Nachfolger Wolfgang Büchele und Aufsichtsratschef Manfred Schneider. Der gab seine Abschiedsvorstellung, bevor nach der Hauptversammlung Reitzle den Posten übernommen hat. Süffisant sagte Schneider: „Der Aufsichtsrat kann nur besser werden, wenn ich jetzt ausscheide.“

Jetzt ist Schneider weg, und Reitzle steht vor großen Herausforderungen. Denn es herrscht Unruhe bei Linde. Nach zwei Gewinnwarnungen in den vergangenen beiden Jahren und dem Verlust der Marktführerschaft an Air Liquide ist die Verunsicherung bei Anlegern wie Mitarbeitern groß. Dazu kommt: Intrigen, Neid und Missgunst drücken die Stimmung im Konzern.

So machten in den vergangenen Wochen offenbar gezielt gestreute Gerüchte die Runde, Reitzle wolle mit Vorstandschef Wolfgang Büchele dessen Vertrag nicht verlängern, der kommenden Mai ausläuft. Nach Informationen des Handelsblatts aus dem Umfeld des Aufsichtsrats sind die Gerüchte aber falsch. Vielmehr solle auf der nächsten regulären Aufsichtsratssitzung Ende September beschlossen werden, die Arbeit mit Büchele fortzusetzen. „Es gibt keinen Grund, den Vertrag nicht zu verlängern“, heißt es in Unternehmenskreisen.

Reitzle und Büchele hätten einen konstruktiven Arbeitsmodus gefunden. Büchele sei inzwischen loyal, nachdem er in seiner Anfangszeit offensichtlich bewusst den Rat von Reitzle, der in dem Konzern immer noch sehr verehrt wird, nicht gesucht habe.

Unter Reitzle war das Unternehmen von Rekord zu Rekord geeilt und hatte die eigenen Prognosen stets eingehalten. Den Unternehmenswert verzehnfachte Reitzle in seinen elf Jahren an der Spitze. Diese Verlässlichkeit sei für viele Investoren ein Motiv, in Linde als konservative Anlage zu investieren, sagt ein Insider. Doch nach zwei Gewinnwarnungen unter Büchele ist das Urvertrauen dahin.

Von dem Absturz Anfang Dezember – am Tag nach der Gewinnwarnung fiel die Aktie um 14 Prozent – hat sich das Papier bisher nicht erholt. War Linde zu Reitzles Zeiten meist das im Vergleich zum Gewinn am höchsten bewertete Gase-Unternehmen, ist es nun eher Schlusslicht. Der Unterschied mache etwa acht Milliarden Euro an Börsenwert aus, die nun fehlten, rechnet ein Branchenkenner vor.

Natürlich spürt Linde auch die schwache Konjunktur und die niedrigen Ölpreise, die das Anlagenbaugeschäft belasten. Doch laut Industriekreisen ist ein Teil der Probleme hausgemacht. Es besteht Intrigenverdacht. Neben den Gerüchten um die Nichtverlängerung zirkulierte im Unternehmen in den vergangenen Tagen ein anonymer Brief, in dem unter anderem offensichtlich nicht zutreffende Untreuevorwürfe gegen Büchele erhoben wurden.

Ein möglicher Hintergrund der Unruhe: Das Verhältnis von Büchele und Finanzvorstand Georg Denoke stimmt laut mehreren Linde-Managern nicht. Nach Informationen des Handelsblatts haben sich die beiden bei den Diskussionen rund um die Gewinnwarnung, die Linde Ende 2015 herausgab, auf dem Gang sogar lautstark angeschrien. Nicht wenige im Unternehmen bezweifeln, ob eine Korrektur der Mittelfristziele zu diesem Zeitpunkt überhaupt notwendig war.

Büchele habe womöglich die Budgets nicht gut im Blick gehabt und sei von Denoke in die Gewinnwarnung getrieben worden, lautet eine Spekulation. Der Finanzvorstand äußerte sich auf Anfrage ebenso wenig zu den Gerüchten wie Büchele und Reitzle. Im Frühjahr hatten Denoke und Büchele betont, dass sie im Team zusammenarbeiten. Intern soll Denoke verlautbart haben, dass er an einer Versachlichung der Diskussionen interessiert sei.

Der ehrgeizige Denoke soll selbst Ambitionen auf den Vorstandsvorsitz gehabt haben. Schon als Reitzle wegen seines damals anspruchsvollen Mandats als Aufsichtsratsvorsitzender bei Conti stark ausgelastet gewesen sei, habe er begonnen, sich für die mögliche Zeit nach Reitzle zu positionieren und Hausmacht zu sichern. Denoke hat eine starke Position, zumal er auch noch Arbeitsdirektor ist. „Er kennt den Laden gut und beherrscht seine Zahlen“, sagt ein Insider.

Nun aber steht er im Verdacht der Illoyalität. Denoke halte sich wohl für den besseren Chef und habe die Hoffnungen auf den Aufstieg an die Spitze nie ganz aufgegeben, vermutet ein Insider.

„Wenn zwei eher gegeneinander arbeiten und nicht miteinander, muss man sich trennen“, sagt Andreas Föller, Gründer der Personalberatung Comites grundsätzlich. Im Umfeld des Linde-Aufsichtsrats wird denn auch damit gerechnet, dass Denoke den Konzern in den nächsten Monaten verlassen muss. Wie dies geschehen soll, ist aber noch völlig offen.

Viele waren gespannt, wie sich das Verhältnis von Büchele und dem erfolgreichen Vorgänger Reitzle entwickeln würde. Nach dem Amtsantritt hatte Büchele – womöglich um die Abkühlphase seines Vorgängers zu nutzen – in der Organisationsstruktur viel verändert. Dadurch weckte Büchele auch den Widerstand bei einigen leitenden Angestellten. „Er hat zu schnell zu viel verändert“, meint einer von ihnen.

Zudem wird Büchele intern vorgeworfen, unter anderem durch die erste Senkung von Gewinnzielen 2014, den Druck auf die Organisation verringert zu haben, gute Ergebnisse zu liefern. Reitzle sei hier fordernder gewesen.

Es war auch wenig hilfreich, dass Wolfgang Büchele bei öffentlichen Auftritten den Eindruck erweckte, dass seiner Meinung nach unter Reitzle auch nicht alles perfekt gewesen sei. Das dürfte dem überaus erfolgreichen „Mister Linde“ Reitzle nicht gefallen haben. Dennoch ließ sich der, nachdem sich Schneider zeitweise gesperrt hatte, von wichtigen Aufsichtsräten wie Michael Diekmann und Ann-Kristin Achleitner zurück zu Linde bitten, um das Unternehmen wieder in die Spur zu bringen.

Büchele habe sich als erstaunlich lernfähig erwiesen, sagt ein Berater. Manche eigene Entscheidungen korrigierte er wieder, zudem holte er einen engen Vertrauten Reitzles ins Unternehmen zurück. Wenn nun keine Patzer mehr passieren, soll der Vertrag daher im September verlängert werden. „Nach so kurzer Zeit den Vorstandschef rauszukegeln wäre für einen Dax-Konzern höchst ungewöhnlich“, heißt es im Umfeld des Aufsichtsrats. An zusätzlicher Unruhe sei niemandem gelegen.

Auch wenn die Führungsquerelen beigelegt werden müssen: In einer operativen Krise steckt Linde nicht. „Das Geschäftsmodell bröckelt nicht so schnell“, sagt ein Arbeitnehmer-Funktionär. Im ersten Quartal sank der Konzernumsatz um gut drei Prozent auf 4,3 Milliarden Euro. Bereinigt um Währungseffekte fiel das Minus aber nur minimal aus. Das operative Ergebnis stieg bereinigt sogar leicht auf 991 Millionen Euro. Dennoch wird Linde nun viele Quartale die Erwartungen erfüllen müssen, um das Vertrauen der Anleger in die früher so sichere Bank Linde zurückzugewinnen.

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