Ostdeutsche Braunkohle Vattenfall findet keinen Käufer

Verbindliche Gebote sollen bis zum 16. März eingehen.
Düsseldorf/Berlin Die Reaktion von Vattenfall-Chef Magnus Hall ist nicht überliefert. Vielleicht amüsierte sich der Schwede, als Greenpeace im Oktober eine Offerte für die zum Verkauf stehende Braunkohlesparte in Deutschland abgab. Wahrscheinlich hat sich Hall aber geärgert. Der Wert, den Greenpeace den Aktivitäten beimaß, war schließlich eine Provokation: Die Umweltschützer wollten keinen Euro zahlen, sondern verlangten sogar Geld für die Abwicklung.
Inzwischen dürfte sich der Vattenfall-Chef aber vor allem Sorgen machen. Denn das Szenario, mit dem Greenpeace provozierte, könnte bald bittere Realität werden. Bis zum 16. März sammeln der Energiekonzern und die beauftragte Investmentbank Citigroup verbindliche Gebote ein – und es ist gut möglich, dass selbst ernsthafte Bieter wie die tschechischen Konzerne CEZ oder EPH ihre Offerte mit einem negativen Kaufpreis versehen werden.
Offiziell halten sich zwar alle Beteiligten zurück, sowohl Vattenfall als auch die Bieter. Aus Kreisen der potenziellen Käufer kommen für Vattenfall aber bedenkliche Signale. Wenn überhaupt rechtfertigten die ebenfalls zum Kauf stehenden Wasserkraftwerke einen Preis, hieß es. Der Tagebau und die Braunkohlekraftwerke seien in Anbetracht der Rahmenbedingungen aber wertlos. „Wenn man die Entwicklung an der Strombörse betrachtet, müsste ein Käufer noch Geld vom Verkäufer bekommen, wenn er die Braunkohlesparte übernehmen soll“, heißt es in Verhandlungskreisen. Aus Kreisen des Stromproduzenten Steag verlautet sogar, das Unternehmen werde überhaupt kein verbindliches Gebot abgeben.
Im Hintergrund wird hektisch an Alternativen gearbeitet. Es ist möglich, dass Vattenfall den Prozess absagt, streckt, oder ändert. Es wird über Teilverkäufe oder eine Stiftungslösung geredet.
Der Prozess war schon schwierig genug. Die Kraftwerke und die Förderung in der Lausitz gelten spätestens seit dem Weltklimagipfel in Paris als Auslaufmodell. Die Interessenten hatten deshalb bisher vergeblich Klarheit gefordert, wie lange die Braunkohle denn gefördert werden dürfe.
Jetzt macht auch noch der dramatische Verfall der Strompreise im Großhandel Vattenfall einen Strich durch die Rechnung. Die Notierung ist an der Strombörse auf einen Tiefstand von knapp über 20 Euro je Megawattstunde gestürzt. Bei diesen Preisen sind selbst die mit eigener Kohle befeuerten Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich. Das wichtigste Argument von Vattenfall, dass die Sparte noch gutes Geld abwirft, zieht nicht mehr. Ende 2014, als Vattenfall den Verkauf einleitete, kostete Strom noch fast 35 Euro. CEZ-Chef Daniel Benes hatte schon Anfang Februar im Handelsblatt betont, die Entwicklung der Preise sei „katastrophal“.
Das ist sie vor allem für Vattenfall-Chef Hall. Sein Eigentümer, die schwedische Regierung, drängt auf den Abschied vom Klimakiller Braunkohle. Eigentlich wollte Hall aber ein gutes Geschäft machen. Es war von mehr als zwei Milliarden Euro die Rede.
Bei der Suche nach Alternativen mischen auch die Gewerkschaft IG BCE und die betroffenen Länder Sachsen und Brandenburg mit. Sie haben die Interessen der Mitarbeiter im Blick. Gleichzeitig wollen sie sicherstellen, dass es für die Rekultivierung der Tagebaue auf Dauer tragfähige Lösungen gibt.
Die Gewerkschaft hat ein Modell für eine Stiftung erarbeitet – und wird dabei offenbar von Steag unterstützt. Nach Unterlagen, die dem Handelsblatt vorliegen, würde ein Fonds oder eine Stiftung das Eigentum über Tagebau und Kraftwerke übernehmen. In den ersten Jahren soll mit den noch vorhandenen Cashflows Kapital angespart werden, um damit in einer zweiten Phase den geordneten Rückbau und die Rekultivierung zu gewährleisten.
Steag könnte über einen Vertrag als Betriebsführer für die Kraftwerke und die Vermarktung des Stroms eingebunden werden. Denkbar sei auch, dass der andere ostdeutsche Tagebaubetreiber Mibrag, der EPH gehört, einen solchen Vertrag für die Förderung schließt. Eventuell könnte die Stiftung sogar die Förderung im rheinischen Revier von RWE übernehmen. Es gibt aber schon Kritik: Auch die Stiftung müsste wegen der niedrigen Preise ja mit weniger Geld auskommen.
Eine andere Möglichkeit wäre ein Teilverkauf, wie es in Verhandlungskreisen heißt. Denkbar sei „eine Brückenlösung“, in der ein Investor zunächst nur die Hälfte übernehme und erst dann komplett einsteige, wenn die Strompreise wieder anziehen. Viele Fachleute gehen davon aus, dass das Anfang des nächsten Jahrzehnts der Fall sein könnte, wenn in Deutschland die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen und Strom wieder knapper wird.