Power-To-X BP, RWE und Evonik setzen auf Wasserstoff – und erhöhen den Druck auf die Politik
Düsseldorf Monatelang streitet die Politik jetzt schon darüber wie, wann und unter welchen Regularien eine deutsche Wasserstoffwirtschaft aufgebaut werden soll. Mindestens genauso lange hagelt es für das langsame Vorgehen seitens der Bundesregierung Kritik aus Industrie und Wirtschaft.
Erst am Dienstag wurde die eigentlich für Mittwoch geplante Vorstellung der nationalen Wasserstoff-Strategie erneut verschoben. Jetzt scheint die Geduld der Unternehmen langsam an ihr Ende zu kommen. Deswegen haben sich fünf der größten Industriekonzerne des Landes für den Bau einer Mega-Elektrolyse zusammengeschlossen. Einzige Voraussetzung: die richtigen politischen Rahmenbedingungen.
Das Ölunternehmen BP, der Chemiekonzern Evonik, die Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe und Nowega sowie Deutschlands größter Energieversorger RWE planen den Bau einer 100 Megawatt-Elektrolyse im niedersächsischen Lingen. Und das ist noch längst nicht alles.
Parallel dazu soll eine 130 Kilometer lange Wasserstoffleitung entstehen, die von Lingen bis in das nordrhein-westfälische Gelsenkirchen führt. Eine erste Produktion soll laut den Mitgliedern der Initiative mit dem Namen „Get H2“ schon in zwei Jahren starten. Aber eben nur dann, wenn die Politik jetzt endlich Sicherheit schaffe.
„Wasserstoff allgemein und insbesondere grüner Wasserstoff kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen zu erreichen. Eine der zentralen Voraussetzungen hierfür ist der Aufbau einer frei zugänglichen Infrastruktur“, kommentierte ein RWE-Sprecher das Vorhaben auf Anfrage des Handelsblatts. Der Aufbau einer solchen Infrastruktur brauche allerdings Zeit, „deswegen müssen wir so schnell wie möglich starten“.

Fünf Unternehmen wollen grünen Wasserstoff im großen Maßstab für die Industrie produzieren und nutzen.
Grüner Wasserstoff entsteht durch die Umwandlung von erneuerbarem Strom in Wasserstoff. Besonders in der Industrie gibt es Bedarf nach einer grünen Alternative zum CO2-intensiven Wasserstoff, der heute größtenteils noch aus Erdgas hergestellt wird. Ohne den Umstieg vom grauen, erdgasbasierten Energieträger auf grünstrombasierten Wasserstoff wird eine klimafreundlichere Industrie kaum zu schaffen sein, glauben Experten.
Außerdem lässt sich Wasserstoff über die so genannten Power-To-X-Technologien zu Methan oder flüssigen Kraftstoffen weiter verarbeiten. Wird er wieder in Strom umgewandelt, kann grüner Wasserstoff außerdem als langfristiger Speicher für erneuerbaren Strom aus Wind- und Solaranlagen eingesetzt werden.
Aber grüner Wasserstoff ist teuer. Nicht nur, weil Projekte meist noch lediglich auf Pilotbasis laufen, sondern weil die Rahmenbedingungen den Einsatz der vielversprechenden Technologie im Moment weiter verteuern. Unternehmen wie BP fordern deswegen schon länger, Strom aus erneuerbaren Quellen, der für die Elektrolyse genutzt wird, von Abgaben und Umlagen zu befreien.
Daran ist auch die Realisierung des geplanten Mega-Projekts von Evonik, RWE und Co. geknüpft. „Die Bereitschaft aller Beteiligten ist da, aber noch kann grüner Wasserstoff nicht wirtschaftlich hergestellt werden“, betont RWE. Der Start der Produktion und die Belieferung der Industrieunternehmen ab 2022 sei nur realistisch, „wenn die Politik schnell und entschlossen handelt.“
Dann könnte der in Lingen produzierte grüne Wasserstoff zu Abnehmern wie Raffinerien und Chemieparks in Lingen, Marl und Gelsenkirchen transportiert werden. Dafür sollen größtenteils schon bestehende Gas-Pipelines genutzt werden, die von Open Grid Europe auf 100 Prozent Wasserstoff umgestellt werden sollen, nur ein kleiner Teil der Infrastruktur müsste komplett neu gebaut werden. Wie teuer das Großprojekt werden soll, wollten die Beteiligten noch nicht sagen.
Immer mehr Unternehmen arbeiten mittlerweile an konkreten Projekten zur Produktion von grünem Wasserstoff. Gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet und dem Fernleitungsnetzbetrieb Thyssengas arbeitet auch das niederländische Gasnetzunternehmen Gasunie in Deutschland an einem großen Power-To-X-Projekt. Im niedersächsischen Diele soll eine 100 Megawatt große Elektrolyse-Anlage entstehen.
Die Bereitschaft der Unternehmen ist also da. Fehlt nur noch die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung.
Mehr: Bundesregierung vertagt Beschluss zu Wasserstoff-Strategie. Die Verunsicherung bei den Unternehmen wächst.
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