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Energie

Shell, Exxon, Saudi Aramco Im Brennpunkt der Energiewende

Big Oil orientiert sich um: Ölmultis wie Exxon Mobil oder Shell setzen auf Erdgas und grüne Energien. In einer Welt, in der vom Auto bis zur Heizung alles elektrisiert wird, kämpfen die fossilen Dinos um ihren Platz.
10.07.2017 - 18:30 Uhr 1 Kommentar
Die Öl-Multis verlagern ihr Geschäft vom Öl zum Gas. Quelle: Getty Images
Öl-Pipeline

Die Öl-Multis verlagern ihr Geschäft vom Öl zum Gas.

(Foto: Getty Images)

Istanbul Kein Politiker, der bei Sinnen ist, dürfe das Klimaabkommen umsetzen. „Unsere Wirtschaft würde sonst am Krückstock gehen“, erklärte Lee Raymond, Chef von ExxonMobil. Das war 1997. Damals wurde gerade das erste verbindliche, internationale Klimaabkommen im japanischen Kyoto unterzeichnet. Raymond war der wohl erbittertste Gegner des Protokolls.

Fast 20 Jahre später wählt sein Nach-Nachfolger bei dem weltgrößten börsennotierten Ölkonzern ganz andere Worte. „Wir arbeiten mit den Regierungen zusammen, um CO2-Emissionen zu reduzieren“, sagte Darren Woods beim World Petroleum Congress in Istanbul, dem führenden Klassentreffen der Ölindustrie. Der Kongress findet nur alle drei Jahre an wechselnden Orten statt und lockt neben den Chefs der größten Ölkonzerne der Welt auch bis zu 50 Minister aus ölreichen Staaten sowie den Generalsekretär des Ölkartells Opec an.

Woods will das schlechte Image seiner Branche, das irgendwo zwischen Klimaleugner, Umweltverpester und fossilem Abzocker rangiert, in der türkischen Metropole endlich abschütteln. Der Mann, der Ende Mai versuchte, US-Präsident Donald Trump mit einem persönlichen Brief davon abzuhalten, das Klimaabkommen von Paris aufzukündigen, inszeniert sich in Istanbul mit ExxonMobil als Umweltvorreiter und Partner der Erneuerbaren auf dem Weg ins Ökozeitalter. Sein wichtigstes Argument dabei: Erdgas. Um die Risiken des Klimawandels einzudämmen, sei Erdgas „ein zentraler Teil der Lösung“, erklärte Woods. Die Welt müsse von „Kohle auf Gas umschalten“. Schließlich ist es um zwei Drittel weniger klimaschädlich, Gas statt Kohle zu verbrennen, um Strom herzustellen.

Egal ob Staatskonzern oder privater Multi: Beinahe alle Ölgiganten sehen in Erdgas ihren großen Hoffnungsträger und verlagern ihre Portfolios verstärkt weg von Öl hin zu Gas. Der britisch-niederländische Konzern Shell machte mit der 46-Milliarden schweren Übernahme des Gasspezialisten BG Group 2015 den Anfang. Mittlerweile hat die Konkurrenz längst nachgezogen.

Der französische Ölmulti Total verkündete erst vor einer Woche, im Zuge eines Fünf-Milliarden-Deals in Iran das größte Gasfeld der Welt erschließen zu wollen. Und Saudi Aramco, der staatliche Riese, der den Ölreichtum von Saudi Arabien verwaltet, will in den nächsten Jahrzehnten mehr als 300 Milliarden Dollar investieren – vornehmlich in Erdgas, das 70 Prozent der Elektrizitätsversorgung des Königreichs abdecken soll.

Der Grund für den Wandel hin zu Gas: Seit der Ölpreis im Sommer 2014 um zeitweise mehr als 70 Prozent abschmierte, stehen die Unternehmen enorm unter Druck. Ein Barrel Rohöl (159 Liter) ist heute nur noch halb so viel wert wie vor drei Jahren. Die Folge: Allein bei den fünf unabhängigen Multis ExxonMobil, Shell, BP, Chevron und Total ist der Umsatz von zusammengerechnet 1,64 Billionen im Jahr 2014 auf nur noch 916 Milliarden im vergangenen Jahr geschrumpft. Gleichzeitig ist die Verschuldung des Quintetts auf mehr als 223 Milliarden Dollar gestiegen und der Gewinn um 75 Prozent eingebrochen – auf 18,2 Milliarden Dollar.

Alleine diese enormen Summen zeigen, dass sich in Istanbul derzeit nicht irgendeine Branche trifft, um über ihre Zukunftsaussichten zu beraten, sondern eine der bedeutendsten überhaupt. Öl ist der meist gehandelte Rohstoff der Welt. Jährlich wird Öl im Wert von 1,5 Trillionen Dollar global exportiert. Die Hälfte der zehn nach Umsatz größten börsennotierten Unternehmen der Welt sind Ölkonzerne. Und Saudi Aramco, der größte Konzern der Industrie, der mit einem Umsatz von rund einer halben Billion Dollar alle anderen wie Zwerge aussehen lässt, ist noch gar nicht auf der Liste vertreten, da er noch nicht börsennotiert ist.

Es ist jedoch längst nicht klar, ob die Konzerne mit Gas ihren Niedergang abwenden können. Die Herausforderungen sind immens. Problem Nummer eins: „Kohle wurde schon oft totgesagt, ist aber immer noch da“, sagt Walter Pfeiffer. Der Rohstoffexperte der Unternehmensberatung Roland Berger ist sicher: Erst in dem Moment, wo Kohlendioxidemissionen einen höheren Preis bekommen, wird der Kohleausstieg reell werden. Solange es keinen angemessen CO2-Preis gibt, werde Strom aus Kohle dagegen „in vielen Fällen weiter günstiger sein als Strom aus Erdgas“. Und bisher haben Politiker weltweit kaum mehr als Lippenbekenntnisse in Sachen Kohleausstieg abgegeben.

Problem Nummer zwei: Die Ölnachfrage könnte in den nächsten Jahren drastisch einbrechen. Es zeichne sich „ein rückläufiges Wachstum ab“, sagte Maurice Berns dem Handelsblatt. Der Leiter der Sparte Öl und Gas bei Boston Consulting sieht Batterien und den Vormarsch des Elektroautos als „eine echte Herausforderung für die Ölkonzerne“. Jüngst kündigte der Autobauer Volvo an, ab 2019 keine reinen Verbrennungsmotoren mehr in seinen Fahrzeugen verbauen zu wollen. Sollten dem Beispiel weitere folgen, könnten die Ölriesen schon mittelfristig ihren wichtigsten Absatzzweig verlieren – die Zapfsäule für Diesel und Benzin. Und Gas spielt in der Mobilität so gut wie keine Rolle.

Problem Nummer drei: „Elektrischer Strom wird die Energieform des 21. Jahrhunderts“, glaubt Patrick Pouyanné, Chef des französischen Ölriesen Total. Im Geschäftsfeld Strom können die Ölriesen ihre Stärken aber kaum noch zur Geltung bringen. Der Grund, warum Konzerne wie Total teils mehrere Hundert Milliarden Dollar pro Jahr umsetzen, ist, dass Skaleneffekte bei der Förderung von Öl und Gas von enormem Vorteil sind.
„In der neuen Energiewelt, die vor allem auf Elektrizität basiert, ist schiere Größe allein aber nicht mehr so entscheidend. Wir werden eine viel fragmentiertere, dezentralere Anbieterlandschaft sehen“, erklärt John Feddersen. Der Chef des britischen Analysehauses Aurora Energy Research hat für die Ölmultis eine weitere schlechte Nachricht parat: „Die Konzerne müssen sich darauf einstellen, dass die Gewinne im Stromgeschäft niedriger ausfallen als in der Ölproduktion.“ Die Zeit, in der Solar- und Offshore-Windparks hohe staatliche Vergütungen erhielten, ist vorbei.

Amin H. Nasser, der Chef von Saudi Aramco, beschwört deshalb in Istanbul die Selbstverteidigungskräfte seiner Branche herauf. „Die anhaltende Marktvolatilität ist eine kraftvolle Erinnerung daran, dass wir unser eigenes Geschäftsmodell robuster und disziplinierter gestalten müssen.“ Shell-Chef Ben van Beurden sieht die Transformation der Energiewelt nicht nur als Risiko, sondern auch als große Chance für seinen Konzern. „Shell ist entschlossen, Lösungen zu finden. Wir werden bis zu eine Milliarde Dollar pro Jahr in unsere Division Neue Energien bis zum Ende der Dekade investieren“, sagte van Beurden in Istanbul. Warum aber ausgerechnet ein Ölmulti künftig zu den führenden Solar- und Windkraftbetreibern zählen sollte, bleibt unklar. Wirkliche Wettbewerbsvorteile sind hier für Shell, ExxonMobil und Co. nicht ersichtlich.

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1 Kommentar zu "Shell, Exxon, Saudi Aramco: Im Brennpunkt der Energiewende"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Guten Tag Herr Hubik,

    sehr interessanter Artikel! Vielen dank dafür.

    Kurze Anmerkung zu Shells Investitionen: Ich glaube Shell hat angekündigt eine Milliarde, nicht eine Billion zu investieren (englisch 'billion'). So habe ich es zumindest in anderen Quellen gelesen, ggf. können Sie das noch einmal nachprüfen.
    Zudem schreiben Sie als Kommentar zu dieser Ankündigung :"Warum aber ausgerechnet ein Ölmulti künftig zu den führenden Solar- und Windkraftbetreibern zählen sollte, bleibt unklar." - Mein Verständnis ist, dass Shell hier vor allem auf Investitionen in Wasserstoff Brennstoffzellen, neue Biofuels und LNG abzielt. Da bin ich mir aber nicht sicher. Ggf. können Sie mehr dazu sagen?
    Freue mich auf Ihre Rückmeldung.

    Beste Grüsse aus Zürich

    Martin Beuse

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