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Energie

Siemens Gamesa-CEO Markus Tacke „Bis 2020 können wir Marktführer werden“

Siemens-Gamesa-CEO Markus Tacke glaubt an ein Ende der Abwärtsspirale für Preise in der Windbranche. Mit zu optimistischen Aussagen hält er sich aber zurück.
05.06.2018 - 06:22 Uhr Kommentieren
Als ehemaliger Siemens-Windpower-Chef hat Markus Tacke sowohl die Boomphase als auch die Flaute in der Windindustrie miterlebt. Quelle: picture alliance/dpa
Markus Tacke

Als ehemaliger Siemens-Windpower-Chef hat Markus Tacke sowohl die Boomphase als auch die Flaute in der Windindustrie miterlebt.

(Foto: picture alliance/dpa)

Madrid Mittlerweile ist es Markus Tacke gewohnt, beim deutsch-spanischen Joint Venture Siemens Gamesa Englisch zu sprechen. So sehr, dass er am Anfang des Interviews auf Deutsch buchstäblich nach Worten ringt. „Mann ist das schwierig, jetzt auf Deutsch umzustellen“, sagt er, holt tief Luft und legt dann los. Doch die Schlüsselbegriffe fallen weiter auf Englisch – von Restructuring und Repowering spricht er dann. Siemens Gamesa will ein global agierender Konzern werden, der größte weltweit. Zumindest sprachlich hat sich Tacke dem Ziel schon einmal angenähert.

Herr Tacke, der Start des gemeinsamen Unternehmens verlief alles andere als reibungslos. Zahlreiche Top-Manager von Gamesa verließen das Unternehmen, 2017 schockten sie die Märkte mit zwei Gewinnwarnungen, der Aktienkurs brach um die Hälfte ein. Was war da los?
Es stimmt, der Anfang war nicht einfach. Die Idee aber war die Richtige: Wir haben Siemens und Gamesa zusammengeführt, um ein global tätiges Windunternehmen zu bilden, das sowohl bei Windenergie an Land als auch auf See der Weltmarktführer werden kann. Dahinter steht die Überlegung, dass Volumen und Skalenvorteile in dem Markt wichtig sind. Das bezieht sich auf Entwicklungskosten und die Fixkosten, aber auch die globale Aufstellung.

Und was lief nun schief?
Zwei Tage vor unserer Erstnotierung am dritten April ist der indische Markt eingefroren, dieser Markt hat ein Drittel zum Umsatz von Gamesa beigetragen und noch mehr zum Gewinn. Zudem kam der Zusammenschluss zeitgleich mit der Umstellung von staatlichen Subventionen auf Auktionsverfahren auch in anderen Ländern. Deshalb waren die Gewinnwarnungen nötig. Und es stellte sich heraus, dass wir für den Offshore-Anbieter Adwen, den wir im Zuge der Fusion mit übernommen hatten, hohe Rückstellungen bilden mussten.

Aber wegen solcher wirtschaftlichen Schwierigkeiten ergreift doch nicht das Management die Flucht.
Man kann auch nicht von einer Flucht sprechen. Es ist üblich in einem Merger, dass gerade im oberen Management einige Leute andere Vorstellungen haben oder andere Möglichkeiten sehen, sich weiterzuentwickeln. Der ehemalige Gamesa-Chef Ignacio Martin hat das Unternehmen schneller verlassen als absehbar, deshalb habe ich den Posten auch früher übernommen als geplant. In den Ebenen darunter gab es deutlich weniger Wechsel.

Aber es sind ja die Manager, die die Richtung eines Unternehmens bestimmen – wenn da so viele weggehen, verunsichert das auch die Anleger. Neben dem CEO ist auch der Chef des Onshore-Geschäfts gegangen.
Mit ihm gab es einfach verschiedene Auffassungen. Ich habe gesagt, wir müssen ein einziges Unternehmen werden, auch wenn wir die drei Geschäftsbereiche Onshore, Offshore und Service haben, die sehr unterschiedlich funktionieren. Aber wir müssen es schaffen, zwischen ihnen Synergien zu heben. Der Ansicht waren auch unsere Großaktionäre. In der Strategie hat sich der ein oder andere womöglich nicht wiedergefunden.

Damit war das Personalthema aber noch nicht vom Tisch. Iberdrola-Chef Ignacio Galán hat mehrfach einen „unabhängigen“ CEO für Siemens Gamesa gefordert und hält sie offensichtlich nicht dafür. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Ich fühle mich durchaus als unabhängig, weil ich mein Arbeitsverhältnis mit Siemens beendet habe. Da gibt es keine Rückkehr-Garantie, das ist ein klarer Wechsel zu einem neuen Unternehmen. Ich habe keinen Anreiz, Siemens irgendwelche Vorteile zu gewähren. Der Aufsichtsrat, in dem auch ein Vertreter von Iberdrola sitzt, hat mich im Übrigen einstimmig zum CEO gewählt. Aber ich kann nachvollziehen, dass der Start für alle Beteiligten anders gelaufen ist, als man sich das vorgestellt hat - und das gilt für alle Aktionäre. Dass dies zu Diskussionen führt, ist nachvollziehbar.

Gibt es immer noch Diskussionen zwischen Siemens Gamesa und Iberdrola?
Iberdrola ist ein wichtiger Aktionär und hat mit acht Prozent eine wichtige Bedeutung. Es ist ein wichtiger Kunde. Und ein gutes Verhältnis mit Iberdrola liegt mir am Herzen.

Siemens Gamesa ist das erste Beispiel für den neuen Flottenverbund, den Siemens mit Ausgliederungen schaffen will. Wie eng ist ihr Verhältnis zu den Münchenern, die 59 Prozent besitzen und Siemens Gamesa in ihrer Bilanz konsolidieren?
Natürlich ist Siemens der Großaktionär und er will auch Synergien zwischen der Siemens AG und Siemens Gamesa nutzen können. Das ist vor der Fusion verhandelt worden. Aber der Einfluss der Siemens AG findet über den Aufsichtsrat statt. Der tagt einmal im Monat und dem bin ich Rechenschaft schuldig, mehr nicht. Ich kann natürlich nicht für Siemens sprechen, aber soweit ich das interpretieren kann, ist das auch die Absicht der Siemens AG, das so als Geschäftsmodell in dem Flottenverband zu entwickeln.

Was genau?
Nach meinem Verständnis will Siemens den Ausgliederungen Freiheit und unternehmerische Unabhängigkeit geben und sie bewusst aus dem großen Verbund herauslösen, um eine Agilität am Markt zu ermöglichen, die ein Unternehmen als Teil eines großen Konglomerats nicht leisten kann. Deshalb muss Siemens die Flotten über den Aufsichtsrat so führen, wie das überall passiert – die Aufsichtsrat-Entscheidungen müssen im Interesse des Unternehmens getroffen werden, in unserem Fall Siemens Gamesa, ohne Kompromisse zugunsten von Konzerninteressen.

Aber in Spanien heißt es, es laufe genau andersherum: Der Vorteil von Gamesa sei die große Flexibilität und Schnelligkeit gewesen, die gerade in Schwellenmärkten wichtig ist. Aber nach der Fusion hätten sich die Prozesse verlangsamt, weil viele Entscheidungen immer in Rücksprache mit München getroffen werden mussten.
Ich kann nicht kommentieren, was andere sagen. Aber ich kann Ihnen versichern, dass die Entscheidungen in den Board-Meetings getroffen werden und dann setze ich sie um. Es gibt kein paralleles Gremium dazu. Das wurde vielleicht durch die Presse oder einen Aktionär suggeriert, aber das gibt es nicht. Und ich glaube auch, Siemens ist gut beraten, das nicht zu haben. Das würde dem strategischen Ziel des Flottenverbands, so wie ich es verstanden habe, nicht entsprechen.

Sie wollten die Integration in 1,5 Jahren abschließen, das wäre diesen Herbst. Liegen Sie dafür im Plan?
Wir haben schon deutliche Fortschritte gemacht, aber ich habe schon einmal gesagt, es geht mir nicht schnell genug.

Das hat Siemens-Chef Joe Kaeser auch schon gesagt ...
Es gibt eine Reihe von Themen, wo es hätte schneller gehen müssen. Aber wir mussten in dem schwierigen Markt auch sicherstellen, dass wir am Markt agieren und uns nicht nur auf unsere internen Prozesse fokussieren. Das ist uns gelungen – wir hatten sehr hohe Auftragseingänge in den vergangenen drei Quartalen.

Der Wettbewerber Vestas steht trotz Krise erheblich besser da als Siemens Gamesa. Wie kommt das?
Vestas hat sich vor drei Jahren nach der schweren Krise im Markt bereits erfolgreich fokussiert. Wir sind gerade dabei, das zu tun. Hätten wir das auch schon vor drei Jahren gemacht, wären wir heute in einer ähnlichen Position.

Kam die Fusion also zu spät?
Das würde ich so nicht sagen. Unsere Aufstellung heute ist mindestens so gut wenn nicht besser als die unserer Wettbewerber. Unsere Aufträge sind besser regional verteilt, was dem Unternehmen Stabilität gibt. Unsere globale Reichweite ist größer, wir sind in Europa sehr gut aufgestellt. Jetzt müssen wir natürlich noch ein paar Hausaufgaben machen, das stimmt schon. Aber wenn wir die erledigt haben, habe ich keinen Zweifel daran, dass wir unser Lead 2020 Programm im Jahr 2020 einlösen werden.

Sie haben sich bis 2020 ein Margenziel von acht bis zehn Prozent gesetzt. Vestas stellt dieses Jahr schon neun bis elf in Aussicht. Reicht das?
Ich glaube, dass wir uns mit dem Margenband von acht bis zehn Prozent ein gutes Ziel gesetzt haben, an dem wir unsere Entwicklung ausrichten. Ich bin aber auch eher der Meinung, dass wir Quartal für Quartal überzeugen sollten. Wir müssen nach unserem schwierigen Start jetzt erst einmal Vertrauen aufbauen, und uns keine Ziele setzen, die wir nicht erreichen können.

Sie sehen also noch Raum nach oben?
Die Kombination aus einem eher schnell drehenden Onshore-Geschäft, mit einem behäbigen Offshore-Geschäft, wo wir auch Marktführer sind, ist eine gute Ausgangslage für unsere anvisierte Marge.

Sie nehmen also auch nur Aufträge an, die ihrer Marge entsprechen?
Wir nehmen nicht jeden Auftrag zu jedem Preis an, da haben wir eine rote Linie. Natürlich ist Volumen relevant, aber eben nur insofern, wie es zur Unternehmensplanung passt. Da muss man schon abwägen. Wir haben auch eine Reihe von Aufträgen in zweiten Quartal nicht angenommen, weil die Margen für uns nicht ausreichend waren. Volumen ist definitiv relevant für das Windkraftgeschäft. Natürlich kann man sich Volumen kaufen, aber das ist auch sehr teuer. Und das haben wir definitiv nicht gemacht.

Wann wollen Sie denn Vestas den ersten Rang ablaufen, nicht nur bei der installierten Leistung?
Da muss man die Nummer eins definieren. Geht es nur nach Volumen, nur nach Marge oder nach Umsatz und Gewinn? Da kann man eine Reihe von Kriterien definieren. Unser Lead 2020 Programm besteht aus drei Teilen: Wachstum, Kostenfokus und Technologie. Wenn man in diesen drei Bereichen als der im Markt relevante Spieler wahrgenommen wird, dann hat man aus meiner Sicht eine Nummer eins.

Es ist also nicht ihr Ziel Vestas bei Umsatz und Gewinn zu überholen?
Ich sage nur, dass es nicht eine einzige Zahl gibt. Wir sind noch nicht am Ziel, nur erster Platz bei der installierten Leistung zu sein reicht mir nicht, dass kann ich schon mal sagen.

Sie haben im zweiten Quartal das erste Mal auch wieder etwas Gewinn macht. Ist das der Turnaround?
Wir haben das Jahr 2018 als Stabilisierungsjahr kommuniziert, und diese Stabilisierung findet auch in den ersten zwei Quartalen sichtbar statt. Mit unserem Umsatzziel von 9,6 Milliarden Euro fühlen wir uns gut aufgehoben. Aber klar, die Stabilisierung muss sich auch fortsetzen, damit wir dahin kommen.

Also ist das Ende der Preiserosion erreicht?
Tatsächlich sind die Preise jetzt seit drei Quartalen auf demselben Niveau. Nun macht eine Schwalbe noch keinen Frühling, aber die Annahme, die wir getroffen haben, bestätigt sich dadurch natürlich. Wir sind davon ausgegangen, dass es ein Tief gibt, und dass sich die Preise dann stabilisieren. Wir sehen Indikationen am Markt, die unsere Annahmen bestätigen.

Wo sehen Sie in der Zukunft Wachstumsmärkte? Bei den Industrienationen ist ja Onshore nicht mehr so viel zu holen, oder?
Unser Ziel ist deswegen auf jeden Fall international zu wachsen. Wachstumsmärkte sind zum Beispiel Argentinien, Mexiko, Brasilien. Die investieren mittlerweile nicht mehr weil sie „grün“ werden wollen, sondern weil es die günstigste Art der Stromerzeugung ist. Wir sind auch in Marokko die Nummer eins. Und in Australien bauen wir gerade einen Windpark mit Batteriespeicher auf. Aber auch Länder wie Thailand investieren zunehmend in Erneuerbare und da in das Segment Wind. Also Wachstum kommt eher aus den Schwellenländern.

Deutschland und Europa verlieren also an Bedeutung?
Natürlich sind unsere Heimatmärkte weiter wichtig für uns. Hier ist aber vor allem das Repowering ein wichtiges Thema. Vor allem für angestammte Märkte wie Deutschland, aber auch in den USA. Beim Repowering werden schon bestehende Windparks modernisiert, digitalisiert oder komplett erneuert. Da entwickelt sich ein Markt vor allem in den Ländern, in denen früh mit Windkraft angefangen wurde.

Das waren jetzt Onshore-Märkte. Wie sieht es denn bei Offshore aus?
Bis jetzt ist das eher ein nordeuropäischer Markt. Da hatten wir bislang nur Nord- und Ostsee. Jetzt entwickelt sich der Offshore-Markt auch international. Wir sehen etwa Taiwan und die USA im Kommen. Wenn Sie sich die Stromrechnung eines New Yorkers angucken, sind die Hälfte davon Übertragungsgebühren. Wenn Sie jetzt einen Windpark vor die Küsten New Yorks stellen, ist das doch günstiger als den Strom von weit her in die Stadt zu holen.

Macht Ihnen ein Donald Trump da keine Sorgen?
Über Trump macht man sich natürlich schon Gedanken, fragt sich nur welche. Der Ausbau der Windparks ist allerdings Ländersache, das wird von den Staaten vorangetrieben. Auch die Staaten wollen in Sachen Energie unabhängig sein. Nach einigen Fragezeichen am Anfang, hat sich das ganze Thema mittlerweile etwas beruhigt.

Also keine Angst vor Strafzöllen wie bei den Kollegen aus der Solarbranche?
Nein. Aber natürlich müssen wir uns damit auseinandersetzen wie wir mit den Einfuhrsteuern auf Stahl umgehen. Das müssen wir uns ganz genau angucken. Aber wir haben auch Fabriken in den USA, womit wir „Made in USA“ gut bedienen können.

Ein weiterer interessanter Zukunftsmarkt ist China, der einzige Markt wo es noch staatliche Subventionen gibt. Wie lange noch?
Auch in China steht im Moment zur Diskussion auf das Ausschreibungssystem umzuschwenken. Aber dazu muss man sagen, dass die staatliche Förderung dort von Anfang an nie sonderlich hoch war. China ist ein sehr wettbewerbsintensiver Markt. Das heißt die chinesische Regierung hat es bewusst so gelenkt, dass die Vergütung den Markt nie so entspannt hat wie in anderen Ländern. Das müssen wir sehr genau beobachten, aber es kann auch sehr gut sein, dass ein Auktionsverfahren sogar höhere Preise im Ergebnis hat, weil es dann ein im Wettbewerb ausgehandelter Preis ist, und kein staatlich gesetzter. Ich glaube es ist zu früh da eine abschließende Meinung zu haben. Aber wir verfolgen das natürlich mit hohem Interesse.

Herr Tacke, vielen Dank für das Gespräch.

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