Streit um Garantien Wintershall Dea droht mit Rückzug aus Libyen

Der Transport des Öls wird häufig unterbrochen, das belastet den Wintershall-Konzern.
Düsseldorf, Berlin Seit 1958 ist Wintershall Dea in Libyen aktiv. Die BASF-Tochter förderte selbst während der Herrschaft von Diktator Muammar el Gaddafi in dem nordafrikanischen Land Öl, als die meisten Konkurrenten vor drohenden Sanktionen durch die US-Regierung zurückschreckten. Jetzt prüft der deutsche Öl- und Gasproduzent nach Informationen des Handelsblatts aus Konzernkreisen aber den Abschied aus Libyen.
Der Schritt wäre für das Unternehmen aber auch für die Bundesregierung brisant. Wintershall und BASF drohen hohe Abschreibungen. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich als Vermittlerin in dem vom langen Bürgerkrieg zerrütteten Land positioniert, käme das Ende des größten Engagements eines deutschen Unternehmens in Libyen zur Unzeit.
Deshalb beschäftigt der Fall auch schon seit Längerem die Bundesregierung. Ulrich Nußbaum, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium trifft am Mittwoch Hans-Ulrich Engel, Vizechef der BASF, und Mario Mehren, Chef von Wintershall Dea, zu einem Krisentreffen. Das erfuhr das Handelsblatt aus Konzernkreisen.
Dabei gehe es um die Frage, ob BASF und Wintershall Dea staatliche Garantien in Anspruch nehmen könnten. Die Unternehmen pochen auf die Auszahlung einer Hermes-Bürgschaft, weil es in den vergangenen Jahren wegen politischer Unruhen wiederholt zu Produktionsausfällen gekommen war. Es gehe um „erhebliche Beträge“, heißt es.
Außerdem fordert Wintershall Dea von der Bundesregierung mehr Unterstützung bei Streitigkeiten mit der staatlichen libyschen Ölgesellschaft National Oil Corporation (NOC) – es geht um rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen der Förderung. Für das Unternehmen kommt ein Verbleib nur infrage, wenn sich die wirtschaftliche Lage der dortigen Niederlassung deutlich verbessert, heißt es in den Konzernkreisen.
Dabei würde der Rückzug dem Unternehmen nicht leichtfallen. In Branchenkreisen wird spekuliert, dass Abschreibungen in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags fällig wären. BASF teilte auf Anfrage mit, man sehe derzeit keinen Abschreibungsbedarf, beobachte die politische Situation in Libyen aber mit großer Sorge. Wintershall Dea lehnte einen Kommentar ab.
Produktion steht oft still
Tatsächlich ist das Engagement des Unternehmens in Libyen beträchtlich. Wintershall Dea betreibt acht Ölfelder in der Wüste und ist am Offshore-Feld Al-Jurf im Mittelmeer beteiligt. Insgesamt zwei Milliarden Dollar hat die Firma in dem Land investiert. Pro Tag könnte Wintershall Dea dort 80.000 Barrel Öl fördern.
Seit 2011 ist die Produktion aber „durch die schwierige politische und Sicherheitslage“ massiv eingeschränkt, wie Wintershall Dea erklärt. Zwar sind die Anlagen selbst intakt.
Die Produktion musste aber zurückgefahren werden und war aufgrund „wiederkehrender Blockaden der Exportinfrastruktur teils langfristig unterbrochen“. Nachdem die Tochter in Libyen jahrzehntelang hohe Gewinne abgeworfen hatte, fielen ab 2013 Verluste von im Schnitt gut zehn Millionen Euro an.
2017 eskalierte die Lage zusätzlich, als es zum offenen Streit mit der NOC kam. Dabei geht es um unterschiedliche Auffassungen über Lizenzen und Verpflichtungen aus der Zeit Gaddafis.
Bisher hatte Wintershall für das Recht, auf libyschem Boden Öl fördern zu dürfen, jeden Monat Gebühren, Steuern und Förderabgaben an die libysche Zentralbank gezahlt – nach Abzug der Kosten landeten immerhin mehr als 90 Prozent der Einnahmen in der Staatskasse.
Jetzt forderte die NOC aber stattdessen ein Abkommen zur gemeinsamen Exploration und Produktion von Öl, mit dem es Zugriff auf die Geldflüsse und auf das Management bekommen will.
Bis heute wird über die Bedingungen gestritten. In Konzernkreisen heißt es, man habe sich von der Bundesregierung mehr Unterstützung erhofft. Italien und Frankreich würden die Ölkonzerne Eni und Total besser unterstützen. Wintershall Dea sei trotz der schwierigen Rahmenbedingungen im Land geblieben. Jetzt sei man aber an einem Punkt, an dem das Engagement wirtschaftlich kaum noch zu vertreten sei.
Für Wintershall hat sich die Lage aber auch durch die Fusion mit dem deutschen Konkurrenten Dea geändert, die erst in diesem Frühjahr abgeschlossen wurde. Zum einen brachte Dea umfangreiche Aktivitäten in Ägypten in das gemeinsame Unternehmen. Statt sich in Libyen zu verkämpfen, könnte Wintershall Dea in Ägypten, einem stabileren nordafrikanischen Ölland, investieren.
Hypothek für Börsengang
Zum anderen plant Wintershall Dea im zweiten Halbjahr 2020 den Gang an die Börse – das ist auch für den BASF-Konzern ein wichtiger strategischer Schritt, der noch 67 Prozent der Anteile hält. Ein Problemfall wie Libyen würde da nur belasten, also muss eine Entscheidung her: entweder der Rückzug aus Libyen oder der Verbleib, wenn die Bundesregierung das Engagement mit maximaler Unterstützung flankiert.
Für die Bundeskanzlerin wäre der Abschied von Wintershall Dea aus Libyen ein schwerer Schlag. Sie will eine Konferenz organisieren, um den Uno-Friedensplan für Libyen durchsetzen zu können. Erst vor einer Woche hatten sich dazu überraschend außenpolitische Berater und hohe Beamte mehrerer Regierungen in Berlin im Kanzleramt getroffen.
In Libyen kämpfen seit dem Sturz von Muammar el Gaddafi verfeindete Milizen gegeneinander. Im Bundestag hatte Merkel jüngst angesichts der anhaltenden Waffenlieferungen an die Kriegsparteien vor einem Stellvertreterkrieg gewarnt. Libyen ist zudem Durchgangsland für Migranten aus Afrika, die nach Europa wollen.
Mehr: Um den UN-Friedensplan für Libyen durchsetzen zu können, soll es eine Konferenz in Deutschland geben. Dafür trafen sich Berater und hohe Beamte mehrere Regierung.
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