Versorgungsengpass Wenn Tankstellen der Sprit ausgeht

Die Fahrt zur Tankstelle wird in diesen Tagen für viele Autofahrer zum Ärgernis - nicht nur wegen der hohen Spritpreise.
Düsseldorf Rot-weißes Flatterband wickelt sich um die Zapfsäule – der Diesel ist leer. In den vergangenen zwei Wochen kein seltenes Bild an Tankstellen von Würzburg bis Bonn. Tankstellenbetreiber warten teilweise tagelang auf neue Lieferungen und werden immer wieder vertröstet. Langsam werden die Vorräte knapp – und die Preise an der Zapfsäule steigen auf ein Rekordhoch.
Der Rhein – Deutschlands wichtigste Wasserstraße liegt auf dem Trockenen. Es regnet zu wenig, darum können die Tankschiffe seit Wochen nicht mehr vollbeladen fahren. Sie transportieren also weniger Kraftstoffe, die sie von den Raffinerien auf die Häfen verteilen. In Deutschland werden jeden Monat allein etwa drei Millionen Tonnen Diesel umgesetzt.
Jetzt stehen immer mehr Zapfsäulen vorübergehend still. Manchmal nur Stunden, manchmal ganze Tage. Der Bundesverband Freier Tankstellen (BFT), beschreibt die Situation als sehr angespannt. Besonders im Rheinland und in Südwestdeutschland.
Um die Versorgungslücke zu schließen, wurden auf Anweisung des Bundeswirtschaftsministeriums 70.000 Tonnen Benzin, 150.000 Tonnen Dieselkraftstoff und rund 56.000 Tonnen Kerosin für den Raum Köln und die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und den Bezirk Unterfranken in Bayern durch den Erdölbevorratungsverband freigegeben.
Die Freigabe ist aber nur eine zeitlich begrenzte Maßnahme, um Störungen in der Energieversorgung zu verhindern oder zu beheben. Zu einer Verbesserung der Lage habe es laut einer Mitteilung des Erdölbevorratungsverbands vom Freitag bislang aber nicht geführt.
Die Rheinland-Raffinerie des Ölriesen Shell hat mittlerweile ihre Produktion gedrosselt. Das heißt, dass sie weniger Rohöl verarbeitet, das über eine Pipeline aus Rotterdam kommt, weil die hergestellten Produkte wie etwa Diesel, Benzin oder Heizöl kaum mehr weg zu transportieren sind. Aus der größten Ölverarbeitungsstätte Deutschlands werden bis zu 40 Prozent der Produkte über den Wasserweg abtransportiert.
„Wenn überhaupt, bekommen wir Diesel, Benzin und Heizöl aktuell nur noch in eingeschränktem Maße per Binnenschiff aus der Raffinerie“, sagte eine Sprecherin des Unternehmens dem Handelsblatt.
Auch für die Shell-Tankstellen sei die Situation eine Herausforderung. „Wir tun alles, um die Versorgung sicherzustellen, aber auch wir können nicht ausschließen, dass es vereinzelt zu vorübergehenden Leerständen für die jeweiligen Produkte kommt“, so die Sprecherin. Den Transport einfach komplett auf Straße und Schienen zu verlegen sei logistisch nicht möglich. Ein Schiff kann so viel Öl transportieren wie 500 Tankwagen. In der Diskussion ist deswegen auch eine zeitweise Aufhebung des Sonntagsfahrverbots für Lastkraftwagen mit Benzin, Diesel oder Kerosin an Bord.
Die Versorgungsengpässe bereiten aber nicht nur den Tankstellenbesitzern Sorgenfalten. Auch der Autofahrer muss derzeit tiefer in den Geldbeutel greifen, wenn er an der Zapfsäule steht. Im Bundesdurchschnitt ist der Preis für Super/E10 laut dem Vergleichsportal clevertanken.de in den vergangenen drei Monaten um über sechs Prozent je Liter gestiegen, für Diesel sogar um 20 Prozent. Der ADAC spricht von Rekordpreisen. Und das, obwohl der Ölpreis seit Anfang Oktober um rund 13 Dollar, auf nun mehr 73 Dollar je Barrel der Sorte Brent, gefallen ist.
Für den ADAC ist der Preissprung an der Zapfsäule allein mit dem anhaltenden Niedrigwasser nicht zu erklären. „Die bundesweite Preisgestaltung an den Zapfsäulen ist aus unserer Sicht deutlich überzogen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens dem Handelsblatt. Der Tankstellenverband wehrt sich gegen die Vorwürfe.
Eine Preissteigerung bis zu sechs Cent aufgrund der Versorgungslage sei bei solch einem „enormen logistischen Aufwand“ durchaus realistisch, sagt Geschäftsführer Jochen Wilhelm. Die Fahrzeuge seien länger unterwegs, stünden länger an den Versorgungsstellen und brauchten dann auch wieder länger zur Tankstelle.
Trockenheit und Dürre herrschen in vielen Regionen bereits seit Monaten, während die Preise an den Tankstellen erst angezogen wurden, als der Preis pro Barrel seine Spitze mit 86 Dollar je Barrel Brent Anfang Oktober überschritten hatte. Spätestens ab diesem Moment, so der ADAC, hätte der niedrigere Rohölpreis auch an die Verbraucher weitergegeben werden müssen.
Wilhelm weist allerdings auch auf die Explosion in einer Raffinerie im bayerischen Vohburg an der Donau im September hin. Der dortige vorübergehende Produktionsausfall habe die Situation zusätzlich verschärft.
Einen Grund, jetzt Benzin und Diesel zu bunkern, gibt es aber nicht. Für das Wochenende ist zumindest wieder etwas Regen gemeldet, auch wenn die Pegel der Flüsse nur langsam steigen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.