Wingas-Chef Gerhard König: „Europa braucht Gazprom“
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Wingas-Chef Gerhard König„Europa braucht Gazprom“
Deutschlands größter Gashändler Wingas ist seit wenigen Monaten in russischer Hand. Im Interview spricht Chef Gerhard König über die Angst der Verbraucher, gegenseitige Abhängigkeit und sagt sinkende Preise voraus.
Herr König, waren Sie eigentlich schon im Kreml zum Antrittsbesuch? Nein, meine Gesprächspartner sitzen bei Gazprom.
Gazprom befindet sich mehrheitlich in Staatsbesitz. Als Wingas-Chef bilden Sie damit quasi die Speerspitze des russischen Energieimperiums in Europa. Da muss sich doch auch die Politik für Sie interessieren – nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden Ukraine-Krise. Erdgas und Erdgasversorgung sind wirtschaftlich getriebene Themen. Ich plädiere dafür, das ein Stück weit zu entpolitisieren. Letztlich hat Gazprom den Auftrag, kontinuierlich profitable Ergebnisse zu erwirtschaften. Meine Aufgabe als Wingas-Chef ist, dazu beizutragen, dass möglichst viel russisches Gas nach Europa fließt. Um das sicherzustellen, tausche ich mich fortlaufend mit meinen Gesellschaftern aus.
Das heißt, Sie müssen jetzt regelmäßig bei Gazprom-Chef Alexei Miller zum Rapport? Richtig ist: Ich bin seit der vollständigen Übernahme durch Gazprom öfter in Russland. Aber nicht weil ich zum Rapport müsste, sondern um strategische Fragen mit meinem Gesellschafter zu besprechen. Zum Beispiel, wie wir in Deutschland und Europa noch stärker wachsen können. Natürlich nehme ich dabei auch eine gewisse Mittlerrolle ein. Ein Großteil meiner Arbeit besteht derzeit darin, den russischen Kollegen die Sichtweise der Europäer zu erklären und umgekehrt. Russland und die Rolle von russischem Gas werden innerhalb der EU und vonseiten der EU-Kommission ja leider nicht nur freundlich betrachtet. Dabei macht Europa ohne eine starke Partnerschaft mit Russland doch gar keinen Sinn.
Können Sie verstehen, dass es Vorbehalte gegen Gazprom gibt? Diejenigen, die Gazprom kennen und im Energiegeschäft tätig sind, haben keine Vorbehalte. Die Reaktionen unserer Kunden auf die vollständige Übernahme durch Gazprom waren durchweg positiv. Einige haben uns sogar gratuliert, weil sie Gazprom als einen starken, kompetenten Partner für die Energieversorgung sehen.
Was sagen Sie jenen, die beunruhigt sind, weil ein russisches Staatsunternehmen Gasspeicher in Deutschland kontrolliert und theoretisch bei jedem fünften deutschen Gaskunden entscheiden kann, ob die Heizung warm wird oder kalt bleibt? Denen sage ich, dass Wingas ein deutsches Unternehmen ist und deutschem Recht und deutscher Regulierung unterliegt. Und denen sage ich, dass Gazprom Milliarden in Europa in eine sichere Versorgungsinfrastruktur investiert und dadurch ein unternehmerisches Risiko auf sich nimmt. Das ist ein klarer Vertrauensbeweis, den ich bei anderen Produzenten so nicht sehe. Ich verstehe überhaupt nicht, warum wir in Europa immer die Sorge haben, Gazprom könnte nicht zuverlässig liefern. Das ergibt doch keinen Sinn. Wenn Gazprom das wollte, warum investieren sie dann Milliarden etwa in Pipelines in Europa? Niemand hat mehr Interesse daran, dass die Gasspeicher in Deutschland gefüllt sind und zu den Kunden in Europa stetig Gas fließt als Gazprom.
Die Übernahme von Wingas durch Gazprom sollte auch ein Zeichen des gegenseitigen Vertrauens sein. Diese Signalwirkung ist längst verpufft. Zwischen Europa und Russland herrscht Eiszeit. Ja, auf politischer Ebene ist das wohl so. Aber auf der energiewirtschaftlichen Ebene gibt es nach wie vor eine gute Zusammenarbeit zwischen Russland, Deutschland und Europa. Es fließt mehr Gas als je zuvor. Die direkten Beziehungen zwischen den Unternehmen, die miteinander handeln, sind intakt. Ich würde das also nicht überinterpretieren und weniger pessimistisch sein. Das, was es an politischem Rumoren drumherum gibt, spiegelt die tatsächliche Lage nicht wider.
Politisches Rumoren? Es gibt eine drastische Ost-West-Konfrontation. Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew klagte auf der Münchner Sicherheitskonferenz über einen „neuen Kalten Krieg“. Ja, aber wirkt sich das auf die Beziehung zwischen den Partnern auf Unternehmensebene aus? Da kann ich Ihnen versichern, dass diese Beziehungen sehr stabil sind. Wir sollten versuchen, dieses Vertrauen, das in der Wirtschaft herrscht, als Basis zu nutzen, um auch die politischen Beziehungen zwischen Europa und Russland wieder zu verbessern.
Vita Gerhard König
Schon seit 2009 ist Gerhard König Geschäftsführer des Gashändlers Wingas. Bis September 2015 saß König parallel im Vorstand der BASF-Tochter Wintershall. Nachdem Gazprom das Joint Venture komplett übernommen hat, muss er nur noch den Russen Bericht erstatten. Der 50-jährige Schwabe ist schon seit 2002 bei Wingas.
Der Verbraucher hat keinen direkten Kontakt mit Wingas. Das Unternehmen ist ein Gasgroßhändler. Es kauft Gas beim Produzenten und verkauft es an Spotmärkten oder an Großkunden aus der Industrie oder Versorger. Mit einem Umsatz von 14,4 Milliarden Euro ist Wingas die Nummer eins in Deutschland – und nach der Übernahme durch Gazprom die größte Niederlassung eines russischen Konzerns in Deutschland.
Sie tun so, als könnten Unternehmen völlig losgelöst von politischen Entwicklungen agieren. Das Gegenteil ist doch der Fall. Mitten in der Ukraine-Krise erklärte Gazprom-Chef Miller, Europa habe für ihn keine Priorität mehr. Die Übernahme von Wingas wurde zwischenzeitlich gestoppt. Es ist müßig, jetzt im Kaffeesatz zu lesen, was in der Vergangenheit wirklich passiert ist. Ich gucke nach vorne. Und dass es letztlich doch zur Übernahme von Wingas gekommen ist, war ein ganz klares Bekenntnis von Gazprom für den europäischen Markt.
Weil Gazprom Europa mehr braucht als umgekehrt? Weil beide sich gegenseitig brauchen. Europa braucht Gazprom – auch in Zeiten des Gas-Überflusses. Für Europa ist es ganz wichtig, den weltgrößten Gasproduzenten an sich zu binden, weil Gazprom mit seiner Pipelineinfrastruktur so gut an Europa angebunden ist wie kein anderer Gasproduzent. Umgekehrt braucht Gazprom und Russland natürlich auch den europäischen Markt, das ist überhaupt keine Frage. Das ist und bleibt der wichtigste Absatzmarkt und den will Wingas mit Gazprom auch weiter entwickeln.