ACC-CEO Yann Vincent im Interview: „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“
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Yann Vincent im InterviewACC-CEO über Batteriezellen-Produktion in Europa: „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“
Der Chef des europäischen Zell-Konglomerats hat sich große Ziele gesetzt. Mit Unterstützung von Daimler sollen die Produktionskapazitäten verdreifacht werden.
Der Ex-PSA-Manager beschreibt sich selbst mehr als Auto- und nicht als „Batterietyp“.
(Foto: Sophie Stalnikiewicz)
Lyon Vor einem Jahr ist Yann Vincent angetreten, um den ersten europäischen Batteriechampion zu erschaffen. „Die asiatischen Batterieproduzenten stehen in Europa vor denselben Herausforderungen wie wir. Deswegen sind wir auch nicht im Rückstand“, sagt Vincent in einem Interview mit dem Handelsblatt am Rande der Fachtagung Batteries Event im französischen Lyon.
Das multinationale Gemeinschaftsunternehmen Automotive Cell Company (ACC) ist ein Projekt gleich mehrerer milliardenschwerer Konzerne: Dem Opel-Mutterunternehmen Stellantis und dem französischen Öl- und Gaskonzern Total gehören je ein Drittel der Anteile. Ende September stieg dann auch der Stuttgarter Autobauer Daimler bei ACC ein und sicherte sich für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag das letzte Drittel. Mit eigenen Zellen für E-Autobatterien soll Europa unabhängiger von der Übermacht asiatischer Konkurrenz werden. „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“, mahnt Vincent.
Dass das ein geradezu unmögliches Unterfangen werden könnte, lässt sich ACC-Chef Vincent nicht anmerken. Ganz im Gegenteil: Der 64-Jährige strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. Er ist überzeugt, dass das von der Europäischen Union geförderte Projekt zum Erfolg wird. „Aber ich habe nicht behauptet, dass es einfach ist“, sagt er.
Erst mal braucht ACC Kapital: Insgesamt sieben Milliarden Euro von privaten und öffentlichen Geldgebern muss das Unternehmen in den nächsten Jahren einsammeln, um seine Pläne zu realisieren. Bis 2030 will ACC in Europa eine Produktionskapazität von 120 Gigawattstunden aufbauen. Auch den Bau weiterer Batteriefabriken, zusätzlich zu den zwei bereits geplanten in Deutschland und Frankreich, schließt Vincent nicht aus.
Dabei beschreibt sich der Ex-PSA-Manager selbst mehr als Auto- und nicht als „Batterietyp“. Insgesamt zwölf Jahre verbrachte der studierte Ingenieur in verschiedenen Positionen bei Renault, fünf Jahre bei Alstom und sechs Jahre bei PSA. Die Welt der Batterieproduktion ist für ihn ein komplett neues Feld. Dafür weiß er ganz genau, was die europäischen Autokonzerne umtreibt.
„Alle europäischen Autohersteller suchen nach einem europäischen Zulieferer, weil sie wissen, dass sie sich nicht nur auf asiatische Hersteller verlassen sollten“. Noch seien fast alle Batterien von asiatischen Unternehmen produziert, „das darf nicht so bleiben“. Deswegen sei es die Aufgabe von ACC, zur Reindustrialisierung Europas beizutragen.
Lesen Sie hier das gesamte Interview:
Herr Vincent, ACC hat noch nicht mal die erste Zelle produziert, da kündigen Sie schon an, nicht nur auf dem europäischen Markt mitmischen zu wollen, sondern auch international ein „Big Player“ zu werden. Ist das nicht ein bisschen viel des Guten? Unsere Top-Priorität ist jetzt erst mal ganz klar Europa. Aber natürlich beobachten wir, dass auch der US-amerikanische Markt stark wächst. Deswegen wird auch das ein Schritt sein, den wir in Zukunft angehen werden. Aber nicht heute. Heute werden wir erst mal ein europäischer Champion, der mit der Konkurrenz aus Asien mithalten kann.
Vita von Yann Vincent
Die Automotive Cell Company (ACC) ist ein multinationales Gemeinschaftsunternehmen und ein Projekt gleich gleich mehrerer milliardenschwerer Konzerne. Dem Opel-Mutterunternehmen Stellantis und dem französischen Öl- und Gaskonzern Total gehören je ein Drittel der Anteile. Ende September stieg dann auch der Stuttgarter Autobauer Daimler bei ACC ein und sicherte sich für einen mittleren dreistelligen Millionenbetrag das letzte Drittel.
Yann Vincent ist 64 Jahre alt und seit September 2020 CEO der Automotive Cells Company ACC. Zuvor verbrachte der studierte Ingenieur insgesamt zwölf Jahre in verschiedenen Positionen bei Renault, sowie fünf Jahre bei Alstom und sechs Jahre bei PSA.
Und wie genau wollen Sie das schaffen? Wir haben die Technologie, die Strategie, und wir haben die Stärken unserer Anteilseigner. Die Total-Tochter Saft hat schon jahrelange Erfahrung im Bereich Batterieproduktion, das ist Wissen, von dem wir sehr profitieren. Wir verlassen uns natürlich auch auf die Kompetenzen von Stellantis, zum Beispiel beim Thema Massenproduktion. Und natürlich bringt auch Daimler noch mal einiges mit. Und genau so können wir die Aufholjagd vielleicht gewinnen.
Was ist für Sie die größte Herausforderung? Der Preis. Heute kostet ein Elektroauto für den Endkunden immer noch 10.000 bis 15.000 Euro mehr als ein vergleichbares Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Das funktioniert so nicht. Und das ist die größte Herausforderung für die Autohersteller. Aber auch für uns. Die Batterie macht immerhin 40 Prozent der Gesamtkosten eines Elektroautos aus.
Werden Zellen von ACC denn preislich mit denen der Konkurrenz mithalten können? Ja, definitiv. Unsere Zellen werden nicht teurer sein.
Sie wollen sich auf die etablierte Variante der Lithium-Ionen-Batterie konzentrieren. Das Steckenpferd der Marktführer CATL, BYD, LG und Co. Können Sie die wirklich noch einholen? Lithium-Ionen-Batterien zu produzieren ist nicht der Punkt. Es braucht die richtige Zellchemie, einen hochoptimierten Prozess und das richtige Ökosystem. Wir glauben, dass wir mit all den europäischen Laboren, Hochschulen und Maschinenbauern einen klaren Heimvorteil haben.
Aber die asiatischen Zellhersteller haben ja auch schon Fabriken in Europa gebaut und planen noch viele mehr. Sie haben also dieselben Kontakte wie Sie. Wenn Sie jetzt wollen, dass ich Ihnen sage, dass es ein einfacher Kampf wird, dann ist die Antwort ganz klar: Das wird es nicht. Es gibt aktuell zwei südkoreanische Zellhersteller in Polen und Ungarn. Und ein paar chinesische Investitionen in Deutschland, das stimmt. Aber es wird nicht so einfach für sie, ihre Produkte in Europa herzustellen, wie es das in Südkorea oder China ist. Sie stehen vor denselben Herausforderungen wie wir, und deswegen sind wir auch nicht im Rückstand.
Sie haben aber auch keinen Vorsprung. Die Technologien im Batteriebereich entwickeln sich wahnsinnig schnell. Und wir werden die neueste Technologie auf den Markt bringen – ein State-of-the-Art-Produkt. Und deswegen ist es nicht unmöglich, diesen Kampf zu gewinnen.
Wenn Sie das Neueste vom Neuen auf den Markt bringen wollen, warum gehen Sie dann nicht direkt mit der Feststoffbatterie ins Rennen? Sie gilt technologisch ja als nächste große Entwicklung in der Batterieproduktion. Zum einen ist der Produktionsprozess bei Feststoffbatterien nicht viel anders als der für Lithium-Ionen-Batterien. Und diese Prozesse erst mal anzustoßen ist schon eine Lernkurve an sich. Zum anderen wissen wir noch gar nicht, wann die Feststoffbatterie auf den Markt kommt …
… Aber ACC hat doch für 2027 selbst eine Feststoffbatterie angekündigt. Ja, das ist unser Plan. Aber das ist erst in sechs Jahren. Können wir uns sechs Jahre Zeit lassen, um in die Batterieindustrie einzusteigen? Das glaube ich nicht. Es geht um die Selbstständigkeit Europas. Wenn wir uns auf die chinesischen Hersteller verlassen, ist die europäische Industrie tot.
Ist das nicht ein bisschen zu absolut? Was glauben Sie, warum Weltkonzerne sich mit einem gerade mal ein Jahr alten Unternehmen wie uns zusammentun? Weil sie verstanden haben, dass sie nicht in der Abhängigkeit chinesischer Hersteller bleiben können. Das ist für sie ein sehr hohes Risiko, für ihre Wettbewerbsfähigkeit und damit für ihre Zukunft.
Abnehmer hätten Sie zumindest genug – Europa soll nach China ja zum zweitgrößten E-Automarkt der Welt werden. Der Markt wächst jetzt schon deutlich schneller als gedacht. Bleibt es trotzdem bei den geplanten zwei Gigafabriken, oder stockt ACC jetzt seine Pläne auf? Ende 2023 starten wir mit der Produktion in unserer Fabrik in Douvrin im Norden Frankreichs und ein Jahr später in Kaiserslautern. Bis 2030 wollten wir so eigentlich eine Kapazität von 38 Gigawattstunden aufbauen. Mit Daimler an Bord peilen wir jetzt eine Kapazität von 120 Gigawattstunden an.
Also bauen Sie mehr als die zwei geplanten Fabriken? Wahrscheinlich bauen wir die Kapazitäten der bereits geplanten Fabriken aus. Es kann aber auch sein, dass ein oder zwei Fabriken mehr dazukommen, ja. Aber das ist noch nicht entschieden. Die würden aber dann in Europa entstehen? Ja.
Da würde sich ein Standort von Daimler doch anbieten, oder? Ein Autohersteller hat ein Problem: In Zukunft wird es durch den Umschwung auf die E-Mobilität in seinen Werken deutlich weniger Aktivität geben. Eine Batterieproduktion an demselben Standort wäre also die Lösung für so ein Problem.
Das hört sich nach einem Ja an … Alles ist offen.
Egal, ob zwei oder vier Fabriken: Sie werden mehr Fachkräfte brauchen. Aktuell hat ACC 300 Mitarbeiter. Wie sieht Ihr Plan für die nächsten Jahre aus? Wir wollen 100 Mitarbeiter noch dieses Jahr einstellen, und Ende 2022 wollen wir dann auf 600 bis 700 Stellen kommen.
ACC will ein europäischer Champion werden. Werden Sie auch Ihre Rohstoffe größtenteils aus Europa beziehen? Das bevorzugen wir auf jeden Fall, wenn gleichzeitig der Preis stimmt. Aber da sind wir noch in Gesprächen, es sind noch keine Verträge unterschrieben. Spielt Recycling dabei für Sie in Zukunft auch eine Rolle? Oh ja, eine sehr große sogar. Recycling wird die neue „Mine“. Wir könnten mehr als 95 Prozent unserer Schlüsselrohstoffe aus unseren eigenen Zellen recyceln. Im Moment spielt das noch keine große Rolle. Aber wenn die aktuellen Batterien in 15 Jahren am Ende ihres Lebenszyklus sind, reden wir von sehr großen Mengen.
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2 Kommentare zu "Yann Vincent im Interview: ACC-CEO über Batteriezellen-Produktion in Europa: „Wenn wir das nicht schaffen, ist die europäische Autoindustrie tot“"
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Herr_EN Wolfgang Wagner
Ich prophezeihe: Da werden gigamäßig Fördergelder verbrannt. Am Ende geht's aus wie beim 1-Megabyte-Chips vor 35 Jahren.
Herr Josef Müller
Leichtere Autos -> kleinere Akkus -> weniger Abhängigkeit, weniger Rohstoffverbrauch. Wenn dann noch durch ein allgemeines Tempolimit die Reichweite von E-Autos erhöht wird...
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Ich prophezeihe: Da werden gigamäßig Fördergelder verbrannt. Am Ende geht's aus wie beim 1-Megabyte-Chips vor 35 Jahren.
Leichtere Autos -> kleinere Akkus -> weniger Abhängigkeit, weniger Rohstoffverbrauch.
Wenn dann noch durch ein allgemeines Tempolimit die Reichweite von E-Autos erhöht wird...