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Amazon Angriff auf die Post

Der US-Konzern Amazon drängt ins Paketgeschäft. In München hat die Deutsche Post fast ein Drittel des Marktanteils verloren. Der Bonner Konzern reagiert mit Investitionen und bringt seine Tochter DHL in Stellung.
08.03.2016 Update: 09.03.2016 - 17:08 Uhr

Post-Chef Appel: „Das war das beste Quartal, das wir je hatten“

Frankfurt/Luxemburg/Düsseldorf Frank Appel ist verhalten optimistisch. „Das ist eine Herausforderung und weckt zugleich unseren sportlichen Ehrgeiz“, kommentierte der Chef der Deutschen Post kürzlich den Vorstoß seines Großkunden Amazon, Pakete selbst zuzustellen. Er wisse sehr genau, sagte er dem Handelsblatt, wie anspruchsvoll dieses Geschäft sei.

Amazon schreckt vor dieser Herausforderung jedenfalls nicht zurück. In München hat der US-Versandhändler ein erstes Pilotprojekt zum Angriff auf die Deutsche Post gestartet – offenbar mit Erfolg. „Die Mengen, die DHL an unsere Poststellen liefert, sind um 25 bis 30 Prozent eingebrochen“, berichtet Ekkehard Hahn. Der Unternehmer aus Frankfurt ist Chef der Dienstleistungsfirma Mail Professionals, die bundesweit Poststellen für Firmenkunden betreibt. Der DHL-Rückgang, sagt er, gehe allein auf das Konto des „Amazon-Lieferdienstes“. Mit dem neuen Anbieter stellt das Internetkaufhaus Bestellungen nun selbst zu. Die Deutsche Post kommentiert die Zahlen nicht.

Der Wettkampf um den Paketdienst in Deutschland könnte noch härter werden. Bisher sind es erst 240 Lieferwagen von sechs Subunternehmen, die der US-Konzern in München im Einsatz hat. Dabei wird es kaum bleiben. „Wir wissen, dass wir Logistik sehr gut können“, sagte Amazons Europa-Logistikchef Roy Perticucci im Interview mit dem Handelsblatt. Angesprochen auf Amazons Versandgeschäft für Dritte, das sogenannte „Fulfillment“-Geschäft, fügte er hinzu: „Warum sollten wir daraus also nicht ein Infrastruktur-Angebot machen, das andere nutzen können?“

Entscheidet Amazon-Chef Jeff Bezos, das Pilotprojekt in ganz Deutschland auszurollen, droht dem Großkunden Deutsche Post im boomenden Paketgeschäft ein herber Rückschlag. Der Marktanteil von fast 50 Prozent wäre kaum zu halten. Denn heute versendet das US-Onlinekaufhaus von den 1,15 Milliarden Paketen, die Deutschlands Haushalte jährlich erreichen, nahezu jedes siebte vorzugsweise mit der Post. Appel dürfte das Beispiel Großbritannien Warnung genug sein. Auf der Insel hatte ein ähnlicher Angriff Amazons 2014 zur Folge, dass der angestammte Pakettransporteur Royal Mail seine Wachstumsprognose halbieren musste.

Aufsichtsrat und Vorstand beobachten die Pläne des neuen Konkurrenten genau, berichten Insider. Die Führungsgremien der Deutschen Post wollen die weitere Entwicklung „intensiv beobachten“, konkrete Maßnahmen seien in der nächsten Zeit nicht geplant. Noch verlasse man sich auf die eigene Stärke, heißt es im Konzern. Doch es wäre gefährlich, Amazon zu unterschätzen.

Nein, sagt eine Sprecherin der Deutschen Post, dass Amazon mancherorts in München bis zu 30 Prozent der DHL-Lieferungen übernommen habe, wolle der Vorstand nicht kommentieren. Ein hochwertiges, flächendeckendes Verteilnetz zu entwickeln brauche Zeit, versucht sie, Sorgen zu zerstreuen.

Dennoch herrscht im Bonner Konzern hektische Betriebsamkeit. Als „beste Erfindung seit der Briefmarke“ verkauft der fürs Paketgeschäft verantwortliche Vorstand Jürgen Gerdes derzeit seine Paketkästen, die er am liebsten vor jedes Heim in Deutschland montieren lassen würde. Das Schöne an ihnen: Weil sie allein von DHL-Zustellern befüllt werden können, wäre Amazons Lieferdienst außen vor.

Ob der Plan aufgeht, ist ungewiss. Bislang schätzt der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste (BdKEP) deren Verkauf auf gerade einmal „ein paar Tausend“ – bei bundesweit 40 Millionen Haushalten. „Die Paketboxen werden nicht über den Markt entscheiden“, glaubt Verbandsgeschäftsführer Andreas Schumann. Maßgebend sei vielmehr, wer Zugriff besitze auf die Logistikdaten von Versendern und Empfängern.

Der erhöhte Wettbewerbsdruck lässt Post-Vorstand Gerdes zudem in Packstationen investieren – Automaten, die rund um die Uhr den Paketempfang ermöglichen – und zwar exklusiv für DHL-Kunden. Allein in Berlin soll sich die Zahl der Stationen bis Ende 2016 mehr als doppeln – auf dann 500. Auch für Mehrfamilienhäuser testet die Post seit wenigen Monaten solche Automaten. Pilotprojekte starteten in Berlin und Dortmund.

Gerüchte, nach denen Amazon der Deutschen Post auch hier Konkurrenz machen will, reißen nicht ab. Zuletzt berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, der Marktplatzbetreiber plane, europaweit vollautomatische Paketautomaten – ähnlich den Packstationen der Deutschen Post – aufzustellen. Deutschland und Frankreich seien als erste Länder im Gespräch. Von Amazon selbst heißt es dazu nur, so eine Ankündigung habe man für Deutschland nicht veröffentlicht.

Dem Internetriesen, der vergangenes Jahr 11,9 Milliarden Dollar Cash aus dem operativen Geschäft zog, fällt es leicht, bei den Investitionen mitzuziehen. So wird es beim eigenen Paketzustelldienst nicht bei München bleiben, wie Bernd Schwenger, Geschäftsführer von Amazon Deutschland Transport, der „Deutschen Verkehrs-Zeitung“ anvertraute. „Zunächst werden wir andere Metropolen angehen und in Stadtnähe Verteilzentren aufbauen“, sagte er.

Selbst in Sachen Geschwindigkeit setzt Amazon offenbar an, die Deutsche Post zu überholen. Nach Beobachtungen des Logistikberaters Horst Manner-Romberg verhandeln die Amerikaner mit Kurierdiensten in Berlin und Hamburg. Sie sollen die Waren binnen anderthalb Stunden zum Kunden bringen. Eine Bestätigung gibt es bei Amazon bislang nicht.

Der Service wäre für das Internetkaufhaus keineswegs neu. Seit 2015 bietet es in Manhattan mit seinem sogenannten „Prime-Now“-Service die Auslieferung innerhalb von nur einer Stunde – für 7,99 Dollar extra. Eine Lieferung binnen zwei Stunden ist für „Prime“-Kunden, denen Amazon eine jährliche Pauschalgebühr berechnet, kostenfrei.

Was Paketdienste wie DHL beunruhigen dürfte: Auch für Einzelhändler, die gar nicht auf der Amazon-Verkaufsplattform vertreten sind, übernimmt Amazon die eilige Zustellung. Den Service hat Amazon-Chef Jeff Bezos längst auf US-Metropolen wie Miami, Baltimore oder Chicago ausgeweitet. Selbst London, wo Amazon in zentraler Lage ein Verteilzentrum in Supermarktgröße vorhält, gibt es ihn seit Juni 2015. Zuletzt ging in Mailand ein solcher Blitz-Zustelldienst an den Start.

Einen Vorgeschmack auf die schnelle neue Lieferwelt bekommt man bereits in 14 deutschen Großstädten, darunter Berlin, Hamburg, München oder Köln. Dort offeriert Amazon seit dem Start des jüngsten Weihnachtsgeschäfts sogenanntes „Sameday-Delivery“. Wer am Morgen bestellt, so lautet das Versprechen, soll das gewünschte Produkt noch am selben Tag erhalten – zwischen 18 und 21 Uhr.

Die schätzungsweise fünf Millionen deutschen Prime-Mitglieder können aus einer Million Produkten wählen. Sobald die Bestellungen 20 Euro übersteigt, ist die Eilzustellung gratis. „Ein Teil der Transportkosten ist bei den Onlineangeboten eingepreist“, glaubt Berater Manner-Romberg. Oft entsprächen die Zustellkosten dem Abstand zum Preisführer im Internet.

Diesen Aufwand muss Amazon bislang noch an Fremde abführen. Denn unterstützt werden die Amerikaner von „Lieferpartnern“, wie es in der Münchener Deutschland-Zentrale heißt. Zu ihnen zählt die Hamburger Otto-Tochter Hermes und eine Tochter der Deutschen Post.

Eigene Zustellnetze unterhält Amazon ausschließlich in Großbritannien, Indien und China, wie ein am Wochenende veröffentlichtes Gutachten der Bundesnetzagentur ermittelte. Allerdings habe Amazon in der Vergangenheit bewiesen, schreiben die Experten, „dass es erfolgreiche Konzepte aus dem Heimatmarkt auch in andere Länder exportiert“.

Käme es in Deutschland dazu, träfe dies wohl auch die Aktionäre der Deutschen Post – wie 2014 die Anteilseigner der Royal Mail. Sie hatte Amazon mit eigenen Logistikdrehscheiben attackiert, was bei der britischen Post für eine Gewinnwarnung samt Kurssturz reichte. 45 Kurierdienste hat Amazon heute unter Vertrag, die an manchen Tagen die Hälfte der Amazon-Sendungen zustellen. Frische Lebensmittel gehören seit neuestem dazu.

Auch seine globalen Lieferprozesse könnte der US-Konzern ausbauen, glaubt man einer Meldung der Nachrichtenagentur Bloomberg. Unter dem Projektnamen „Dragon Boat“ gebe es den Plan, im Auftrag der eigenen Marktplatzkunden Waren beim Produzenten abzuholen. Bislang übernehmen das Speditionen, deren Marktführer weltweit die Deutsche Post ist. Ihrer 15 Milliarden Euro Umsatz schweren Sparte käme ein weiterer Vorstoß Amazons höchst ungelegen. Weil dort vor anderthalb Jahren die Einführung eines einheitlichen IT-Systems scheiterte, befindet sich die Frachtsparte DHL tief in der Sanierung.

So sucht die Post nach anderen Möglichkeiten, ihre Aktionäre bei Laune zu halten. Eine Milliarde Euro, verkündete der Konzern gestern, sollen in ein Aktien-Rückkaufprogramm gesteckt werden. Den Kurs trieb das zeitweise um mehr als sechs Prozent nach oben.

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