Antrag auf Lohnkostenerstattung Politiker kritisieren Tönnies: „Dreist und unanständig“

Clemens Tönnies sieht sich harter Kritik ausgesetzt.
Düsseldorf Großschlachter Clemens Tönnies hat erneut einen Sturm der öffentlichen Entrüstung entfacht. Sein Schlachtbetrieb und Subunternehmen wollen vom Land Nordrhein-Westfalen – also letztlich vom Steuerzahler – Lohnkosten für Tausende Mitarbeiter erstattet bekommen. Der Grund: Das Gesundheitsamt hatte die Belegschaft des Tönnies-Werks in Rheda Mitte Juni in Corona-Quarantäne geschickt. Rund 1400 von 7000 Beschäftigten waren infiziert.
Politiker aller Couleur zeigten sich über Tönnies‘ Verhalten empört. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kritisierte die Signalwirkung dieser Forderung: „Ich habe dafür wenig Verständnis“, sagte sie der „Bild am Sonntag“. Durch die Vorfälle sei eine ganze Region in Mitleidenschaft gezogen worden. „Der Ärger der Bürger darüber wird durch das jetzige Vorgehen sicherlich nicht kleiner werden.“ Die Wut auf den 64-jährigen Schlachtboss ist groß. Kreis und Land wollen sich ihre Kosten von der Firma erstatten lassen.
Nun zeigt Tönnies erneut wenig Fingerspitzengefühl. Rein rechtlich könnte dem Unternehmen mit zuletzt 7,3 Milliarden Euro Rekordumsatz laut Infektionsschutzgesetz eine Erstattung zustehen. Moralisch aber macht sich der Unternehmer angreifbar. Hatte er doch angekündigt, zu seiner Verantwortung in der Krise zu stehen. Ganz abgesehen davon, dass Lohnkosten bis zu einem Jahr rückwirkend erstattet werden. Taktisch hätte Tönnies also mit dem Antrag noch warten können – auch wenn die Firma durch die Werksschließung hohe Einnahmeeinbußen hat.
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter findet es dreist, wie Tönnies jetzt abkassieren wolle. „Wer auf ein System der Ausbeutung setzt, die Gesundheit von Menschen riskiert und selbst in der Mitverantwortung für angeordnete Quarantänemaßnahmen steht, sollte sich mit dem Ausreizen von möglichen Erstattungsansprüchen besser zurückhalten.“
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NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) hält einen gesetzlichen Anspruch der Firma Tönnies für möglich, sagte er der „BamS“. Er würde sich anstelle von Herrn Tönnies aber sehr genau überlegen, was man den Bürgern noch alles zumuten wolle. FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg findet es „unanständig“, sich auf Kosten der Steuerzahler schadlos halten zu wollen, wo die Firma schon eine ganze Region in Geiselhaft genommen habe.
Weil offen ist, wann der Schlachthof seinen Betrieb wieder aufnehmen kann, denkt das Unternehmen zudem laut über Kurzarbeit nach. Tönnies hat seinen Mitarbeitern samt Werkverträglern zugesichert, „im Fall von Kurzarbeit die Entlohnung auf 100 Prozent aufzustocken“. Diese Geste dürfte die Sympathiewerte für Clemens Tönnies kaum steigern – selbst wenn dem Unternehmen auch diese staatlichen Leistungen zustehen sollten.
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Das ist an Scheinheiligkeit von seiten der Öffentlichkeit und Politik nicht mehr zu überbieten. Erst so tun als wüsste man von den Vorgängen nichts und anschliessend noch kritiesieren wenn das Unternehmen die Gesetze und Möglichkeiten ausnutzt. Ist wie bei der Steueroptimierung, ganz legal und vom Staat gewollt nur wenns dann rauskommt sind alle entsetzt.