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Ausstellungen Delta-Variante gefährdet Comeback der Messen: Veranstalter streichen Herbstprogramm zusammen

Das Messejahr 2021 droht noch katastrophaler zu werden als das Vorjahr. Bereits 70 Prozent der Veranstaltungen in Deutschland sind abgesagt.
10.08.2021 - 12:33 Uhr Kommentieren
Die weltgrößte Gaming-Messe Gamescom wird auch in diesem Jahr nur digital stattfinden. Quelle: imago images/Benjamin Horn
Gamescom in Köln

Die weltgrößte Gaming-Messe Gamescom wird auch in diesem Jahr nur digital stattfinden.

(Foto: imago images/Benjamin Horn)

Düsseldorf Im September wird Gerald Böse wohl endlich seinen Vollbart los. Den lässt sich der Chef der Koelnmesse seit Juli 2020 wachsen. Der Corona-Bart kommt erst ab, wenn auf dem Kölner Gelände wieder eine Eigenveranstaltung stattfindet, hatte Böse angekündigt. Am 9. September nun soll die Kind + Jugend in den Kölner Messehallen starten, die weltweit führende Messe für Baby- und Kleinkindausstattung.

Die Spielemesse Gamescom und die Digitalmesse Dmexco hingegen finden auch dieses Jahr coronabedingt rein digital statt. Den Veranstaltern erschien eine Präsenzmesse in der Pandemie wirtschaftlich zu unsicher. Anfang Oktober steht die Anuga in Köln an – vor Ort und virtuell.

Zuletzt kamen fast 8000 Aussteller und 170.000 Besucher – überwiegend aus dem Ausland – zur Weltleitmesse der Nahrungsmittelbranche. Diesmal sind bisher mehr als 4000 Unternehmen aus über 90 Ländern angemeldet. „Wir merken deutlich: Unsere Kunden wollen zurück in die Messehallen“, beobachtet Messechef Böse.

Die stillgelegte Messebranche sehnt den Neustart herbei. Die Herbstmessen sind traditionell wichtige Umsatzbringer. „Hauptsache, es geht endlich wieder los“, hört man überall in der Branche, deren Mitarbeiter zu großen Teilen seit fast anderthalb Jahren in Kurzarbeit sind. Virtuelle Ersatzmessen, die in der Not aus dem Boden gestampft wurden, generierten meist mehr Kosten als Einnahmen.

„Natürlich kommt der Messebetrieb nach einem Stillstand von acht Monaten erst wieder schrittweise in Gang. Dieser wird auch durch noch bestehende Reiserestriktionen erschwert, gerade bei Messen mit hoher Internationalität“, konstatiert Jörn Holtmeier, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Messewirtschaft Auma. Zwar sind Aussteller und Fachbesucher aus einem Hochrisikoland von der Quarantänepflicht ausgenommen, wenn sie für bis zu fünf Tage einreisen und negativ getestet sind.

42 Milliarden Euro Schaden für die Volkswirtschaft

Die weltweite Ausbreitung der hochansteckenden Delta-Variante des Coronavirus hat jedoch die Bereitschaft zur Teilnahme an Großmessen hierzulande deutlich gedämpft. Obwohl nur Geimpfte, Genesene oder Getestete Messen betreten dürfen, bleiben ausstellende Firmen und Besucher zögerlich. Zudem haben einige Branchen schwere wirtschaftliche Rückschläge durch die Pandemie in Kauf nehmen müssen. „Da werden natürlich Marketingausgaben ganz generell hinterfragt“, so Holtmeier.

Inzwischen sind zehn Messen von internationaler oder nationaler Bedeutung aus dem diesjährigen Herbstprogramm wieder gestrichen. Dazu zählt die Agritechnica in Hannover, die Aluminium in Düsseldorf, die Drinktec in München, die Schweißen & Schneiden in Essen und die Fitnessmesse Fibo in Köln.

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„Den Erwartungen, die unsere Aussteller, Besucher, Partner und wir an eine Weltleitmesse stellen, kann die Veranstaltung unter diesen Voraussetzungen im Herbst nicht gerecht werden“, begründete Benedikt Binder-Krieglstein, Österreich- und Deutschlandchef von Veranstalter Reed Exhibitions, die Verlegung der Fibo in den nächsten April. 2019 kamen rund 145.000 Gäste zur Fitnessmesse.

Das Messejahr 2021 droht noch katastrophaler zu werden als das Vorjahr. 2020 konnten immerhin bis Februar und im Sommer Messen stattfinden. Der Umsatz erreichte 30 Prozent vom Vorjahr. In diesem Jahr sind bereits 70 Prozent aller für 2021 geplanten internationalen und nationalen physischen Messen in Deutschland abgesagt, ermittelte der Auma. Weitere zehn Prozent sind innerhalb 2021 verschoben. Bei den regionalen Messen gab es 58 Prozent Absagen, ebenfalls zehn Prozent wurden innerhalb des Jahres verschoben.

Das hat gravierende Folgen für die Branche, die vor Corona einen Rekordumsatz von rund vier Milliarden Euro erwirtschaftete. Die Krise hat Veranstalter an ihre finanziellen Grenzen gebracht. Viele der großen Messegesellschaften haben dreistellige Millionenverluste erlitten, die ihre öffentlichen Träger wie Land und Kommune ausgleichen mussten. „Den privaten Veranstaltern stehen lediglich Mittel aus der Überbrückungshilfe III zu“, moniert der Fachverband Messen und Ausstellungen, Fama.

Doch nicht nur die Messebranche leidet: Das gesamte Ökosystem Messe hat seit März 2020 einen volkswirtschaftlichen Schaden von 42 Milliarden Euro erlitten, davon in diesem Jahr bereits 20,6 Milliarden Euro. 231.000 Arbeitsplätze hängen laut Ifo-Institut hierzulande direkt und indirekt an der Messewirtschaft. Messebauer, Hoteliers, Gastronomen, das lokale Handwerk und viele andere seien durch Messeabsagen schwer getroffen, so Holtmeier.

Die Agritechnica in Hannover ist für dieses Jahr abgesagt. Quelle: dpa
Messe Agritechnica in Hannover

Die Agritechnica in Hannover ist für dieses Jahr abgesagt.

(Foto: dpa)

„Messen sind das beste Konjunkturprogramm und werden dringend benötigt“, betont auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger. Messeteilnehmern fehlen die Branchenschauen als Schaufenster für ihre Neuheiten. Doch in unsicheren Zeiten scheuen viele die Kosten. Der Staat unterstützt deshalb kleine und mittlere Firmen als Aussteller auf deutschen internationalen Messen. Standmiete und -bau werden mit bis zu 12.500 Euro bezuschusst. Das Programm läuft von Oktober bis Ende 2022.

„Gerade kleine und mittelständische Unternehmen sind dringend auf Impulse durch Messen angewiesen – durch die Präsentation von Innovationen, durch persönliche vertrauensbildende Kommunikation und die große Chance, so neue Kunden zu gewinnen“, betont Holtmeier.

Präsenzmessen bevorzugt

Das funktioniert auf virtuellen Messen nur bedingt. 79 Prozent der Messeteilnehmer bewerten Kontakte auf einer Digitalmesse als unpersönlich und weniger verbindlich. 54 Prozent fehlt das sensorische Erlebnis und die typische Messeatmosphäre. Das ergab eine Umfrage der Business Target Group unter Fachbesuchern und Ausstellern.

Die größte deutsche Messegesellschaft, die Messe Frankfurt, befragte jüngst 59.000 ihrer Firmenkunden. Das klare Fazit: Nur drei Prozent sprechen sich für ausschließlich digitale Formate aus. 67 Prozent wünschen sich reine Präsenzveranstaltungen. Hinzu kommen rund 30 Prozent, die ein hybrides Format bevorzugen. „Dies ist ein klares Bekenntnis für On-Site-Veranstaltungen“, resümiert Messechef Wolfgang Marzin. „Physische Branchentreffen mit neuen digitalen Reichweiten verbinden – das sind riesige Potenziale für die Messen der Zukunft“, meint Böse von der Koelnmesse.

Während der Messeplatz Deutschland seit Juni aus der Zwangspause erwacht, sind anderswo auf der Welt Messen längst wieder Normalität. „Viele große und mittlere Messegesellschaften konnten seit Sommer 2020 gute Umsätze mit Auslandsmessen erzielen, vor allem in China und auch in anderen Regionen“, berichtet Holtmeier vom Auma.

Die Folge: „Die Bedeutung des Messeplatzes Deutschland sinkt weiter. Die Covidkrise hat diese Entwicklung lediglich beschleunigt“, meint Branchenexperte Jochen Witt. „Ein großer Teil der Gesellschaften wird auch in den nächsten Jahren nur mithilfe des Steuerzahlers überleben können“, fürchtet er.

Für Witt ist es daher höchste Zeit, über eine Trennung von Besitz von Gelände und Betrieb von Messen nachzudenken – ebenso wie über eine Konsolidierung oder über Partnerschaften in der deutschen Messewirtschaft.

Mehr: Holpriger Neustart für die Veranstaltungswirtschaft

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