Authentic Brands Der Markensammler – so tickt Reebok-Käufer Jamie Salter

Der Reebok-Käufer hat ein Imperium mit zahlreichen bekannten Marken aufgebaut.
New York, München Seine größte Leidenschaft spricht Jamie Salter gleich offen an. „Ich besitze Marilyn Monroe“, sagt der Kanadier. „Verstehen Sie? Ich besitze Marilyn Monroe. Und Elvis. Und Mohammed Ali. So ist das. Die besitze ich.“
Salter wird diese Sätze in den folgenden zwei Stunden wiederholen. Der Chef der Authentic-Brands-Gruppe sitzt in einem seiner Besprechungsräume am Broadway, hoch oben über dem Times Square in New York City. Um ihn herum lauscht ein Stab von Mitarbeitern jedem Wort.
Hinter den Glasscheiben vibriert die ganze Etage vor Energie. Junge, meist sehr sportlich aussehende Menschen saugen aus ihren Starbucks-Bechern und stürzen von einem Brainstorming ins andere. Am Empfang hängt ein großes Schwarz-Weiß-Foto von Marilyn Monroe. Auf einem Bildschirm gegenüber gibt Elvis Presley Autogramme. An einer Wand hängen Boxhandschuhe von Mohammed Ali, daneben Socken von Michael Jackson aus dem Musikvideo „Thriller“.
Die verstorbenen Weltstars haben eines gemeinsam: Ihr Erbe wird von Authentic Brands vermarktet, gegründet vor elf Jahren von Jamie Salter. 20 Millionen Dollar brachte er selbst mit, so heißt es in der Firmenlegende, 250 Millionen Dollar holte er sich von Investoren wie George Soros, der Walmart-Familie Walton und seinem engsten Partner, dem Private-Equity-Investor Leonard Green. Sechs Jahre später war Authentic Brands mit 1,5 Milliarden Dollar bewertet, drei weitere Jahre später beteiligte sich der weltgrößte Vermögensverwalter Blackrock mit 875 Millionen Dollar an Salters Firma – für 30 Prozent der Anteile.
Salter kann vor Selbstbewusstsein kaum still sitzen. Beteiligte berichten von Meetings, bei denen mögliche Geschäftspartner ihre Ideen nur anreißen können, bevor Salter ihnen erklärt, wie es besser wäre. Und niemand, der sich länger als fünf Minuten mit Salter unterhält, entgeht dem Satz: Ich besitze Marilyn.
Adidas ist an Reebok verzweifelt
Vielleicht braucht es diesen Mann, dieses Energiebündel, um Reebok wieder Leben einzuhauchen. Am Donnerstag gab der deutsche Sportartikelhersteller Adidas den Verkauf seiner Tochterfirma Reebok für 2,1 Milliarden Euro an Authentic Brands bekannt. Das ist ein Drittel weniger, als Adidas 2006 für Reebok ausgab, und Welten von dem entfernt, was Reebok einmal werden sollte.
Die Deutschen haben aus Reebok nichts gemacht. 1,7 Milliarden Euro setzte Reebok im Vor-Corona-Jahr 2019 um. Das waren gut 200 Millionen weniger als 2006. Die Marke, die einmal heller strahlte als alle anderen in der Sportartikelbranche, ist verblasst.
„Reebok zu übernehmen ist eine im Leben einmalige Chance“, sagte Adidas-Chef Herbert Hainer 2006. Ziel sei der US-Markt. „Wir werden eine Präsenz haben, die bisher nicht da gewesen ist“, versprach Hainer. 2016 übergab er seinem Nachfolger Kasper Rorsted mit Reebok statt Präsenz nur Probleme. Adidas wusste mit der großen zweiten Marke im Konzern, als die sie gepriesen wurde, einfach nichts anzufangen.
Dabei zeigt ein Blick in die Firmenhistorie, dass der ganze Reiz von Reebok seine Marke war. 1979 erwarb der Amerikaner Paul Fireman für 35.000 Dollar die Vertriebsrechte der britischen Firma Reebok in den USA. Fireman musste dazu sein Haus verpfänden, 1980 lag der Umsatz bei 300.000 Dollar, aber Fireman hatte eine Idee aus Kalifornien.
„Ein Freund hatte mir von einem neuen Trend dort berichtet“, erzählte Fireman bei einem Vortrag vor Wirtschaftsstudenten. „Als ich ankam, konnte ich es gar nicht fassen. Tausende von Frauen machten Aerobic-Kurse – und weil es keine geeigneten Schuhe gab, turnten sie die Übungen in ihren Socken!“
Mit Aerobic-Schuhen an die Spitze
Fireman gab in Korea eine Bestellung für das Modell Freestyle in Auftrag – ein superweicher Schuh aus extrem leichtem Leder. 1983 lag Reeboks Umsatz bei 13 Millionen Dollar. Nike, der Platzhirsch, hätte jede Gelegenheit gehabt, den Aerobic-Trend mitzunehmen und Reebok zu zerquetschen. Aber Konzernchef Philip Knight meinte, Aerobic sei kein Sport, ein Schuh dafür unter Nikes Würde. Vier Jahre später schrieb Reebok einen Umsatz von 1,4 Milliarden Dollar und überflügelte Nike als größter Sportschuhhersteller der USA.
Als Paul Fireman Reebok zur Weltmarke machte, verdiente Jamie Salter sein Geld noch mit Windsurfing-Ausrüstung, fuhr als Verkäufer von Tür zu Tür. Danach übernahm er selbst ein Geschäft, 1992 gründete Salter seine eigene Snowboard-Marke. Anschließend war ihm eine Marke nicht mehr genug.
Er gründete Lifestyle Brands, verkaufte die Firma für 85 Millionen Euro und gründete eine neue. Mit Hilco Consumer Capital sammelten Salter und seine Partner Marken, die am Boden lagen, bauten sie wieder auf und gaben sie dann wieder ab. 2010 verließ Salter Hilco und gründete Authentic Brands.
Seitdem lebt er im Kaufrausch. Die Markenrechte von Marilyn Monroe, Elvis Presley und Mohammed Ali waren nur der Auftakt einer endlosen Reihe von Akquisitionen. Unter Salters Führung entwickelten sich Markenumsätze so spektakulär, dass ihm Agenten anderer Weltstars Kooperationen anboten. Authentic Brand ist unter anderem Partner von Shaquille O’Neal, dem legendären Basketball-Star der Los Angeles Lakers. 2019 kaufte Salter für 110 Millionen Dollar die Markenrechte am US-Magazin „Sports Illustrated“, zwei Jahre zuvor die gefallene Pariser Modemarke Hervé Léger.
Eigene Plattform für Reebok geplant
Mode ist neben den Weltstars aus Sport und Musik die dritte große Passion des Jamie Salter. Seine Authentic-Brand-Gruppe bietet Namen wie Eddie Bauer, Juicy Couture, Neutica und rund 30 weiteren Herstellern ein Dach. Den Models, mit denen Salter auf Fotos zu sehen ist, reicht er oft nur bis zur Schulter. Aber wenn es um Marken und deren Träger geht, gibt es für Salter eben nur einen Platz: mittendrin.
Nun besitzt er auch Reebok. „Salter hat ein ziemliches Marken-Sammelsurium angelegt“, sagt ein Branchenkenner. Experten sind sich einig, dass Reebok als Marke noch immer Potenzial habe. Stefan Herzog, Präsident des Verbands Deutscher Sportfachhandel, meint, unter dem neuen Eigentümer habe die US-Marke die Chance, ihre Stärken besser zu entwickeln.
Salter wollte Reebok schon vor zwei Jahren kaufen. „Wir sind begeistert, diese Markenikone endlich unter unser Dach zu holen“, sagte er nach Vertragsabschluss. „Wir sind entschlossen, Reeboks Integrität zu bewahren.“
Die neue Marke soll bei ABG nicht wie bei Adidas ein Stiefkind sein, sondern eine zentrale Rolle spielen. Er werde eine neue Plattform errichten, die er Reebok Design Group nennt, sagte Salzer dem Branchendienst WWD. Darüber könnten dann künftig auch andere Marken gesteuert werden. „Wir werden ein globales Designzentrum aufbauen, das irgendwann andere Marken aufnehmen kann“, erklärte er.
Reebok könnte dann sogar eine Vorreiterrolle innerhalb der Gruppe übernehmen und ein ganz neues Vertriebsmodell entwickeln. Dabei würde das bisherige System mit weiteren Zwischenhändlern umgangen, was zu einer höheren Marge führen könnte, deutete Salter an.
Auch wenn diese Pläne noch vage sind, eins wird rasch deutlich: Trotz seines Sammelsuriums von Marken bekommt Reebok bei Salter mehr Aufmerksamkeit als vorher im Zwei-Marken-Konzern Adidas. Und wenn alles klappt, wird Salter vielleicht irgendwann in Gesprächen auch ganz stolz sagen: „Ich besitze Reebok.“
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