B2B-Marktplätze Amazon kämpft um den Milliardenmarkt mit Firmenkunden

Dem US-Riesen fehlt im Geschäft mit Firmenkunden noch die Tiefe und Breite des Sortiments.
Düsseldorf Privat ist es für viele eine Selbstverständlichkeit: Wer rasch etwas braucht, bestellt es online – vor allem bei Marktführer Amazon. Doch gerade im Beruf, wo Zeit Geld ist, läuft die Bestellung oft kompliziert über schriftliche Anträge mit zweifachem Durchschlag, per Fax beim Lieferanten, oder ein Mitarbeiter fährt persönlich in den Großmarkt und holt Nachschub.
Selbst Amazon tut sich in dem Geschäft schwer. Wie der Konzern jetzt bekanntgab, nutzen weltweit zwar bereits fünf Millionen Unternehmen Amazon Business – vom Einzelunternehmen bis zum Weltkonzern.
Die Plattform hat den aufs Jahr hochgerechneten Umsatz in den vergangenen zwei Jahren auch von zehn auf jetzt 25 Milliarden US-Dollar gesteigert. Gemessen am gesamten Umsatz im E-Commerce der über Amazon gemacht wird von fast 500 Milliarden Dollar ist das Geschäft aber noch mäßig.
Auch in Deutschland gewinnt Amazon zwar immer mehr Reichweite. Schon 25 der 30 Dax-Konzerne und 54 der 60 MDax-Konzerne kaufen über die Plattform ein, 96 der hundert größten deutschen Städte ebenfalls.
Doch gerade bei vielen kleineren Unternehmen registriert selbst Amazon noch „eine gewisse Scheu davor, etwas Neues auszuprobieren“, wie Florian Böhme, Amazon-Business-Chef für Deutschland, Österreich und die Schweiz, im Gespräch mit dem Handelsblatt sagt. „Die Digitalisierung im Einkauf ist in Deutschland in vielen Unternehmen noch sehr am Anfang“, beobachtet er. Die englischsprachigen Länder beispielsweise seien da schon deutlich weiter.
Digitalisierung bleibt Fremdwort
Beim Einkauf ist bei der Mehrzahl der Unternehmen Digitalisierung eben noch ein Fremdwort. Zwar haben einige Branchen wie die Automobilindustrie diese Prozesse schon stark digitalisiert. Doch das sind Ausnahmen.
„Insbesondere dort, wo Kleingewerbetreibende vom Handwerker bis zum Zahnarzt die Besteller sind, gewinnen Onlinebestellwege nur langsam an Bedeutung“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH.
Zwar wurden nach Schätzungen des IFH im vergangenen Jahr bereits Firmenbestellung im Wert von 250 Milliarden Euro online abgewickelt. Doch sind das gerade mal 7,5 Prozent des gesamten Business-to-Business-Geschäfts (B2B).
Dabei gibt es bereits zahlreiche B2B-Onlinemarktplätze, die in den unterschiedlichsten Branchen Firmen helfen, einen großen Teil ihrer Beschaffung über digitale Kanäle abzuwickeln. Seit knapp fünf Jahren kämpft auch Amazon mit seiner Plattform Amazon Business um Firmenkunden.
Handelsexperte Hudetz stellt aber fest, dass viele Unternehmen gerade in der Beschaffung noch sehr konservativ seien und an ihren bestehenden Partnern und Bestellwegen festhalten. Viele Lieferanten sehen deshalb wenig Anreiz, auf Onlineprozesse umzustellen. „Handelsunternehmen waren mit ihren traditionellen Vertriebswegen sehr erfolgreich, sodass kein Digitalisierungsdruck entstand“, erklärt Hudetz.
Spezialisierte Onlinehändler drängen auf den Markt
Das bestätigt eine Umfrage von ibi Research unter B2B-Händlern. Dabei gaben 19 Prozent an, dass sie überhaupt nicht online verkaufen, weitere 26 Prozent machten weniger als fünf Prozent ihres Umsatzes online. Gerade mal 22 Prozent der Befragten erzielten mehr als die Hälfte ihres Umsatzes über einen Onlineshop oder einen Marktplatz.
Doch das ändert sich gerade. Denn in immer mehr Branchen gibt es spezialisierte Onlinehändler und digitale Marktplätze, die das Geschäft mit der Beschaffung entdecken – und so die etablierten Anbieter unter Druck setzen wollen.
Etabliert haben sich bereits Plattformen wie Wucato, Mercateo oder Expondo, die mehrere Millionen Produkte vermitteln, von Werkzeugen über Arbeitsschutzprodukte bis Bürobedarf. Häufig sind es Gründer, die bereits Erfahrungen auf Marktplätzen für Endkunden gesammelt haben und dies nun in den Firmeneinkauf übertragen.
Ein gutes Beispiel dafür sind die französischen Gründer von Ankorstore, Nicolas Cohen und Nicolas d’Audiffret. Sie bauten zuerst die Plattform „A little Market“ auf, über die selbst gemachte Dinge vertrieben werden konnten, verkauften diese dann für 100 Millionen Euro an den Konkurrenten Etsy und gründeten schließlich den Ankorstore. Dieser B2B-Marktplatz verbindet Einzelhändler und Markenhersteller.
Daneben gibt es Spezialisten, die Lösungen für bestimmte Branchen oder Produktgruppen entwickeln. Ein Beispiel ist das 2014 gegründete Start-up Equippo, das gebrauchte Baumaschinen vertreibt. Hinter anderen Plattformen stehen Großkonzerne. So arbeitet etwa Chemondis, ein Marktplatz für Chemikalien, zwar unabhängig, gehört aber dem Konzern Lanxess.
Lieferanten wie Würth entdecken den Onlinehandel
Aber auch viele klassische Lieferanten haben den Onlinehandel entdeckt. Der Mittelständler Würth beispielsweise hat massiv in digitale Vertriebswege investiert, was sich in der Coronakrise ausgezahlt hat. So hat der Spezialist für Befestigungstechnik im vergangenen Jahr bereits 2,8 Milliarden Euro im Onlinehandel umgesetzt, das ist ein Fünftel des Gesamtumsatzes.
Auch wegen dieser erstarkten Konkurrenz tut sich Amazon im Firmeneinkauf schwerer als in seinem Stammgeschäft mit den Endkunden. Noch fehlt dem US-Riesen die Breite und Tiefe im Sortiment. „Der Schwerpunkt unseres Geschäfts liegt bisher auf Bürobedarf und IT-Zubehör“, räumt Amazon-Business-Chef Böhme ein.
Die besondere Stärke liege in der Entlastung der Einkaufsabteilung. „Beim Einkauf über Amazon Business können Unternehmen gut kleinteilige Bedarfe konsolidieren, die sie sonst bei einer Vielzahl von Lieferanten eingekauft haben“, erklärt Böhme. Auch könne man damit den Routineeinkauf weitgehend automatisieren.
Außerdem können für einzelne Besteller oder Abteilungen spezielle Rechte eingerichtet werden, sodass der Einkauf dezentralisiert werden kann, ohne dass die Einkaufsleitung die Kontrolle abgibt. Es können Filter eingestellt werden, beispielsweise für eine bevorzugte Beschaffung über lokale oder klimafreundliche Lieferanten. Auch kann man Datenanalysen der Beschaffung in Echtzeit erstellen.
Zugleich baut die Plattform aber das Angebot auch massiv aus, wie im Endkundenhandel unter anderem durch die Aufnahme zahlreicher Dritthändler auf die Plattform. „Mehr als die Hälfte der Produkte, die auf Amazon Business verkauft werden, kommt bereits von Dritthändlern, und dieser Anteil wächst weiter“, erklärt Böhme. Viele kleine Zulieferer hätten so erstmals die Chance, große Konzerne zu erreichen.
Gute Chancen für Spezialmärkte neben Amazon
Handelsexperte Hudetz erwartet nicht, dass Amazon in diesem vergleichsweise neuen Geschäft rasch eine ähnliche Dominanz erreichen kann, wie in seinem Kernmarkt. „Im B2B-Handel ist Amazon Business noch immer eine Nische“, betont er.
Auch sieht er hier dauerhaft gute Chancen für kleinere Spezialmarktplätze neben Amazon. „Branchenspezifische Marktplätze vom Agrarwesen bis hin zum Stahlhandel können sich viel besser auf die Marktgegebenheiten der jeweiligen Branche anpassen und entsprechende Services anbieten“, sagt er.
„Niemand sollte aber die Fähigkeit von Amazon unterschätzen, zu lernen und sich entlang der Kundenbedürfnisse weiterzuentwickeln“, warnt er zugleich. Der große Vorteil des Konzerns: Als Privatperson kaufen die meisten ohnehin bei Amazon ein, und dann ist es nur ein Klick zum Geschäftskonto. Hudetz betont: „Amazon versteht es wie kaum ein Zweiter, den Einkauf bequem und schnell zu gestalten – das ist auch im Geschäftskundenbereich ein entscheidender Faktor.“
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