Berliner Touristikmesse Reiseveranstalter kämpfen um den Sommerurlaub – und fordern schnelle Öffnungen

Noch gilt Spanien inklusive der Balearen als Corona-Risikogebiet.
Düsseldorf Angesichts der massiven Ertragseinbrüche seit März 2020 sucht die Reisebranche verzweifelt nach Möglichkeiten, um zumindest das kommende Sommergeschäft zu retten. Die Corona-Beschränkungen zehren seit Langem massiv an der Substanz vieler Reiseveranstalter, Hotelbetreiber und Flugbetriebe. Misslingt der Neustart im Sommer, erwartet die Branche eine ungeahnte Pleitewelle.
Die aber, so zeigten sich führende Branchenvertreter auf einem virtuellen Kongress der Berliner Touristikmesse ITB entschlossen, gilt es in den kommenden Wochen abzuwenden. So drängte Tui-Deutschlandchef Marek Andryszak zum Messeauftakt auf eine baldige Öffnung beliebter Urlaubsdestinationen.
„Schnelltests, Impfungen und einheitliche Immunitätsnachweise geben uns schon bald die Reisefreiheit zurück“, versprach der Tui-Manager. Ab dem 20. März empfange der Robinson Club auf Mallorca wieder erste Gäste, kündigte er an, ab 27. März fliege die konzerneigene Airline Tuifly von Düsseldorf, Frankfurt und Hannover Urlaubsgäste auf die Insel.
Mallorca besitze konstant niedrige Inzidenzwerte, die weit unter denen der meisten deutschen Bundesländer lägen, erklärte Andryszak. Noch allerdings gilt das komplette Land inklusive der Balearen als Corona-Risikogebiet. Reiserückkehrer müssten sich – Stand heute – in den meisten deutschen Bundesländern anschließend in Quarantäne begeben. Auch ein negativer PCR-Test würde fällig.
Hinzu kommt, dass ein weiterer Hoffnungsträger als Reiseziel für die nächste Zeit weitgehend ausfallen dürfte: Am 7. März erklärte das Auswärtige Amt ganz Griechenland zum Risikogebiet, nachdem viele Inseln von dieser Warnung bislang noch ausgenommen waren.
Wie groß der Corona-bedingte Umbruch in der Reisebranche werden könnte, zeigt eine globale Studie der Messegesellschaft ITB Berlin und des Reiseportals Travelzoo. Insbesondere unter Europäern, so eines der Ergebnisse, habe das Vertrauen in Reiseunternehmen durch die Pandemie gelitten. Der Aussage, ihr Vertrauen in Reisemarken sei während der Pandemie gestiegen, stimmten in Deutschland nur 17 Prozent der Befragten zu – in Großbritannien waren es 18 Prozent und in Frankreich 16 Prozent.
Der Grund für die schlechten Werte dürfte sein, dass viele Urlaubsgäste während der Pandemie monatelang auf die Erstattung ihrer Reiseanzahlungen warten mussten. Selbst große Veranstalter schalteten über Wochen ihre Hotlines ab und blieben unerreichbar. Als konkrete Maßnahmen wünschte sich die Hälfte der Studienteilnehmer eine Geld-zurück-Garantie oder Umbuchungsmöglichkeiten – was noch vor der Corona-Pandemie in der Branche als ein striktes Tabu galt.
Manche Veranstalter gehen inzwischen sogar noch einen Schritt weiter: Bei der Rewe-Tochter DER Touristik, dem nach Tui zweitgrößten Reiseveranstalter in Europa, denkt man laut über eine Veränderung des Finanzmodells nach. „Bislang wurden die Reisen von den Kunden zu 100 Prozent vorausbezahlt“, sagte CEO Sören Hartmann auf der ITB, „doch viele haben festgestellt, dass es dabei Schwierigkeiten gibt, das Geld im Ernstfall zurückzubekommen.“ Gefragt seien deshalb nun Reisen, die mehr Flexibilität bieten oder gleich eine Stornierungsmöglichkeit.
Eine Lösung könnte sein, glaubt Hartmann, dass Reiseveranstalter künftig Pauschalreisen zu höheren Preisen anbieten, um im Gegenzug auf eine Anzahlung zu verzichten. Dass dies massive Auswirkungen auf den Cashflow mit sich bringen würde, ist dem DER-Touristik-CEO bewusst. „Heute werden die meisten Airlines und Hotels ebenfalls vorausbezahlt“, erklärte er. „Wird diese Finanzierungskette gebrochen, müsste sich die Branche auf einem anderen Weg ihr Geld beschaffen.“
Vielen Veranstaltern droht die Pleite
Was für Reisekunden die Buchungen zweifelsfrei sicherer machen würde, könnte für die Veranstalterbranche hingegen eine harte Konsolidierungswelle bedeuten. Das weiß auch Hartmann: „Bislang haben wir unter den Anbietern trotz Corona noch verhältnismäßig wenig Insolvenzen gesehen, weil der Staat Hilfsgelder bereitstellte.“ Das aber könnte sich schlagartig ändern, falls sich angeschlagene Reiseveranstalter Finanzpartner suchen müssten. Einen völligen Verzicht auf das Vorauszahlungsmodell dürfe es deshalb nicht geben.
Angesichts der laufenden Corona-Impfkampagnen zeigten sich die Anbieter touristischer Reiseleistungen auf der ITB wieder optimistischer als noch vor wenigen Wochen. „Das Impfen ist ein Gamechanger“, sagte Ryanair-CEO Eddie Wilson. Schon als die Restriktionen im Sommer und über Weihnachten teilweise aufgehoben wurden, habe man eine sprunghafte Nachfrage gesehen, sagte er.
Vor allem auf der Kurzstrecke sieht die irische Airline schon bald wieder ein erhebliches Wachstumspotenzial, auch in Deutschland wolle man weiter investieren. Kritik übte Wilson allerdings daran, dass Länder wie Deutschland oder Italien ihre eigenen Airlines mit milliardenschwerer Staatshilfe unterstützen – darunter Lufthansa, Condor und Alitalia. Die Ausgabe solcher Steuergelder sei keineswegs nachhaltig, das Vorgehen „bizarr“.
Wie rasch sich die Nachfrage durch die fortschreitenden Impfungen belebe, darüber berichtete Delta-Chef Ed Bastian auf der virtuellen Messe in Berlin. An Standorten wie Salt Lake City oder Südflorida sei man schon nahezu wieder auf dem Stand von vor der Pandemie, auch wenn es in den Regionen wie etwa rund um Boston oder San Francisco noch eine deutliche Zurückhaltung gebe. „In sechs Monaten werden wir unsere Kapazitäten zurück auf den Markt gebracht haben“, versprach der Airline-Chef.
Etwas verhaltener äußerte man sich beim Langstreckenflieger Emirates, der sein Geschäft zuletzt hauptsächlich durch Frachttransporte aufrechterhielt: „Es gibt eine hohe unterdrückte Nachfrage nach Langstrecken-Reisen“, erklärte Airline-Präsident Tim Clark. Mit einem richtigen Comeback aber rechnet er erst Mitte kommenden Jahres.
Am pessimistischsten zeigten sich auf der ITB diejenigen Anbieter, die ihren Hauptumsatz mit Geschäftsreisen bestreiten. „Wir werden wohl erst in drei bis vier Jahren sehen, ob dieses Geschäft zurückkommt“, sagte Ben Smith, CEO von Air France-KLM. Auch Hyatt-Chef Mark Hoplamazian glaubt nicht an eine rasche Besserung. Er sei besorgt, dass auch künftig Meetings und Konferenzen ins Internet wandern, statt im Hotel gebucht zu werden. „Ich erwarte erst in drei Jahren eine volle Erholung“, sagte er.
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