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Best Practice Wie Gustavo Gusto die Tiefkühlpizza vom Junkfood-Image befreit hat

Der Pionier für tiefgekühlte Premiumpizza ist erst seit 2016 im Handel. Das Geschäft läuft so gut, dass Gründer Schramm die Produktion 2022 verdoppeln will.
06.03.2021 - 12:12 Uhr Kommentieren
Der übergroße Pizzakarton wird mit flotten Sprüchen zur Werbefläche und hebt sich von den Konkurrenzprodukten ab. Quelle: PR
Pizza von Gustavo Gusto

Der übergroße Pizzakarton wird mit flotten Sprüchen zur Werbefläche und hebt sich von den Konkurrenzprodukten ab.

(Foto: PR)

Düsseldorf „Esst weniger Tiefkühlpizza!“ Mit diesem großflächig plakatierten Aufruf sorgt ausgerechnet ein Pizzahersteller derzeit für Aufmerksamkeit. „Wir machen Tiefkühl-Pizza in Restaurantqualität, aber die vielen tollen kleinen Läden können und wollen wir niemals ersetzen. Also: Helft eurem Lieblingslokal, sobald es wieder geht. Und wenn es doch mal eine Tiefkühlpizza sein sollen, dann ... Na ja, ihr wisst schon.“

Mit Sprüchen wie diesen mischt das Unternehmen Franco Fresco aus Bayern mit seiner Marke Gustavo Gusto den Markt für Tiefkühlpizza in Deutschland auf. Gründer Christoph Schramm konnte Pizza vom pappigen Junkfood-Image befreien – was etablierten Herstellern nie gelungen war. Gustavo Gusto ist Pionier für Premiumpizza aus dem Tiefkühler. Der Teig ist handgezogen, hat 30 Zentimeter Durchmesser, die Zutaten sind natürlich.

„Wir kommen mit der Produktion in Geretsried kaum nach und bauen jetzt ein zweites Werk“, erzählt Schramm. Denn er hat gezeigt, wie es möglich ist, auch mit geringem Budget erfolgreich gegen Großkonzerne antreten zu können.

„Franco Fresco hat mit seiner Marke Gustavo Gusto quasi über Nacht das Premiumsegment für Tiefkühlpizza über drei Euro entwickelt, an dem sich die Platzhirsche Dr. Oetker, Wagner und Freiberger jahrelang die Zähne ausgebissen haben“, sagt Branchenexperte Werner Motyka von der Beratung Munich Strategy. Vor einem Jahr wurde Franco Fresco von der „Financial Times“ zum am schnellsten wachsenden Lebensmittelhersteller Europas gekürt.

Seit fünf Jahren erst sind Edelpizzen von Gustavo Gusto im deutschen Handel erhältlich und haben laut Marktforscher IRI schon einen Umsatzanteil von sieben Prozent. Und das in einem zuvor weitgehend gesättigten Markt, den Konzerne mit industrieller Massenfertigung beherrschen.

Und Gründer Schramm hat noch viel vor: 2022 soll die Produktion verdoppelt werden. In Thüringen wird dazu ein ehemaliges Backwerk ausgebaut. Nach der Schweiz und Österreich will der Pizzabäcker weiter in Europa expandieren. Und nach Tests in Bayern kommt bald deutschlandweit Eiscreme der Marke Gustavo Gusto in den Handel.

Der Gründer von Franco Fresco hat bewiesen, dass es für tiefgekühlte Premiumpizza einen Markt gibt.
Christoph Schramm

Der Gründer von Franco Fresco hat bewiesen, dass es für tiefgekühlte Premiumpizza einen Markt gibt.

„Wir liegen voll im Zeitgeist“, meint der 42-jährige Gründer. „Junge, authentische Marken gewinnen gegenüber profitgetriebenen Konzernen.“ Markenloyalität schwindet, bestätigen Studien. „Die Konsumenten wollen verstärkt neue Produkte entdecken“, sagt Konsumgüterexperte Mirko Warschun von der Beratung Kearney.

„Warum gibt es keine Tiefkühlpizza, die aussieht und schmeckt wie eine Pizza vom Lieblingsitaliener?“, fragte sich Schramm schon immer. Als BWL-Student in Passau hatte er mit einem Kommilitonen Geschäftsideen ausgebrütet und Ende 2003 die erste Holzofenpizzeria der Stadt eröffnet. „Alle rieten uns ab. Wir hatten keinerlei Gastronomieerfahrung, und in der Nähe gab es keine Parkplätze“, erzählt Schramm.

Trotzdem wurde die „Pizzeria an der Uni“ (Padu) ein Erfolg. Denn Schramm hatte mit einem Pizzabäcker lange an Teig, Tomatensauce und Käse gefeilt. Zeitweise betrieb der Neu-Gastronom vier Pizzerien, während er zwischendurch in den USA studierte und sein Diplom in Passau ablegte.

Testweise fror Schramm Pizzen ein und backte sie zu Hause auf. Die Geschäftsidee zur Tiefkühlpizza in Restaurantqualität war geboren. Er verkaufte zwei seiner Pizzerien und mietete 2014 mit dem Geld ein Lebensmittelwerk in Geretsried an. Familie und Freunde halfen mit kleinen Krediten.

Zwei Edelstahltische und eine Backkammer von 80 Zentimeter Länge, so sah die Produktion anfangs aus. 200 Pizzen am Tag wurden von Pizzabäckern per Hand geformt und belegt. „Wir haben alles selbst gemacht. Das waren harte Jahre.“

Schramm lieferte anfangs Tiefkühlpizza nur an Restaurants und Cafés. „Der Direktvertrieb war sehr zeitraubend.“ 2015 stellte Franco Fresco deshalb auf den Großhandel um. Der brachte zwar keine Neukunden wie erhofft. „Trotzdem war das der richtige Weg. Denn seitdem konnten wir uns ganz auf Produktion und Vertrieb konzentrieren“, so Schramm.

2016 startete der Verkauf bei Rewe. „Die Pizza schmeckt wie beim Italiener. Klimaneutrale Produktion und regionale, natürliche Zutaten haben mich zusätzlich überzeugt“, sagt Roger Kurzawa, bei Rewe verantwortlich für Einkauf und Sortiment von Tiefkühlkost. Er versprach Schramm, Gustavo Gusto zur nationalen Marke aufzubauen. Beim Abverkauf lag der Newcomer sofort deutlich über dem Schnitt der Warengruppe. „So etwas passiert nicht alle Tage“, sagt der Rewe-Manager. „Die Marke ist frisch und innovativ – nicht zuletzt wegen des auffallenden Kartons.“

Pizzakarton als Werbefläche

„Der Pizzakarton ist unsere Visitenkarte und war lange unsere einzige Werbefläche – in Zeiten leerer Marketingkassen ein Schachzug, der sich ausgezahlt hat“, sagt Schramm. Der große, weiße Karton fällt auf mit flotten Sprüchen wie „Da bist Du hin und veggie“ oder „Eine echte Steinofenbarung“. Mit Influencer Luca entstanden limitierte Pizza-Editionen.

Mit Marketing am Point of Sales will Gustavo Gusto zum Probieren reizen. Mit Erfolg: Jeder dritte Kunde hatte in den zehn Jahren zuvor keine Tiefkühlpizza mehr gekauft. Das zeigten digitale Auswertungen. „Der Handel hat uns verflucht für unsere übergroßen Kartons, weil die Logistik viel schwieriger ist“, so Schramm.

Wettbewerber zogen inzwischen mit großen Pizzen nach. Dr. Oetker griff 2018 mit der Pizza „La Mia Grande“ den Premiumtrend auf. Die Pizza konnte „erfreulich Marktanteile gewinnen“, heißt es im Dr.-Oetker-Geschäftsbericht 2019. Wagner zog mit der XL-Pizza „Bella Napoli“ nach. „Wir haben viele Nachahmer und sind jetzt die Gejagten“, sagt Schramm.

Dass die Marktführer reagieren, ist wenig überraschend. Ist Pizza doch das beliebteste Tiefkühlprodukt hierzulande: 1970 brachte Dr. Oetker die „Pizza alla Romana“ für 2,95 DM „backofenfertig im praktischen Alu-Teller“ heraus. 13 Tiefkühlpizzen verzehrt heute jeder Deutsche im Jahr.

Der deutsche Markt dürfte 2021 laut Euromonitor International bei etwa 1,57 Milliarden Euro liegen. Branchenprimus ist Nestlé-Tochter Wagner mit mehr als 30 Prozent Marktanteil. Dr. Oetker folgt mit knapp 30 Prozent Marktanteil für „Ristorante“ und „Die Ofenfrische“.

Dem Deutschen Tiefkühlinstitut zufolge geben „neue Player dem Markt weiteren Auftrieb“. Die Convenience-Pizza bekam durch den Lockdown der Gastronomie und den Trend zum Homeoffice zusätzlich Schub.

Grafik

Doch kein Tiefkühlhersteller wuchs 2020 so stark wie Franco Fresco – der Newcomer steigerte seinen Umsatz von 30 auf 50 Millionen Euro. „Gustavo Gusto dürfte weiter wachsen, wenn auch von kleiner Basis, während etablierte Marken wie Wagner durch den neuen Wettbewerb vor Herausforderungen stehen“, prognostiziert Tristan Hover, Analyst von Euromonitor.

120.000 Pizzen stellt Franco Fresco mit 350 Mitarbeitern heute am Tag her. „Wir haben unsere Pizzen nicht maschinengängiger gemacht, sondern wir passen die Maschinen unseren Produkten an“, sagt Schramm. Wo die Qualität leiden würde, wird Hand angelegt.

Der Teig geht mindestens 24 Stunden und wird weiter per Hand ausgezogen. In anderen Pizzafabriken dauere es vom Teigmischen bis zum Verpacken oft nur 90 Minuten, so Schramm. Dort werde jeder Cent optimiert. Zudem sei das Werk von Gustavo Gusto das erste klimaneutrale Pizzawerk in Deutschland.

Heute gibt es Gustavo-Gusto-Pizza in allen Handelsketten – außer bei den großen Discountern. „Wertigkeit ist für unsere Marke wichtig. Wir wollen nicht in eine Preisspirale nach unten kommen.“

„Seit einem Jahr sind wir profitabel“, sagt Schramm, der inzwischen auch Banken überzeugen konnte. Etliche Investoren hätten angeklopft. „Wir kommen bisher ohne aus.“ Für die Expansion in Europa wäre für Schramm ein strategischer Partner vorstellbar. „Aber es müsste wirklich passen.“

Schramm hat ehrgeizige Pläne: „In fünf Jahren kann Gustavo Gusto die Pizzamarke Nummer zwei in Deutschland sein. Und in zehn Jahren sind wir auch international gut vertreten.“

Aus der Praxis lernen:

Newcomer können Märkte disruptieren
Selbst in gesättigten Branchen mit etablierten Herstellern haben Neulinge Chancen. Die Markentreue der Verbraucher schwindet, sie haben Lust, neue Produkte auszuprobieren. Gustavo Gusto hat sich ins Premiumsegment für Tiefkühlpizzen gewagt, das bisher unbesetzt war. Das setzt die Marktführer unter Zugzwang.

Produkte müssen sich abheben
Mit Restaurantqualität, natürlichen Zutaten und handgeformtem Teig will sich Gustavo Gusto von der industriellen Massenware abheben. Klimaneutrale Fertigung erhöht die Glaubwürdigkeit als nachhaltige Marke.

Neue Zielgruppen erschließen
Gustavo Gusto ist es gelungen, Tiefkühlpizza vom Junkfood-Image zu befreien und salonfähig zu machen. Ein Drittel der Kunden hatte seit zehn Jahren keine Tiefkühlpizza gekauft.

Pfiffiges Marketing muss nicht viel kosten
Der übergroße Pizzakarton wurde zur Werbefläche und setzte sich mit weißem Grund und flotten Sprüchen von der Konkurrenz ab. Limitierte Editionen mit Influencern bringen zusätzlich Reichweite für die neue Marke.

Gründen geht auch ohne Investoren
Manche Start-ups wachsen lieber langsamer, dafür bleiben sie unabhängig. Gustavo Gusto ist mit „Bootstrapping“ erfolgreich, das heißt, kleine Kredite von Familie und Freunden reichten zur Anschubfinanzierung.

Mehr: Dr. Oetker wächst durch Zukäufe im Ausland.

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