Bodenverkehrsdienste Streit über Tarifvertrag für Bodenpersonal an Flughäfen – Neue Streiks drohen

Verdi fordert einen bundesweiten Tarifvertrag für die Bodenverkehrsdienste.
Frankfurt Kofferchaos in Berlin, lange Wartezeiten an den Gepäckbändern am Flughafen Düsseldorf, Berichte über fragwürdige Sozialstandards und ein wildes Tarifwirrwarr. Die sogenannten Bodenverkehrsdienste an den Flughäfen – jene Beschäftigen also, die zum Beispiel die Koffer auf dem Vorfeld entladen – geraten immer wieder in die Schlagzeilen.
Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi will das nicht länger hinnehmen. In Zukunft soll ein bundesweiter Tarifvertrag das bisherige fragmentierte Gebilde aus unterschiedlichen regionalen Tarifverträgen ablösen und klare Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen vorgeben.
Doch die Gespräche laufen zäh. Seit mehr als einem Jahr wird verhandelt, immer wieder wurde unterbrochen. Denn die Situation ist komplex. Zwar finden auch einige Unternehmen auf der Arbeitgeberseite die Idee einer bundesweiten Regelung gut. Doch insgesamt ist die Branche zerstritten, was die Verhandlungen nicht einfacher macht. In Luftfahrtkreisen rechnet man deshalb ab September mit Streiks des Bodenpersonals an einigen Standorten.
Vor allem die Modalitäten, wie ein bundesweiter Tarifvertrag umgesetzt werden soll, sorgen für Streit unter den Tarifpartnern. Verdi will diesen schon mit Beginn September. Deshalb pocht die Gewerkschaft darauf, dass die aktuell diskutierten Tarifverträge nur bis Ende August laufen. „Wir haben festgelegt, dass Tarifverträge, die ab dem Dezember 2018 verhandelt werden, nicht länger als bis zum 31. August 2020 laufen sollen“, erklärt Katharina Wesenick von der Bundesfachgruppe Luftverkehr bei Verdi.
Fünf Jahre nach der erstmals formulierten Forderung nach einem bundesweiten Tarifvertrag will die Gewerkschaft endlich Erfolge sehen und bundesweit handlungsfähig werden. Hinzu kommt: Das Tarifabkommen für die Bodenverkehrsdienste soll an den für den Öffentlichen Dienst gekoppelt werden. Der läuft Ende August 2020 aus und muss dann neu verhandelt werden. Der kürzlich geschlossene Vertrag mit Acciona für den Flughafen Düsseldorf gilt zum Beispiel nur bis Ende August diesen Jahres.
Mehr Planungssicherheit
Doch in den aktuellen Gesprächen etwa in Berlin und Frankfurt verhindert die kurze Laufzeit derzeit eine Einigung. Wisag, einer der großen Anbieter bei den Bodendienstleistern, will in Frankfurt eine Laufzeit bis September 2026. Begründet wird das mit der Planungssicherheit, die man den eigenen Mitarbeitern geben wolle.
Auch wird auf den Tarifvertrag für die Mitarbeiter hingewiesen, die direkt beim Flughafenbetreiber Fraport Bodendienste verrichten. Für die wurde noch im vergangenen Jahr ein Vertrag abgeschlossen, der bis 2026 läuft.
Hinzu kommt: Wer an einem Flughafen den Zuschlag für die Bodenverkehrsdienste bekommt, muss nicht nur Personal stellen, sondern auch das entsprechende Gerät zum Be- und Entladen. Das sind Investitionen, die sich für eine so kurze Laufzeit nicht rechnen, wird aufseiten der Dienstleister argumentiert.
Die Luftfahrtexpertin von Verdi akzeptiert Argumente wie die von Wisag nicht. Es werde keine Ausnahmen geben, auch nicht in Köln, wo Wisag mit Verdi bereits mehr oder minder über eine längere Laufzeit Einigkeit erzielt hatte, die Gewerkschaft diese aber nun wieder vom Verhandlungstisch gezogen hat. Das zeigt, mit welcher Macht die Gewerkschaft endlich den bundesweiten Tarifvertrag durchsetzen will.
In dem Streit geht es zum einen um Lohn. Den bundesweit anzugleichen, ist schon eine Herausforderung. „Es gibt bundesweit mehr als 80 verschiedene Tarifniveaus in rund 60 Tarifverträgen“, sagt Wesenick von Verdi.
Eine Anpassung werde deshalb nur sukzessive gehen, aber das Ganze solle doch schnell erfolgen: „Die Schere bei den Verdiensten in diesem Bereich ist einfach zu eklatant.“ Noch wichtiger sind Verdi aber die Arbeitsbedingungen. Tatsächlich ist der Job auf dem Vorfeld und im Kofferkeller knochenhart.
Bis zu 500 Koffer heben die Mitarbeiter im Schnitt pro Tag. Das ist eine deutlich größere Belastung als eigentlich empfohlen. „Gesundheitliche Schäden der Mitarbeiter sind ein großes Problem“, sagt Wesenick.
Ob in dem Konflikt eine rasche Lösung gefunden werden kann, ist zweifelhaft. Auf Arbeitgeberseite fürchten viele, Verdi bei einer Anbindung eines bundesweiten Tarifvertrags an den des Öffentlichen Dienstes eine zu scharfe Waffe in die Hand zu geben.
„Die können dann zusammen mit den Kitas und anderen öffentlichen Einrichtungen zeitgleich bundesweit den Luftverkehr lahmlegen. Wollen wir das wirklich?“, fragt ein Airport-Manager. Ohne Bodenverkehrsdienste hebt kein Jet ab. „In der bisher fragmentierten Tariflandschaft kann es jederzeit an einer immer anderen Stelle zu Streiks kommen. Ich frage mich, ob die aktuelle Situation besser ist für die Branche“, kontert Wesenick.
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