Börsenpläne für Arriva und Schenker Bund bremst Bahn-Chef Grube aus

Der Eigentümer Bund bremst.
Düsseldorf/Berlin/Frankfurt Mit Verspätungen kennt sich die Deutsche Bahn hervorragend aus: Zum Ärger der Kunden ist im Fernverkehr inzwischen ein Drittel aller Züge unpünktlich. Doch die neueste Verspätung trifft nun Bahn-Chef Rüdiger Grube persönlich: Sein Fahrplan zur Kapitalbeschaffung gerät kräftig in Verzug.
Grube will Teile der Bahn-Töchter Arriva und Schenker an der Börse versilbern. Nach Handelsblatt-Informationen verspricht sich die Bahn davon einen Erlös von bis zu 4,5 Milliarden Euro. Das Problem: Der Aufsichtsrat bremst Grube und seinen Plan aus. Am 8. Februar sollte das Gremium den Finanzierungsplan eigentlich absegnen. Doch der Termin ist nicht zu halten.
Und damit wird wohl auch nichts mehr aus dem Börsengang von der Tochter Arriva in diesem Jahr, in der die Bahn ihren gesamten Personenverkehr im Ausland gebündelt hat. Der Eigentümer Bund bremst, für die Arbeitnehmer hat das Projekt keine Priorität. „Den 8. Februar kann sich Grube abschminken“, heißt es in Kreisen des Aufsichtsrats.
Dabei braucht Grube dringend Geld, um die explodierende Verschuldung zu bremsen und sein ehrgeiziges Sanierungs- und Wachstumsprogramm zu finanzieren. Schon aus diesem Grunde ist der Plan umstritten. Denn im Aufsichtsrat herrscht Unmut, dass jetzt „Tafelsilber“ für den Schuldenabbau herhalten soll.
Noch vor einem Jahr habe der Vorstandsvorsitzende zugesichert, die Nettoverbindlichkeiten würden niemals über 20 Milliarden Euro steigen. Ohne die Börsengänge aber würde nach Konzernberechnungen die Schuldenlast bis 2020 um fünf Milliarden auf sogar 22 Milliarden Euro wachsen.
Der Schienenkonzern leidet unter Fahrgastschwund im Fernverkehr, wegbrechenden Regionalverkehrsaufträgen und mieser Rentabilität im Schienengüterverkehr. Grube hat deshalb ein Sanierungsprogramm aufgelegt. Im Sommer 2015 sortierte er den Vorstand neu, im Dezember präsentierte er seinen Umbau- und Wachstumsplan „Bahn 2020“. Jetzt sollte mit der Kapitalbeschaffung die dritte Stufe folgen.
Früher sprudelten die Gewinne der Bahn noch: Noch 2012 machte sie einen Nettogewinn von 1,5 Milliarden Euro. 2015 hat die Bahn nach Handelsblatt-Informationen einen Verlust von 1,3 Milliarden Euro eingefahren. Dazu kommt: Die Bahn muss Milliarden Euro in neue Züge und das Schienennetz investieren. Die Folge: Die Verschuldung des Staatskonzerns steigt rapide an. Die Rekapitalisierung ist daher wichtiger Teil der Sanierung.
Dazu sollen die profitablen Tochtergesellschaften Arriva und Schenker für Investoren geöffnet werden. Allerdings: „An einen Komplettverkauf ist nicht gedacht“, versicherte Finanzchef Richard Lutz im Dezember. „Die zwei hübschesten Töchter, die wir haben, wollen wir nicht zur Adoption freigeben.“
Die Bahn und Grube wollen sich aktuell dazu nicht äußern. Der Bahn-Chef trifft am Donnerstag einige Haushaltspolitiker und versucht, sie auf seinen Plan einzuschwören. Offiziell verweist das Unternehmen auf die Aussagen von Lutz. Es müssten noch „Diskussionen um die Verwendung der Erlöse mit dem Aufsichtsrat und dem Eigentümer geführt werden.“
Was Lutz nicht sagte: Nach einem Beteiligungsvertrag aus dem Jahre 2008 steht dem Bund ein großer Teil der Privatisierungserlöse zu. Doch Grube hat dem Finanzminister übermittelt: Die Bahn will alles.
So schlimm steht es um die Deutsche Bahn AG
Bei Arriva ist noch nicht einmal sicher, ob der selbstfinanzierte Zukauf überhaupt unter diese Regel fällt. Dabei sollte Arriva nach Grubes Plan möglichst noch in diesem Jahr an die Londoner Börse. Allein das würde nach Einschätzung Frankfurter Finanzkreise bis zu zwei Milliarden Euro einspielen. Die Investmentbank Lazard ist engagiert und arbeitet seit Monaten Details zum Going-public aus. Lazard will sich dazu nicht äußern.
Der Bund sperrt sich zwar nicht grundsätzlich gegen einen Börsengang, hält den Zeitpunkt aber für denkbar ungünstig. Finanzminister Wolfgang Schäuble ist damit beschäftigt, die Kosten der Flüchtlingskrise in seiner mittelfristigen Finanzplanung einzubauen und die schwarze Null zu retten. Die Abtretung milliardenschwerer Privatisierungserlöse an die Bahn würde da merkwürdig wirken.
Auch Koalitionspartner SPD sieht eine Teilprivatisierung skeptisch. Das alles sei nur sinnvoll, wenn die Erlöse der Bahn zufließen, heißt es. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Bahn haben ohnehin signalisiert, den Privatisierungsplänen nur zuzustimmen, wenn das Geld im Konzern bleibt. Der ganze Plan „ist nicht ausgereift“, sagen Regierungskreise deshalb. „Grube muss nacharbeiten.“
Maßstab für die Bewertung von Arriva sind unter anderem die britischen Unternehmen National Express und Stagecoach. Beide sind börsennotiert und haben das gleiche Geschäftsmodell wie die DB-Tochter. Beide werden an der Londoner Börse mit umgerechnet 2,2 Milliarden Euro bewertet, obwohl National Express nur halb so groß ist wie Arriva und Stagecoach. National Express ist aber mit operativen Renditen von bis zu zwölf Prozent doppelt so rentabel wie die Konkurrenten. Finanzkreise taxieren Arriva auf bis zu vier Milliarden Euro Marktkapitalisierung.
Sowohl Arriva als auch Schenker hat die Bahn gekauft. Die britische Verkehrsgesellschaft Arriva hat sie 2010 für 2,8 Milliarden Euro aus eigenen Mitteln finanziert.
Damals musste Konzernchef Grube dem Bund zusagen, dass das Geschäft in Deutschland unter dieser Megainvestition nicht leiden wird. Genau das aber ist eingetreten. Der Güterverkehr auf der Schiene im Heimatmarkt ist chronisch unrentabel, im Personenverkehr bröckeln Kundenzahlen und Margen.
DB Schenker entstand 2002 nach Übernahme des Stinnes-Konzerns für 2,5 Milliarden Euro. Zusammen mit ihrem eigenen Speditionsgeschäft stieg die Bahn dadurch zu einem der großen Logistiker Europas neben der Schiene auf. Heute macht DB Schenker fast 40 Prozent des gesamten DB-Konzerngeschäfts von knapp 40 Milliarden Euro aus.
Eine Teilprivatisierung dieses Unternehmens wird erst ab 2018 erwartet. Zwei parallele Börsengänge könne die Bahn nicht stemmen, glauben Experten. Zumal der Staatskonzern schon genug mit der Sanierung zu tun hat.