Brasilien Luiza Helena Trajano: Die Handelskönigin der Unterschicht

Slum in Sao Paulo. Dona Luiza hat eine klare Zielgruppe: Die Unterschicht.
Nein, einzigartig allein ist das Geschäftsmodell der Kette - ein Geschäftsmodell, das wie maßgeschneidert ist für die brasilianische Gesellschaft - oder solche, die ihr ähneln. Luiza hat eine klare Zielgruppe - die Unterschicht. Wie kaum ein zweites Unternehmen versteht Magazine Luiza es, den Markt am Fuß der Einkommenspyramide zu bedienen - ein Markt, der in Brasilien traditionell stark ist und weltweit Konzernen als Testmarkt für Low-Income-Strategien dient. Konsumgüterhersteller wie Procter & Gamble, Johnson & Johnson und Nestlé forschen in Brasilien, um neue Produkte für das Niedrigpreissegment zu entwickeln. Das Kalkül: Funktioniert es in Brasilien, wo nach einer McKinsey-Studie 70 Prozent des gesamten Konsums auf Familien entfallen, die weniger als 1 400 Euro zur Verfügung haben, funktioniert es auch in anderen großen Schwellenländern wie Indien und China, deren Arme erst jetzt den ökonomischen Aufstieg erleben.
"The next Billion Consumers", also die nächste Milliarde potenzieller Verbraucher, heißt das Stichwort, das Boston-Consulting-Manager David Dean prägte. "Früher dachten wir, wir müssten nur die Mechanismen in den Industriestaaten erforschen, um das Käuferverhalten auch in Schwellenländern zu verstehen. Heute wissen wir: Es ist genau umgekehrt", sagt Frances Frei von der Harvard Business School. Am unteren Teil der Pyramide müsse man beginnen.
Wie man dort erfolgreich auf Kundenfang geht, das zeigt Luiza. Ihre Methoden, die Kunden zu erreichen und vor allem an sich zu binden, lassen ahnen, warum Luiza Kultstatus genießt und mit Unternehmerpreisen geradezu überhäuft wurde. Die Unternehmerin des Jahres 1995 habe einen "erstaunlichen Einfluss auf das Kundenverhalten", sagt Frei.
"Meu negocio e fazer vender", steht auf Dona Luizas Schreibtisch. Was so viel heißt wie: "Ich lasse verkaufen, das ist mein Geschäft." Zweifeln ist ihre Sache nicht. Sie spricht kurze Sätze, hinter jeden gehört ein Ausrufezeichen. Dona Luiza verkörpert jene Sicherheit, die aus Menschen Gurus machen kann. Sie ist nicht Chefin, sie ist mehr, ihre Mitarbeiter sind nicht Angestellte, sie sind Anhänger.
So wie Marina. Marina ist Filialleiterin der "Loja virtual" in der Peripherie von Franca. "Virtueller Laden" heißt in der Luiza-Welt ein bestimmter Typ Geschäftsstelle. Wer das Erfolgsgeheimnis der Holding lüften will, muss hierherkommen. Raus aus dem Zentrum der Stadt, die auffällig unauffällig ist, geht es vorbei an nicht enden wollenden grau-braunen Häuserreihen. Sie gleichen den Plattenbausiedlungen aus der DDR und signalisieren: sozialer Brennpunkt.
Mitten in einer solchen Gegend also befindet sich ein solcher "virtueller Laden". "Virtuell" heißt der Laden, weil kaum Ware dort zu finden ist. Die Produkte, die Luiza hier anbietet, lassen sich an den vielen Computerbildschirmen der Geschäftsstelle betrachten. In einem durch eine Glasschiebetür abgetrennten Nebenraum stehen acht bis zehn Stuhlreihen, die auf eine Art Bühne ausgerichtet sind. "Centro de Promocões" - Promotionszentrum - steht darüber. Hier veranstaltet Marina verschiedenste Kurse und Vorträge für die Klienten. Kochen, Internet, Hygiene, Englisch, aber auch Impfungen und Sport stehen auf dem Programm. Alles gratis. Gratis ist auch der Internetzugang. An einem Stehtisch mit vier Bildschirmen drängen sich die Kunden, meist Jugendliche, und surfen, was das Zeug hält.