Businessjets Die Sparsamkeit fliegt mit

Die Flugzeughersteller leiden zum einen unter der schleppenden Nachfrage aus den Ölstaaten und aus China.
Frankfurt Es ist ein bisschen wie bei den großen Brüdern und Schwestern von Airbus und Boeing. Mit einem Torbogen aus Löschwasser wird am 20. Mai die Legacy 500 von der Flughafenfeuerwehr auf dem City Airport in London begrüßt. Es ist der tausendste Privatjet, den der brasilianische Flugzeughersteller Embraer ausgeliefert hat. Und es ist das erste Mal, dass der Betreiber Flexjet, ein amerikanischer Spezialist für den Flugverkehr mit Geschäftsreisenden, London ansteuert und damit sein Angebot erweitert. Ihren Stolz können die Piloten des kleinen Langstreckenfliegers nicht verbergen.
Es ist einer der wenigen Glücksmomente, die das Geschäft mit Businessjets – also Privatflügen, die Geschäftsreisende anstatt von Linienflügen nutzen – bietet. „Der Markt ist herausfordernd“, sagt Marco Tulio Pellegrini, Chef von Embraer Executive Jets. Herausfordernd, das heißt übersetzt: Licht und Schatten liegen dicht beieinander. Einerseits gibt es eine Nachfrage nach Privatjets und entsprechenden Flugangeboten, andererseits steigt sie nicht, und das Angebot ist groß, der Wettbewerb beinhart.
Die Flugzeughersteller leiden zum einen unter der schleppenden Nachfrage aus den Ölstaaten und aus China. Hier zeigen sich die Folgen des niedrigen Ölpreises und der Konjunktursorgen. In Europa wiederum ist die Nachfrage stabil, aber es gibt auch kein großes Wachstum. Laut WINGX, einem Informationsdienstleister für die Geschäftsreisefliegerei, wuchs der europäische Markt gemessen an den Starts von Businessjets in den zurückliegenden zwölf Monaten gerade einmal um bescheidene 0,3 Prozent.
„Sicher werden der rückläufige Trend beziehungsweise das Nullwachstum vorerst noch etwas anhalten“, prognostiziert Christoph Kohler, Managing Director der WINGX Advance GmbH: „Mittelfristig hat Europa mit Deutschland als einen der Kernmärkte aber eine sehr gute Ausgangsposition.“
Doch aktuell hilft das wenig. Nach Berechnungen des Herstellerverbands GAMA brach der Absatz mit Businessjets im ersten Quartal 2016 um 16 Prozent ein. Mit 3,53 Milliarden US-Dollar war es der schlechteste Jahresauftakt seit 2011.
„Wir sehen, dass die Hersteller gerade nicht sehr viele Flugzeuge verkaufen“, sagt Jonas Kraft, Director Sales & Marketing von ACM Air Charter. Das Unternehmen aus Baden-Baden vermarktet freie Kapazitäten von Businessjets, die Privatnutzern oder Unternehmen gehören. „Nach dem Platzen der Blase 2008 hat sich der Markt nicht mehr erholt. Es gibt immer noch große Überkapazitäten“, so Kraft.
2008 war für die Branche ein rabenschwarzes Jahr. Nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers bekam die Wirtschaft die Folgen zu spüren. Dazu kam: Die Chefs der drei großen US-Autokonzerne flogen mit Privatjets nach Washington, um für Staatshilfen zu werben – und fügten der Geschäftsreisefliegerei einen gewaltigen Imageschaden zu, der bis heute nachwirkt.
„Es gibt nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung, wenn es um Privatjets geht“, sagt Pellegrini von Embraer: „Aber wir sehen den Businessjet als ein Werkzeug für Produktivität.“ Die Ertragsfähigkeit haben die Beratung Booz Allen Hamilton und das Deutsche Zentrum (DLR) für Luft- und Raumfahrt in einer Studie versucht zu beziffern. Danach werden pro Flug mit dem Businessjet im Vergleich zum Linienflug 127 Minuten gespart. Dem gegenüber stehen zusätzliche Kosten, die sich auf im Schnitt 1 793 Euro pro Flugstrecke belaufen. „Diese Kosten können unter Umständen sogar mit denen eines Economy-Tickets in der kommerziellen Luftfahrt vergleichbar sein“, heißt es in der Studie.
Hinzu kommt: Häufig ist der Einsatz eines Businessjets für Unternehmen und Manager alternativlos. „Der deutsche Mittelstand ist in der Fläche tätig. Und auch wenn der niedrige Ölpreis den Linienfluggesellschaften hilft, ihr Angebot auszubauen, kommen viele Mittelständler mit diesen nicht so einfach dorthin, wo sie hinmüssen“, sagt Kohler von WINGX. Deshalb bleibe das Geschäftsflugzeug ein Verkehrsmittel der Wahl.
Doch eigene Flieger zu besitzen, damit tun sich viele Firmen schwer. „Wenn es Unternehmen schlechtgeht, ist die eigene Flotte das Erste, was zur Disposition steht. Geht es den Firmen dann besser, ist die Entscheidung, wieder ein eigenes Flugzeug zu kaufen, eine sehr schwere“, weiß Kraft von ACM Air Charter. So haben sich zum Beispiel die Dax-Konzerne Thyssen-Krupp und Eon im Zuge der Krise mittlerweile von ihren Businessjets getrennt.
Für die Flugzeughersteller ist hier also nicht viel zu holen. „In Europa und Deutschland sprechen wir vor allem vom Ersatzgeschäft“, sagt Pellegrini von Embraer. Oder aber man jagt dem Wettbewerb die Kunden ab. „Es ist ein Verdrängungswettbewerb“, sagt Simon Ebert, Gesellschafter von Air Hamburg, einem Anbieter von Geschäftsflügen. Gerade hat das Unternehmen von Embraer einen Legacy 650, einen komfortablen Langstreckenjet, übernommen. Es sei keine Ersatzinvestition, es sei vielmehr Teil der Wachstumsstrategie. Hinter der steht ein Kalkül: „Die Kunden wollen lieber mit einem neuen Flugzeugmuster fliegen als mit einem alten“, sagt Ebert und räumt ein: „Die Preise sind unter Druck. Da gibt es nichts zu beschönigen.“
Das liegt auch an einer anderen Entwicklung: dem Boom bei sogenannten Light Jets, eher spartanisch ausgestatteten und sparsamen kleinen Flugzeugen. „Immer mehr Businessjet-Betreiber und vor allem die Broker haben diesen Trend adaptiert“, sagt Kohler von WINGX. „Natürlich sind die Margen hier kleiner, aber die Kunden verlangen danach, weil sie merken, dass es auch billiger geht und man dennoch gut von A nach B kommt“,
Embraer-Chef Pellegrini schreckt diese Entwicklung nicht, er sieht große Chancen in Europa – und vor allem in Deutschland. Er will die Präsenz hierzulande deutlich ausbauen, vor allem im Mittelstand. Helfen sollen dabei neue Technologien wie beispielsweise digitale Instrumente oder der Internetzugang über den Wolken. „Wir haben diese Features von großen Businessjets in die Einstiegsmodelle gebracht. Deshalb wachsen wir stärker als die Konkurrenz“, sagt er selbstbewusst.
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