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CEO Niklas Östberg im Interview Warum Amazon der größte Gegner von Delivery Hero werden könnte

Niklas Östberg erklärt, wie er den Essenslieferanten Delivery Hero profitabel machen will und welche Erfahrungen er mit Rocket Internet gemacht hat.
04.04.2018 - 17:04 Uhr Kommentieren
Delivery Hero: Chef Niklas Östberg im Interview Quelle: W. Schuering/WirtschaftsWoche
Niklas Östberg

Der Schwede hat das Bestellmodell nach Deutschland gebracht.

(Foto: W. Schuering/WirtschaftsWoche)

Berlin Im Foyer der Delivery-Hero-Zentrale in Berlin-Mitte herrscht akute Anrempel-Gefahr: Junge Männer mit den kastenförmigen Rucksäcken des hauseigenen Lieferdienstes Foodora drängen durch die schmalen Türen des 1950er-Jahre-Baus. In der Chefetage im fünften Stock ist es ruhiger. Vorstandschef Niklas Östberg hat ein ganz klassisches Büro – ungewöhnlich bei einem Unternehmen, das sich zur Web-Economy zählt.

Herr Östberg, Ihre Aktie hat nach dem Börsengang im vergangenen Juni deutlich zugelegt, Analysten sind optimistisch. Hatten Sie je Zweifel, dass das so glücken würde?
Letztlich zählt nur, dass wir eine gute Arbeit machen, dann folgt der Aktienkurs. Mehr als der aktuelle Kurs interessiert mich, dass die Aktionäre auch in fünf Jahren noch Freude haben. Insgesamt bin ich aber positiv überrascht über das sehr gute Feedback.

Ihr Nachsteuerverlust ist immerhin so groß wie der Umsatz …
Das ist so formuliert etwas irreführend. 2017 gab es viele Sonderfaktoren, zum Beispiel durch den Börsengang und Aktienbeteiligungsprogramme für unsere Mitarbeiter. Was mich positiv stimmt, ist die Qualität unseres Business. Der Umsatz und die Geschwindigkeit unserer Neukundengewinnung sind inzwischen ansehnlich. Auf vielen Märkten sind wir deutlich profitabel, etwa fast im gesamten Nahen Osten und in mehreren europäischen Märkten. Anderswo investieren wir noch – in Asien, aber auch noch in Deutschland. Noch sind es zwar mehr Investment-Märkte als profitable Märkte, doch bis zum Jahresende sollte sich das umkehren.

Der Berliner Onlinekonzern Rocket Internet der Samwer-Brüder hat vor dem Börsengang in Delivery Hero investiert. Zählen Sie sich noch immer zum Rocket-Netzwerk?
Kaum noch. Als börsennotiertes Unternehmen müssen wir ja sowieso alle Aktionäre gleichbehandeln. Rocket hatte auch zu keinem Zeitpunkt einen Aufsichtsratssitz bei uns. Wenn ich die Rocket-Leute von Zeit zu Zeit treffe, sprechen wir über Internet-Trends oder Talente auf dem Arbeitsmarkt – sehr allgemeine Themen.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Rocket gemacht?
Wir haben gute Erfahrung gemacht. Wir waren ja keine Rocket-Gründung, sondern eine Finanzbeteiligung, und da konnten wir ihr Netzwerk nutzen und gleichzeitig sehr eigenständig arbeiten. Ich denke, das Rocket-Modell hat sich auch über die Zeit in eine neue Richtung entwickelt. Rocket handelt heute mehr wie ein Risikokapitalgeber als wie ein Company-Builder.

Bleibt Rocket beteiligt?
Sie halten nur noch acht Prozent. Sie wären jederzeit in der Lage zu verkaufen, weil es eine hohe Nachfrage nach unseren Aktien gibt. Ob sie das wollen, weiß ich nicht.

Sie wollen 2018 einen positiven bereinigten operativen Gewinn vor Abschreibungen, dem Ebitda, schaffen, 2019 auch unbereinigt. Welche Maßnahmen ergreifen Sie dafür?
2018 wollen wir dieses Ziel gegen Ende des Jahres erreichen, 2019 dann für das Gesamtjahr. Unser Fokus ist derzeit nicht der Gewinn, weil wir ja wissen, dass es prinzipiell ein hochprofitables Geschäft ist. Wir geraten unausweichlich in die Gewinnzone, weil der Umsatz stark wächst. Wir müssen also weder die Preise anheben noch beim Marketing oder den Investitionen sparen. Der Umsatz wächst einfach stärker als die Kosten.

Wieso das? Brauchen Sie nicht mehr Fahrer für mehr Bestellungen?
Ja, doch. Wir haben aber auch fast 1.000 Entwickler und ein großes Vertriebsteam. Das sind hohe Fixkosten. 291 Millionen Bestellungen hatten wir letztes Jahr, wenn da mehr als 100 Millionen in diesem Jahr dazukommen, steigt die Profitabilität deutlich. Jede Bestellung bringt uns je nach Markt ein bis drei Euro Deckungsbeitrag. Die Margen bei einer einzigen Bestellung mögen gering sein, aber wenn man durchschnittlich mehr als eine Million Bestellungen am Tag verarbeitet, dann kommt der Gewinn von ganz allein.

Rechnen Sie zudem mit einer weiteren Konsolidierung des Marktes?
Das ist nicht Teil unserer Planungen. Sollte es dazu kommen, wäre das gut – aber es geht auch ohne.

Ist das Liefergeschäft denn kein Winner-takes-it-all-Markt, bei dem nur ein großer Spieler übrig bleibt?
Sicherlich ist es in dem Liefergeschäft wichtig, eine gewisse Größe zu haben und auch für Kunden einfacher, wenn sie alle ihre Lieblings-Restaurants in einer App finden. Unser größer Konkurrent in den meisten Märkten ist ohnehin noch die viel umständlichere Bestellung am Telefon.

Das bedeutet nicht, dass Sie alle aufkaufen müssen, es könnten auch andere einfach aufgeben, richtig?
Richtig.

Könnten Sie denn übernommen worden?
Darüber spekulieren wir nicht. Ich sehe uns aber in einer sehr starken Position, also nicht als Übernahmeziel.

In Deutschland gab es in den Fußgängerzonen Werbeschlachten zwischen den Promotion-Teams von Foodora und Deliveroo. Davon sieht man kaum noch was. Spart die Branche inzwischen am Marketing?
Nein. Anfangs muss man um Aufmerksamkeit kämpfen, um sich bekannt zu machen. Dabei hilft Straßenpromotion. Inzwischen sieht man unsere Fahrer überall auf der Straße – das reicht dort als Werbung. Wir geben immer noch das Geld aus – aber für Kanäle wie Onlinewerbung.

Wird es Änderungen im Business-Modell geben für mehr Wachstum?
Es gibt interessante Ansätze, um das Ökosystem rund ums Essen zu verbessern. Unsere Kunden wollen ihre Lieferung schnell, bezahlbar und mit gutem Service. Wenn das heißt, dass wir ein Fahrernetz brauchen, bauen wir es – wie geschehen – aus. Wenn das künftig heißt, dass wir Gastronomen helfen müssen, effizienter zu arbeiten, werden wir das tun.

Wie das?
Restaurants mit Lieferservice müssen nicht in den besten Lagen eröffnen. Sie brauchen auch keine aufwendigen Möbel. Eigentlich müssen sie nicht mal ein Restaurant sein, sondern nur eine Küche. Wir helfen, solche Konzepte umzusetzen, in denen sich Expansion in der Küche, nicht im Restaurant abspielt. Wir identifizieren zudem geografische Lücken: Wenn irgendwo etwa kein Thai-Restaurant existiert, wollen wir sicherstellen, dass dort eines eröffnet.

Geben Sie dafür auch Kredite?
Wir haben bereits Küchen eingerichtet und an Betreiber vermietet. Selbst wollen wir aber nicht kochen. Darin sind andere besser.

Ist das auch eine Lösung dafür, dass einige Restaurants inzwischen überfüllt mit Ihren Fahrern sind?
Ja, zusätzliche externe Küchen von erfolgreichen Restaurants könnten dabei helfen.

Haben Sie Pläne, auch Lebensmittel vom Supermarkt zu liefern?
Wir testen das in Lateinamerika. Aus den Erfahrungen wollen wir prüfen, ob sich das auch anderswo lohnt. In Deutschland gibt es aber aktuell nur eine geringe Bereitschaft, für diese Art von Bequemlichkeit zu zahlen.

Viele Unternehmen klagen über Arbeitskräftemangel nach dem langen Aufschwung. Finden Sie überhaupt genügend Fahrer?
Das ist kein großes Problem, solange wir gute Bedingungen und Bezahlung bieten. Viele Studenten etwa sehen uns als sehr flexiblen Nebenjob. In unserer letzten Umfrage kamen wir auf 83 Prozent Zufriedenheit – das ist sogar ein höherer Wert als beim Rest unserer Belegschaft.

Wie wird dieser Job in der mittleren Frist aussehen? Bleibt das ein Nebenjob, oder werden daraus richtige Arbeitsplätze?
Aktuell machen nur rund acht Prozent unserer Fahrer den Job in Vollzeit. Studenten und andere Nebenjobber werden wohl weiter den Großteil ausmachen.

Sehen Sie sich als Treiber eines neuen Niedriglohnsektors?
Nein. Wir helfen Menschen, etwas dazuzuverdienen und sich dabei wertgeschätzt zu fühlen. Ich merke aber auch, dass wir weltweit ein Problem mit zunehmender Ungleichheit haben. Dafür gibt es keine simple Lösung, das Problem muss aber auf politischer Ebene angegangen werden – vielleicht mit einem bedingungslosen Grundeinkommen.

Würde Ihnen so etwas entgegenkommen? Bislang können Arbeitslosengeldempfänger nur wenig in einem Nebenjob dazuverdienen, ohne ihre Ansprüche an staatliche Leistungen zu verlieren. Das wäre ja bei einem Grundeinkommen anders.
Ich denke, die meisten Leute arbeiten lieber, als Hartz IV zu beantragen, selbst wenn sie am Ende das Gleiche in der Tasche hätten. Lieferkurier muss nicht unbedingt ein schlecht bezahlter Job sein – das Lohnniveau hängt natürlich auch von der Zahlungsbereitschaft der Endkunden und den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen ab. Zur Veranschaulichung: In Schweden hat der Selbstversuch eines Journalisten für Furore gesorgt. Er hat bei uns im Schnitt 15 Euro pro Stunde verdient, bei einem unserer Konkurrenten aber nur vier Euro. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Modellen in der Branche – von einer Art Scheinselbständigkeit bis zur Festanstellung. Wir wollen klare Verhältnisse. In Deutschland sind alle unsere Fahrer fest angestellt mit Sozialversicherung, die meisten auf Minijob-Basis. Wenn wir mit Wettbewerbern mithalten wollen, die schlechtere Arbeitsverhältnisse anbieten, müssen wir eben effizienter sein.

Welche Rolle spielt es für Sie, dass Sie ein globales Unternehmen mit Sitz in Deutschland sind?
Es ist für uns sehr wichtig, global aufgestellt zu sein. In der heutigen digitalen Welt hätten wir sonst keine Chance gegen Weltkonzerne wie Google und Amazon. Europäisch zu sein ist sicherlich härter, denn wir sind stärkerer Regulierung ausgesetzt. Andererseits: Die europäische Gesetzgebung geht meist vorweg, der Rest der Welt folgt, etwa bei Datenschutz- und Arbeitsregeln. Wir müssen uns also frühzeitig vorbereiten und liegen dann vor unseren amerikanischen Konkurrenten.

Sie liefern nicht nur selbst, sondern vermitteln über Plattformen auch Kunden an bestehende Lieferdienste. Wie wird die Branche in fünf Jahren aussehen?
Die Kunden wollen schnelle Lieferung, am besten live verfolgbar, gern mit Kundenrezensionen. Das können wir besser als viele Gastronomen, daher wird unser Liefergeschäft weiter an Bedeutung gewinnen. Interessanter wird, was in fünf bis zehn Jahren passiert, wenn automatische Lieferung etwa mit Robotern möglich ist. Es wird fast unmöglich sein für kleine Gastronomen, das selbst zu machen. Wir werden also ein noch wichtigerer Partner für familiengeführte Restaurants, um sich gegen Anbieter wie Domino’s zu behaupten.

Müssen auch noch Kochboxen Teil Ihres Geschäfts werden?
Kochboxen wären nicht das erste oder zweite Expansionsfeld, an das wir denken. Klar ist aber: Viele große Unternehmen nutzen ihre Fähigkeiten, um neue Felder zu erschließen – Google, Amazon, Facebook, Alibaba … Die Frage ist: Können wir uns auf Dauer auf ein Feld beschränken, oder müssen wir in andere Bereiche expandieren, um unsere Position gegenüber größeren Spielern zu stärken?

Wird Amazon Ihr gefährlichster Gegner?
Durchaus möglich.

Herr Östberg, vielen Dank für das Interview.

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