CEO Rick Goings: „Tupperware darf sich nicht im Wohnzimmer verstecken“
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CEO Rick Goings„Tupperware darf sich nicht im Wohnzimmer verstecken“
Rick Goings ist seit 1997 Tupperware-Chef. Im Interview erklärt er, warum der Partyvertrieb-Pionier nun weltweit eigene Studios aufbaut, welche Rolle der Online-Verkauf spielt und wie er Frauen zu Unternehmerinnen macht.
„Tupperware darf sich nicht im Wohnzimmer verstecken”
(Foto: Pressefoto)
BarcelonaGanz in Schwarz mit Rolli und Anzug empfängt Rick Goings im 41. Stock eines Luxushotels in Barcelona zum Interview. Dem Vorstandschef von Tupperware, Typ George Clooney, sieht man seine 70 Jahre nicht an. Auch Goings liebt die Bühne. Eben noch hat er seine 250 besten Vertriebskräfte aus aller Welt eingeschworen, noch mehr Partymanager anzuwerben. Die braucht Tupperware dringend, denn die Umsätze des Pioniers im Direktvertrieb waren zuletzt rückläufig.
Herr Goings, vor 65 Jahren waren die Plastikschüsseln mit Verschluss von Tupperware revolutionär. Ähnliche Schüsseln gibt es längst in jedem Ein-Euro-Shop. Was ist denn an Tupperware heute noch Besonderes? Unsere Behälter sind wasser- und luftdicht verschließbar – das war damals bahnbrechend. Nicht von ungefähr nimmt die Raumstation ISS Tupperware mit ins All. Wir stellen immer noch Behälter zur Aufbewahrung von Essen her. Aber das ist nur noch ein Drittel unserer inzwischen 500 Produkte. Als ich vor 22 Jahren zu Tupperware kam, machten solche Behälter noch 95 Prozent des Sortiments aus.
Wie kam es zu dem Strategiewechsel? Vom preußischen Militärstrategen Carl von Clausewitz habe ich gelernt: Wenn man an Höhe gewinnt, gewinnt man 50 Prozent Überlegenheit. Alle Burgen stehen auf Hügeln, weil sich von oben Pfeile auf die Angreifer abschießen lassen. Unten sitzen die Billig-Anbieter. Mit denen versuchen wir gar nicht erst, uns zu messen. Dass Mercedes damals die 190er-Reihe eingeführt hat, hielt ich für einen großen Fehler. Das ist ja Volkswagen-Niveau. Wenn Sie günstige Essensbehälter wollen, kaufen Sie kein Tupperware! Unsere Bestseller liegen heute in der Preisklasse von 50 bis 100 Euro.
Das ist viel Geld. Tupperware ist zwar bekannt für lange Haltbarkeit, aber irgendwann sind auch die Küchenschränke voll. Ist der Markt nicht übersättigt? 90 Prozent der deutschen Haushalte besitzen Tupperware. Die Sachen werden nicht weggeworfen, sondern an Verwandte verschenkt, wenn jemand Platz für Neues braucht. Ein Viertel des Umsatzes machen wir mit Produkten, die jünger als zwei Jahre alt sind. Eine gut gefüllte Innovationspipeline ist für uns das A und O.
Rick Goings
Der 70-jährige Rick Goings ist seit 1997 Chairman und Vorstandschef von Tupperware. Seine Karriere hat er im Direktvertrieb gemacht. Erst gründete er eine Firma, die Feuermelder an der Haustür verkaufte. Als Manager des Kosmetikkonzerns Avon leitet er auch zwei Jahre das Deutschlandgeschäft. 1992 wechselte er zu Tupperware. Goings engagiert sich beim Weltwirtschaftsforum für die Förderung der Frauen.
Tupperware wurde vom Chemiker Earl Tupper gegründet. 1946 brachte er Kunststoffbehälter mit Verschluss auf den Markt, in denen sich Essen länger frisch hielt. Doch im Einzelhandel waren sie Ladenhüter. Erst mit dem Vertrieb über Verkaufspartys ab 1951 kam der Durchbruch. Alle 1,2 Sekunden beginnt auf der Welt eine „Tupperparty“. Mehr als drei Millionen freie Vertriebsmitarbeiter – überwiegend Frauen – arbeiten weltweit für Tupperware, das neben Küchenutensilien auch sechs Kosmetikmarken vertreibt. Das börsennotierte Unternehmen mit Sitz in Orlando/Florida erwirtschaftete zuletzt 2,28 Milliarden Dollar. Schwellenländer trugen Zweidrittel zum Umsatz bei.
Was kommt denn noch Neues? Demnächst bringen wir eine Form aus Silikon und Metall auf den Markt, mit der man in der Mikrowelle grillen kann. Ich kann Ihnen ein Steak in vier Minuten grillen. Aber das müssen die Kunden vorgeführt bekommen. Keiner kauft solch ein Produkt für mehr als 200 Euro, wenn er es im Kaufhaus sieht. Deshalb ist unser Vertriebskanal, die Tupperparty, so wichtig. Auf einer einzigen Party verkaufen wir so viele Produkte, wie ein Laden in einer Woche verkaufen würde.
Earl Tuppers Plastikschüsseln waren anfangs absolute Ladenhüter. Ab 1951 verkaufte er sie nur noch auf Partys im Wohnzimmer. Das war der Durchbruch. Aber sind solche Verkaufspartys in Zeiten des Internets noch zeitgemäß? Alle 1,2 Sekunden beginnt irgendwo auf der Welt eine Tupperparty. Das spricht für sich. Gerade in Zeiten des anonymen Shoppings im Internet kaufen die Menschen am liebsten das, was ihnen Freunde persönlich empfehlen. Facebook macht auch nirgendwo Werbung für sich. Das ist alles Mund-zu-Mund-Propaganda.
Jeder will heute schnell und bequem einkaufen. Warum eine zweistündige Verkaufsparty besuchen? Keine Frau wacht morgens auf und denkt: Heute brauche ich Neues von Tupperware! Sie will auf der Party einfach Spaß mit Freundinnen haben.
Läuft die Tupperparty noch so bieder ab wie in den 50er-Jahren mit Schnittchen und Spielchen? Keineswegs. Früher waren das Partys für die Hausfrau vom Dorfe. Heute richten sie sich eher an die moderne Frau. Da gibt es Motto-Partys: zusammen Tex-Mex oder Pasta kochen. In Paris bieten wir ein „Girls‘ Night Out“-Party. Da können sechs junge Großstadtfrauen Spaß haben. In Frankreich ist Tupperware übrigens auch der größte Verkäufer von Kochbüchern.
Müssen Sie nicht mit der Zeit gehen und Tupperware auch online anbieten? Einen Online-Shop haben wir nur in den USA. Darüber machen wir aber nur vier Prozent unserer Umsätze im Land. Das hat mich wirklich verblüfft. Online ist eine Ergänzung, aber kein Ersatz für unser Partygeschäft, dessen Erfolg ja auf persönlichen Beziehungen beruht. Unsere Partymanager betreiben natürlich alle Webseiten, auf denen sie sich mit Kunden über Rezepte austauschen.