Container-Seefahrt „Keine Entspannung im Seetransport vor Februar“ – Hapag-Lloyd-Chef warnt vor weiteren Engpässen

Die Reedereien klagen über massive Staus in den Häfen, erwirtschaften aber wieder erhebliche Gewinne.
Düsseldorf Für Deutschlands Importeure hat Hapag-Lloyd-Chef Rolf Habben Jansen eine schlechte Nachricht. „Bis zum chinesischen Neujahresfest Anfang Februar wird es beim Seetransport keine Entspannung geben“, sagte er am Donnerstagmorgen in einem virtuellen Pressegespräch. Danach werde sich die Situation zwar wieder verbessern, zu einer Normalität werde man aber auch im gesamten Jahr 2022 nicht zurückkehren.
Noch immer stauen sich 112 Containerfrachter vor den Häfen der USA, wie der beim Schweizer Speditionskonzern Kühne + Nagel fürs Seefrachtgeschäft verantwortliche Vorstand Otto Schacht berichtet. Dies bringe den Takt weiterhin deutlich durcheinander. „Die Situation wird erst besser“, fürchtet er, „wenn sich die Lage vor den Häfen in Seattle, Los Angeles und Savannah entspannt.“
Doch danach sieht es vorerst nicht aus. Die seit Oktober anlaufende Streikwelle in den USA könnte in den kommenden Wochen auch viele Häfen erreichen, fürchten Logistikexperten. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den US-Ports gilt als außerordentlich hoch. Habben Jansen verweist zudem auf die üblichen Winterstürme auf See, die auch dieses Jahr wieder zu Verzögerungen führen könnten.
Deutschlands Einzelhändler sorgen sich deshalb um ihr Weihnachtsgeschäft. Aufgrund der anhaltenden Lieferprobleme rechnen sie im Schnitt mit Umsatzeinbußen von 5,3 Prozent, wie der Beschaffungsspezialist Coupa in einer Umfrage ermittelte.
Schuld an der Misere sind Unregelmäßigkeiten im Seetransport, die größtenteils von der Coronapandemie ausgelöst wurden. So stellten die chinesischen Exporteure Anfang 2020 zunächst ihre Lieferungen ein, um das Infektionsgeschehen in den Griff zu bekommen. Danach erhöhten sie ihre Kapazitäten wieder massiv, was zu einer ersten Überlastung der Häfen führte.
Ende März 2021 verursachte die sechstägige Sperrung des Suezkanals nach einer Havarie einen ähnlichen Effekt, wenige Wochen später schlossen nacheinander die chinesischen Megahäfen Yantian und Ningbo wegen Ausbrüchen von Corona. Gleichzeitig wurden Seecontainer knapp, weil zeitweise weltweit mehr als 350 Schiffe auf Abfertigung vor den Häfen warteten. Die Frachtraten gingen durch die Decke – und haben sich bis heute kaum erholt.
Container-Engpass inzwischen behoben
Den Engpass an den Stahlboxen haben die Reeder inzwischen wieder in den Griff bekommen. Allein Hapag-Lloyd orderte mehr als 600.000 neue Container. Auch die Staus in der Deutschen Bucht haben sich aufgelöst, wie Angela Titzrath, Vorstandschefin des Hamburger Terminalbetreibers HHLA, am Dienstag berichtete.
Doch die Verspätungen bleiben. Nur noch 30 Prozent aller Frachter erreichen die Häfen derzeit pünktlich, wie ein Report von Sea-Intelligence ermittelte. Anfang 2020 waren es noch mehr als 60 Prozent.
Grund dafür sind laut Habben Jansen fehlende Arbeitskräfte in den Häfen und die ins Stocken geratene Abfertigung der Schiffe, bedingt auch durch den schleppenden Abtransport von Containern ins Hinterland.
Banken steigen wieder in die Seefahrt ein
Die überlangen Wartezeiten wiederum senken die Effizienz der eingesetzten Schiffe. „Wo für einen Fahrtendienst früher zwölf Schiffe ausreichten, brauchen wir heute 15“, klagt der Reedereichef. Doch deshalb mehr Containerfrachter einzusetzen helfe nicht, glaubt er. „Dann stehen einfach nur mehr Schiffe in der Schlange.“
Die unzureichenden Transportkapazitäten lassen sich die Schiffsbetreiber teuer bezahlen, wie eine am Donnerstag vorgelegte Reedereistudie von PwC zeigt. „Es gibt deutlich weniger Liquiditätsengpässe als im letzten Jahr“, schreiben die beiden Studienleiter André Wortmann und Burkhard Sommer.
Gleichzeitig ist die Stimmung unter den Reedern ausgelassen. „68 Prozent glauben heute wieder an Wachstum, und 75 Prozent der Reedereien gehen aktuell wieder von einem steigenden globalen Ladungsaufkommen aus“, erklärt man bei PwC.
Überraschend steigen nach Beobachtungen der Wirtschaftsprüfungsfirma auch wieder Banken und andere Geldgeber in die Schiffsfinanzierung ein, die sich nach einer massiven Pleitewelle vor wenigen Jahren aus dem Sektor teilweise komplett zurückgezogen hatten.
Das neu geweckte Interesse verwundert kaum. Allein im zweiten Quartal 2021, rechnete die maritime Beratungsfirma Drewry vor, verdiente die Branche vor Zinsen und Steuern global 39,2 Milliarden Dollar – und damit das Elffache des Vorjahresquartals. 150 Milliarden Dollar könnten somit im Gesamtjahr zusammenkommen. „Noch nie in der 13-jährigen Geschichte der PwC-Reederstudie“, schreiben deren Verfasser Wortmann und Sommer, „hat es einen derart starken Stimmungsumschwung innerhalb eines Jahres gegeben.“
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