Corona: Handel legt Sieben-Punkte-Konzept für sichere Öffnung vor
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Corona-PandemieHandel legt Sieben-Punkte-Konzept für sichere Öffnung vor
Führende Unternehmer fordern ein Ende des Lockdowns und legen ein Konzept vor. Bundeswirtschaftsminister Altmaier will eigene Vorschläge präsentieren.
Düsseldorf Wenige Tage vor dem nächsten Bund-Länder-Gipfel, auf dem über mögliche Lockerungen des Lockdowns entschieden werden soll, richten führende Handelsunternehmen einen eindringlichen Appell an die Politik. „Es ist ein Armutszeugnis, dass die einzige große Antwort auf die Pandemie bisher der Lockdown ist“, sagt Heinrich Deichmann im Interview mit dem Handelsblatt. „Das wird Deutschland nicht gerecht, auch technologisch nicht.“ Der Verwaltungsratschef von Europas größtem Schuheinzelhändler fordert: „Der Handel muss am 8. März wieder öffnen.“
Wie eine solche Öffnung aussehen kann, haben die Handelsunternehmen in einem Sieben-Punkte-Konzept zusammengefasst, mit dem eine sichere Öffnung möglich sein soll. Das Konzept, das dem Handelsblatt vorliegt, sieht unter anderem umfangreiche Hygienemaßnahmen vor und Kontaktnachverfolgung mittels einer App.
Sieben-Punkte-Plan des Handels
Der Handel schlägt in seinem Konzept vor, die Kundenzahl pro Quadratmeter zu begrenzen. Diese Beschränkung soll durch Zugangskontrollen und bei Bedarf die Verweigerung des Eintritts streng kontrolliert werden.
Die Händler verpflichten sich, Desinfektionsmittel bereitzustellen und die Flächen immer wieder zu reinigen. An den Kassen wird wie im Lebensmittelhandel ein Spuckschutz installiert. Außerdem sollen die Geschäftsräume regelmäßig gelüftet werden.
Gut erkennbare Kundenleitsysteme im Eingangs- und Kassenbereich sollen die Besucher lenken, um Begegnungen und Engstellen zu vermeiden. Außerdem verpflichten sich die Unternehmen, die Wahrung der Abstände zu kontrollieren.
Selbstverständlich ist die unbedingte Verpflichtung zum Tragen von Masken, sowohl bei Mitarbeitern als bei Kunden. Um das zu unterstützen, sollen auch Masken für Kunden bereitgestellt werden. Als wichtiges Element sehen die Händler auch, das kontaktlose Zahlen weiter zu forcieren.
Wichtig ist, dass es keine gemeinsamen Pausen der Mitarbeiter gibt und Schichten streng getrennt werden. Die meisten Händler erfassen jetzt schon alle Neuinfektionen, verfolgen die Kontakte systematisch nach. Das soll Standard werden.
Um all diese Maßnahmen verlässlich durchsetzen zu können, kommt es sehr stark auf die Mitarbeiter an. Deshalb soll das Personal entsprechend geschult werden. Außerdem werden alle Maßnahmen transparent an die Kunden kommuniziert, um Vertrauen und Aufmerksamkeit zu schaffen.
All diese Maßnahmen nützen nichts, wenn die Händler nicht bereit sind, im Zweifel auf Umsatz zu verzichten, wenn Kunden sich nicht an die Regeln halten wollen. Deshalb verpflichten sich die Unternehmen, streng zu kontrollieren und Kunden bei Verstößen auch aus den Läden zu verweisen.
Alexander Otto, Chef des größten Shoppingcenterbetreibers ECE und einer der Initiatoren der Initiative, warnt vor einem „Totalschaden“ für die Branche. Jeder weitere Tag koste Millionen, da bereits gekaufte Ware abgeschrieben werden müsse, sagte er dem Handelsblatt.
Seit Mitte Dezember ist ein großer Teil des stationären Einzelhandels geschlossen, die Gastronomie kann schon seit November nur noch Liefer- und Abholservice anbieten. Hatten anfangs viele Unternehmer angesichts hoher Infektionszahlen noch Verständnis für die staatlichen Maßnahmen, verlieren sie jetzt zunehmend die Geduld. Ihnen fehlt eine klare Ansage, wann und wie sie wieder öffnen dürfen.
Aus Sicht von Patrick Zahn ist es höchste Zeit, dem Handel eine Perspektive zu bieten. „Es ist für die Unternehmen überlebenswichtig, in Abstimmung mit der Regierung nun konkrete Schritte für eine langsame Lockerung zu entwickeln“, mahnt der Chef des Textildiscounters Kik aus dem nordrhein-westfälischen Bönen. Zahn koordiniert die Bemühungen großer Händler aus Nordrhein-Westfalen, einen zeitnahen Weg aus dem Lockdown zu finden.
Am vergangenen Mittwoch hatten elf Chefs von Handelsunternehmen, darunter nicht nur Modefirmen wie Kik, sondern auch Möbelhändler wie Poco und Roller sowie der Buchhändler Thalia mit NRW-Ministerpräsident Armin Laschet in einer Videoschalte diskutiert, unter welchen Bedingungen wieder Kunden in die Geschäfte gelassen werden können. Auch in zahlreichen anderen Bundesländern hatten Unternehmen, unterstützt von Handelsverbänden, ihre jeweiligen Landesregierungen zum Handeln gedrängt.
RKI stuft Infektionsrisiko in Läden als niedrig ein
Nun wollen führende Händler mit einer bundesweiten konzertierten Aktion unter dem Namen „Das Leben gehört ins Zentrum“ den Druck weiter erhöhen. Die Selbstverpflichtung des Handels in einem Sieben-Punkte-Konzept sieht einheitliche Zugangsbeschränkungen für die Läden vor, Abstandsregelungen, Hygienemaßnahmen und strikte Kontrollen, ob alle Regeln eingehalten werden. Damit ein sicherer Betrieb gewährleistet werden kann, wollen die Unternehmer außerdem ihre Mitarbeiter entsprechend schulen. Diskutiert wird auch der Einsatz einer gemeinsamen App, um Kontakte nachvollziehen zu können.
„Nachweislich ist die Ansteckungsgefahr im Handel geringer als im Dienstleistungssektor oder in Schulen“, sagt ECE-Chef Alexander Otto. „Mehrere Studien haben gezeigt, dass der Handel kein Infektionstreiber ist.“ Auch im jüngsten Stufenkonzept des Robert Koch-Instituts war das Infektionsrisiko im Einzelhandel als „niedrig“ eingestuft worden.
„40 von 50 Millionen Kundenkontakten entfallen auf den geöffneten Lebensmittelhandel“, sagt Michael Busch, geschäftsführender Gesellschafter der Buchhandelskette Thalia. Die Infektionsrate von Beschäftigten dort liege unter dem Durchschnitt der Bevölkerung. „In dem Maße, in dem mehr und mehr Instrumente zur Verbesserung des Gesundheitsschutzes zur Verfügung stehen, sinkt die Rechtfertigung einer weiteren Verlängerung des Lockdowns“, mahnt er.
Die Händlerinitiative setzt sich im engen Kern derzeit aus 34 mittleren und großen Unternehmen zusammen, unterstützt von vielen weiteren, die sich aktiv an den Maßnahmen beteiligen. Teil der Gruppe ist auch der Verbund Katag, der 350 Modehändler mit zusammen 1600 Standorten vertritt.
Einige CEOs hatten sich Anfang Januar zusammengetan, um die Politik auf die aus ihrer Sicht unzureichenden Fördermaßnahmen für den Einzelhandel hinzuweisen. Dazu gab es auch einen Termin mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Damals ging man noch davon aus, dass der Handel bald wieder öffnen könne. Doch als es nach der bisher letzten Ministerpräsidentenkonferenz am 10. Februar immer noch kein klares Öffnungsszenario gab, beschlossen sie, in die Offensive zu gehen.
„Wir erwarten von der Politik ein Konzept, wie wir mit Corona leben können: massenhafte Schnelltest, schnelles Impfen und Anerkennung unserer Hygienekonzepte“, fordert Claus-Dietrich Lahrs, Chef des Modehändlers S. Oliver. Es müsse wieder eine Balance zwischen Gesundheitsschutz und Wirtschaftsinteressen hergestellt werden, die es aktuell nicht gebe. „Dabei dürfen wir nicht unterschätzen, wie wichtig eine kraftvolle Wirtschaft auch für unser Gesellschaftsgefüge ist“, warnt Lahrs.
Denn die Folgen des Lockdowns gehen weit über den Handel hinaus. Auch die Messebranche pocht auf einen baldigen Neustart. „Wie vor zehn Monaten sollte mit der Öffnung des Einzelhandels auch die Durchführung von Messen wieder grundsätzlich zugelassen werden, denn in beiden Branchen gibt es sehr ähnliche Geschäftsabläufe und räumliche Strukturen“, sagt Philip Harting, Vorsitzender des Verbands der deutschen Messewirtschaft Auma. „Die Unternehmen brauchen dringend ihre Branchenplattformen“, so Harting.
Thalia-Chef Busch erwartet von der Politik einen umfassenden Neustart. „Wir brauchen ein Öffnungskonzept, das für alle gilt: Gastronomie, Hotellerie, Kultur, Sport und Handel“, fordert er.
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