Corona-Shutdown Richter kippen erstmals 800-Quadratmeter-Regel für Ladenschließungen

Sportscheck-Filiale auf der Einkaufsmeile Mönckebergstraße.
Hamburg Sportscheck ist in Hamburg vor Gericht erfolgreich mit einem Eilantrag gegen die im Zuge der Corona-Maßnahmen verfügte Schließung seiner rund 4000 Quadratmeter großen Filiale auf der Einkaufsmeile Mönckebergstraße vorgegangen. Damit haben Richter erstmals die angeordneten Ladenschließungen gekippt.
Bislang dürfen in Hamburg wie in den meisten anderen Bundesländern Läden mit einer maximalen Verkaufsfläche von 800 Quadratmetern öffnen. Größere Geschäfte müssen teilweise gesperrt werden.
Das Verwaltungsgericht Hamburg sieht offenbar wenig Sinn in dieser Anordnung, auf die sich Bund und Länder zum Schutz vor dem Coronavirus geeinigt haben. Damit gerät eine zentrale, aber von Händlern viel kritisierte Einschränkung ins Wanken. Der Senat hat aber bereits Beschwerde gegen die Entscheidung beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht eingereicht. Das entschied am Mittwochabend, dass die Ladenfläche bei Sportscheck vorerst auf 800 Quadratmeter reduziert bleiben muss. In der kommenden Woche soll dazu eine weitere Entscheidung fallen.
Der Infektionsschutz lasse „sich in großflächigen Handelsgeschäften ebenso gut wie oder sogar besser als in kleineren Einrichtungen einhalten“, teilte zuvor das Verwaltungsgericht mit. Daher sei die Gewerbefreiheit mit dem Bund-Länder-Kompromiss unzulässig eingeschränkt worden, heißt es in dem Beschluss vom Mittwoch (Az. 3E1675/20).
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Bislang war die Regel unter anderem von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auch damit begründet worden, dass dadurch zu viel Ansturm auf die Einkaufsmeilen insgesamt verhindert werden soll.
Das Gericht weist diese Einschätzung zurück: Es sei nicht ausreichend belegt, dass größere Läden zu mehr Gefahren führten. Allein schon durch die nun genehmigten zusätzlichen Öffnungen von Läden in der Innenstadt werde es zu mehr Kontakten auf der Straße und in Verkehrsmitteln kommen.
Das sei eine zusätzliche Gefährdung, die die Behörden wissentlich in Kauf nehmen würden. Zudem könne Infektionsschutz etwa über zusätzliche Abstandskontrollen und Mundschutz erreicht werden statt über die Einschränkung von Rechten.
Die Richter urteilten, es sei nicht ersichtlich, warum in dieser Situation ausgerechnet die Größenbeschränkung beibehalten werden sollte. „Die befürchtete Infektionsgefahr, die von Menschen ausgeht, die sich im öffentlichen Raum bewegen und dort aufhalten, entsteht im gleichen Maß, wenn die Anziehungskraft von attraktiven und nah beieinanderliegenden ‚kleinen‘ Verkaufsstellen des Einzelhandels ausgeht, wie sie für die Hamburger Innenstadt ebenfalls prägend sind“, heißt es in der Entscheidung.
Eine messbare Erhöhung dieser Gefahren durch die zusätzliche Öffnung von großflächigen Einzelhandelsbetrieben sei nicht erkennbar. Die Richter meinen, dass für die Attraktivität eines Ladens das Sortiment ausschlagegebender als die Größe sei. So seien etwa Möbel- und Autohäuser auf große Flächen angewiesen, ohne unbedingt viele Kunden anzuziehen.
Die Richter gehen davon aus, dass im Hauptsacheverfahren die Corona-Verordnung „mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit“ gekippt wird, der Schaden dann aber nicht wieder gutzumachen ist. Ein Termin für das Hauptsacheverfahren steht noch aus.
Sportscheck darf noch nicht komplett öffnen
Die Hansestadt Hamburg hat allerdings gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Beschwerde bei der nächsten Instanz, dem Oberverwaltungsgericht, erhoben und beantragt, dass die umstrittene Regelung bis zur Entscheidung in Kraft bleibt. Die Oberverwaltungsrichter entschieden daher am Mittwochabend in einer Zwischenverfügung, dass Sportscheck bis zur Klärung seine Hamburger Filiale auf der Einkaufsmeile Mönckebergstraße noch nicht wieder komplett öffnen darf. Sie entscheiden voraussichtlich in der kommenden Woche über die Beschwerde der Stadt. In jedem Fall gilt der Richterspruch zunächst nur für diese eine Filiale.
Die Otto-Gruppe hat Sportscheck Anfang des Jahres an Galeria Karstadt Kaufhof verkauft. Das Unternehmen klagt in mehreren Ländern gegen die Corona-Verordnungen, die besonders die Warenhäuser treffen.
In Nordrhein-Westfalen hat es zunächst einen Eilantrag zurückgezogen, weil das Land die Regeln geändert hat. Demnach dürfen größere Läden ihre Fläche auf 800 Quadratmeter verkleinern. In Baden-Württemberg hat ein Verwaltungsgericht ebenfalls entschieden, dass größere Läden ihre Fläche verkleinern dürfen. Diese großzügigere Regelung gilt in Hamburg allerdings schon seit Beginn der Lockerungen – und steht nun auf der Kippe.
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