Coronakrise Schweizer Uhrenbranche gerät aus dem Takt

Rolex musste für zehn Tage mit der Produktion aussetzen.
Zürich Die beiden wichtigsten Branchentreffen? Abgesagt. Die Produktion? Auf Sparflamme. Und heiß erwartete neue Modelle? Verschoben aufs nächste Jahr: Das Coronavirus und seine Auswirkungen haben die Schweizer Uhrmacher völlig aus dem Takt gebracht.
Während große Konzerne vergleichsweise gut gewappnet sind, könnte die Krise für kleinere Manufakturen womöglich das Aus bedeuten, fürchten Experten. „Die Schweizer Uhrenindustrie dürfte ihren schlimmsten Rückgang in über 50 Jahren erleben“, warnt Vontobel-Analyst René Weber.
Jahrelang hatte die Branche mit hochpreisigen Modellen auf den chinesischen Markt gesetzt: Dort wuchs mit der boomenden Wirtschaft eine zahlungskräftige Kundschaft heran, die nun schlagartig fehlt. Schon im vergangenen Jahr belasteten die Unruhen in Hongkong das Geschäft, nun sorgt die Coronakrise für massive Einbußen.
Im Februar – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – sanken die Schweizer Uhrenexporte um 13,7 Prozent auf 1,6 Milliarden Franken. Die Verkäufe nach China brachen gar um 50 Prozent ein. Die Aussichten für das Gesamtjahr sind verheerend. Vontobel-Analyst Weber erwartet Exporteinbußen von insgesamt 25 Prozent.
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Die Branche reagiert mit drastischen Sparmaßnahmen. Kurzarbeit gab es schon früher. Doch dass Erfolgsfirmen derzeit ganze Werke schließen, ist neu.
Swatch ist optimistisch
Auch beim größten Uhrenkonzern, der Swatch Group, wurde die Produktion zurückgefahren. Trotzdem übte sich Firmenchef Nick Hayek in Optimismus, als er Mitte März die Jahreszahlen vorstellte – natürlich nur per Videokonferenz. Wo sonst die Journalisten sitzen, hatte die Firma 90 Teddybären drapiert. Man befinde sich in einer „temporären Situation“, erklärte Hayek.
Die Geschäfte in China seien bereits seit einigen Tagen wieder geöffnet. „Die Kunden kommen zurück in die Läden und kaufen unsere Produkte.“
Doch Branchenanalysten teilen die Zuversicht nicht. Denn selbst wenn China schrittweise zur Normalität zurückkehrt, dürften Luxusgüter angesichts der ökonomischen Schwierigkeiten der Volksrepublik zunächst nicht auf den obersten Rängen der Einkaufsliste stehen. Vom europäischen und amerikanischen Markt ganz zu schweigen.
Trotzdem will Swatch-Chef Hayek von einem Jobabbau nichts wissen. „Wir brauchen die Leute, wenn die Erholung in der Uhrenbranche kommt – und die wird kommen“, sagte er. Man wolle die Produktion schnell hochfahren, wenn sich die Lage bessert. Swatch kann sich das Warten leisten: Der Konzern hatte zum Jahreswechsel mehr als eine Milliarde Franken angespart.
Auch der Genfer Luxuskonzern Richemont verfügt über ein üppiges Finanzpolster. Kleinere Spieler geraten dagegen in Bedrängnis. Retten könnten sie allenfalls Hilfsmaßnahmen des Bundes, der ähnlich wie in Deutschland Überbrückungskredite bereitstellt.
Mehr: Der Chef der Schweizer Luxusuhren-Manufaktur im Interview: „Wir alle müssen smarter werden“
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