Dax-Konzern im Bilanzcheck Adidas' kostspielige Aufholjagd

Der Erfolg der Marke hat seinen Preis.
München Die Stadthalle in Fürth hat nichts vom Glamour der internationalen Sportwelt. In dem nüchternen Bau aus den frühen 80er-Jahren tritt kein Lionel Messi auf und auch nicht Thomas Müller. Stattdessen finden hier Dieter Thomas Kuhn und das Fürther Kammerorchester ihre Fans. Für Herbert Hainer ist das Kongresszentrum dennoch so etwas wie eine zweite Heimat geworden. Seit 2001 steht der Adidas-Chef hier Jahr für Jahr Anfang Mai seinen Anteilseignern Rede und Antwort.
Zur Hauptversammlung gibt sich der fränkische Sportkonzern traditionell bodenständig, auch an diesem Donnerstag. Und doch: Das bevorstehende Aktionärstreffen ist etwas ganz Besonderes. Zum letzten Mal steht Hainer als Vorstandsvorsitzender am Rednerpult. Länger als jeder andere amtierende Dax-Chef hat sich der 61-Jährige an der Spitze seines Unternehmens gehalten. Doch im Herbst ist Schluss: Vom 1. Oktober an wird Kasper Rorsted Europas größten Turnschuhproduzenten führen. Der 54-jährige Däne stand bisher in Diensten von Henkel.
Hainer wird sich auf der Hauptversammlung selbst vermutlich ein gutes Zeugnis ausstellen für sein letztes volles Jahr als Adidas-Chef. „Adidas ist glänzend in Form“, unterstrich der Manager bereits im März auf der Bilanz-Pressekonferenz am Firmensitz in Herzogenaurach. Und ergänzte: „Wir stehen wesentlich stärker und besser da als vor zwölf Monaten.“
Das stimmt, liegt aber vor allem am katastrophalen Vorjahr. Insgesamt fällt seine Abschluss-Bilanz zwiespältig aus. Unstrittig positiv ist: Der Umsatz ist vergangenes Jahr kräftig geklettert, und zwar um gut 16 Prozent auf rund 17 Milliarden Euro. Dabei kam Hainer freilich der schwache Euro zu Hilfe. Zu konstanten Wechselkursen wären die Erlöse lediglich um zehn Prozent gestiegen. Doch auch das lässt sich durchaus sehen. So erzielte der wesentlich kleinere Lokalrivale Puma lediglich ein Umsatzplus von 14 Prozent – beziehungsweise sieben Prozent währungsbereinigt.
Ebenso bemerkenswert: Der Gewinn ist um 29 Prozent auf 634 Millionen Euro geklettert. Der Aufwärtstrend ist damit deutlich erkennbar. Von seinen Bestwerten ist Hainer freilich meilenweit entfernt. Zu Beginn des Jahrzehnts verzeichnete die Marke mit den drei Streifen zum Teil deutlich höhere Überschüsse: 2013 kam der Konzern auf 839 Millionen Euro, 2012 auf 791 Millionen.
Angesichts des starken Umsatzwachstums blieb die operative Marge mit 6,5 Prozent nahezu unverändert gegenüber 2014. Hainer hat seine Prognose vom Jahresbeginn damit zwar erfüllt. Doch die Rendite ist trotzdem enttäuschend: Ursprünglich sollte der Wert Ende 2015 elf Prozent erreichen. So hatte es der sportliche Konzernlenker den Investoren bereits 2010 versprochen.
Die Franken schienen auch auf gutem Weg, 2013 lag die operative Marge schon bei fast neun Prozent. Doch 2014 stürzte der Gewinn ab und damit einhergehend auch die Rendite. Das Malheur hatte mehrere Gründe: Das bis dahin so einträgliche Russland-Geschäft war abrupt eingebrochen. Fast zeitgleich kollabierten die Verkäufe der jahrelang höchst erfolgreichen Golf-Sparte.
Beides macht Adidas nach wie vor zu schaffen. Bis heute krebst die Gruppe nun bei gut sechs Prozent Marge herum. Es ist nur wenig Besserung in Sicht: Für das laufende Jahr verspricht Hainer lediglich eine operative Marge von maximal sieben Prozent. Verglichen mit dem Herzogenauracher Nachbarn Puma steht Adidas zwar trotzdem gut da. Die Marke mit dem Raubtierlogo verdient seit Jahren praktisch kein Geld mehr. Ein Blick auf Weltmarktführer Nike hingegen zeigt, dass die Franken noch kräftig zulegen müssen: Das Label mit dem berühmten „Swoosh“-Logo kam zuletzt auf eine doppelt so hohe Marge.
Das kräftige Umsatzplus hat Hainer zulasten der Profitabilität teuer erkauft. Adidas pumpt derzeit sehr viel mehr Geld ins Marketing als früher. Üblicherweise flossen zwischen 12 und 13 Prozent vom Umsatz in die Verkaufsförderung. Für 2015 wären das bis zu 2,2 Milliarden Euro gewesen.
Um den Verkauf anzukurbeln, gab Hainer aber 13,9 Prozent aus. Das entspricht ungefähr 170 Millionen Euro obendrauf. Das Geld kassieren Sportler und Vereine als Sponsoring. Es fließt aber auch in die vielfältigen Aktionen bei den sogenannten sozialen Medien, also auf Facebook, Twitter oder Instagram. Damit will Adidas die Jugend erreichen.
Fast 300 Millionen Euro mehr als im Vorjahr hat Hainer 2015 in Nordamerika ausgegeben, der Heimat der Rivalen Nike und Under Armour. Das ist kein Zufall: Zwischen Los Angeles und New York hat Adidas den größten Nachholbedarf, muss dringend Platz in den Regalen der Sporthändler ergattern. Nirgendwo werden so viele Shirts, Shorts und Turnschuhe verkauft wie in den USA, zudem ist das Land der absolute Trendsetter weltweit. Wer in der Branche vorn mitspielen will, der muss in Amerika punkten.
Noch zahlt sich die Werbe- und Sponsoring-Offensive freilich nicht so recht aus. So sind die Einnahmen in Nordamerika zwar um fast ein Viertel auf knapp 2,8 Milliarden Euro gestiegen. Das lag jedoch größtenteils am starken Dollar. Bei einem konstanten Wechselkurs hätte der Konzern lediglich ein Plus von fünf Prozent verbucht. Dabei verdient das Label in der Region fast kein Geld, die operative Marge lag bei mageren 2,5 Prozent. In Amerika ist Adidas trotzdem nur die Nummer drei in der Gunst der Kunden, obwohl der Konzern weltweit auf Rang zwei steht.
Die Anteilseigner leiden allerdings nicht darunter, dass das Traditionsunternehmen für Werbung momentan so tief in die Kasse greift: Die Dividende steigt dieses Jahr um sieben Prozent auf 1,60 Euro je Aktie. Alles in allem schüttet der Konzern 320 Millionen Euro aus, 14 Millionen mehr als im Vorjahr. Wegen des deutlich höheren Gewinns fällt die Ausschüttungsquote jedoch von 54 Prozent auf 48 Prozent. Damit liegt die Firma wieder in dem selbst gesetzten Korridor, der zwischen 30 und 50 Prozent vorsieht.
Mehr noch als die höhere Dividende dürfte die Aktionäre erfreuen, wie sich der Aktienkurs entwickelt hat. Bereits vergangenes Jahr gehörte Adidas zu den erfolgreichsten Werten im Dax. Seit Jahresbeginn kletterten die Papiere noch einmal um mehr als ein Viertel und notieren jetzt nur wenig unter ihrem Allzeithoch von Ende April. Die guten Zahlen des ersten Quartals und die vollen Auftragsbücher für den Rest des Jahres haben der Aktie einen regelrechten Schub gegeben.
Für Herber Hainer ist es die letzte Hauptversammlung als Vorstandschef, so viel steht fest. Dass er eines Tages als Aufsichtsrat wieder auf die Bühne der Stadthalle Fürth zurückkehrt, das will der Hobbygolfer zumindest nicht ausschließen. Die Aufsichtsratsmandate bei der Lufthansa und dem FC Bayern München werden den Ausdauer-Sportler allein wohl kaum auslasten. Zumal es gut sein kann, dass Nachfolger Kasper Rorsted bald selbst im Kontrollgremium beim Rekordmeister mitmischen möchte.
Allerdings: Der Niederbayer muss sich mindestens zwei Jahre gedulden, so sehen es die Regeln zur guten Unternehmensführung vor – und an die will sich Hainer halten. Womöglich könnte der Firmenlenker 2018 sogar an die Spitze des Aufsichtsgremiums vorrücken. Schließlich wäre der derzeitige Chefkontrolleur Igor Landau dann 73 Jahre alt. Ein guter Zeitpunkt, um in Pension zu gehen.