Die britische Wirtschaft muss sich nach dem Brexit-Votum auf schlechtere Geschäfte einstellen. Im schlimmsten Fall würde durch den EU-Abschied der Freihandel gestoppt, Regeln für den Binnenmarkt wegfallen und Zollschranken errichtet. Die folgenden Konsequenzen erwarten Experten für die britische Wirtschaft.
Finanzminister George Osbourne befürchtet eine „hausgemachte Rezession“: Binnen zweier Jahre könnte die Wirtschaftsleistung um bis zu sechs Prozent niedriger ausfallen als bei einem Verbleib in der EU. Bis 2020 summieren sich die Wachstumsverluste demnach auf bis zu 9,5 Prozent. Die Bank of England befürchtet einen „merklichen Abschwung“ bis hin zu einer Rezession. Auch internationale Organisationen wie die OECD und der IWF rechnen mit spürbaren Einbußen im Vergleich zu einem EU-Verbleib.
Die Arbeitslosenquote liegt derzeit auf dem Zehn-Jahres-Tief von 5,0 Prozent. Die meisten Experten rechnen damit, dass sie nach dem EU-Abschied steigen dürfte. Anhänger des Brexit-Lagers argumentieren hingegen, dass durch den Wegfall von EU-Vorschriften neue Jobs entstehen könnten.
Sie dürften bis 2030 real zwischen 2,2 und 7,0 Prozent niedriger ausfallen als bei einem EU-Verbleib, schätzen Experten des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der britischen Denkfabrik National Institute of Economic and Social Research.
Großbritannien riskiert nach den Worten des französischen Präsidenten Francois Hollande bei einem Brexit seinen Zugang zum EU-Binnenmarkt. US-Präsident Barack Obama betonte, dass sich Großbritannien nach einem Brexit in der Warteschlange für ein bilaterales Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten „hinten anstellen“ muss. Darunter könnten die britischen Exporteure leiden.
Großbritannien konsumiert mehr als es produziert. Mit 5,2 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichte das Defizit in der Leistungsbilanz schon im vergangenen Jahr einen Rekordwert. Um diese Lücke zu schließen, ist das Land auf ausländisches Geld angewiesen. Ob dieses nach dem Brexit noch so zahlreich auf die Insel fließt, halten viele Experten für fraglich. Notenbankchef Mark Carney sagte, ein Brexit könnte „die Freundlichkeit von Fremden“ testen, die das Defizit bislang ausgleichen.
Das britische Pfund verzeichnete nach dem Referendum den heftigsten Kursverlust zum Dollar seit mindestens 40 Jahren. Der Kurs liegt derzeit bei etwa 1,38 Dollar, doch könnte er nach Prognose von Experten wie Starinvestor George Soros bis auf 1,15 Dollar fallen. Ein billiges Pfund macht britische Produkte anderswo billiger, verteuert aber Importe und kann so zu höherer Inflation und sinkender Kaufkraft führen.
Die britische Notenbank rechnet mit einer Zeit der Unsicherheit. Sie steht deshalb zum Eingreifen bereit. Zur Geldversorgung der Finanzwirtschaft könnten zusätzliche 250 Milliarden Pfund abgerufen werden. Wenn notwendig, will die Bank of England auch erhebliche Liquidität in Fremdwährungen bereitstellen. Experten rechnen auch mit Zinssenkungen.
Der Abschied Großbritanniens aus der EU kann der Ratingagentur Moody's zufolge die Kreditwürdigkeit drücken. „Das Ergebnis bedeutet eine längere Zeit der politischen Unsicherheit, die auf der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit des Vereinigten Königreichs lasten wird“, erklärte Moody's. Das wiederum sei negativ für die Bonität. Moodys's bewertet die Kreditwürdigkeit Großbritanniens derzeit eine Note unter der Bestnote AAA. Wird das Rating herabgestuft, kann das höhere Kosten bei der Schuldenaufnahme zur Folge haben.