E-Commerce 3,6 Milliarden Euro für Tierbedarf – Das Pokerspiel um Zooplus bringt die Bieter an ihre Schmerzgrenze

Auch Investoren wollen vom boomenden Geschäft mit der Tiernahrung profitieren.
Düsseldorf, Frankfurt Mitte August dachten die Strategen von Hellman & Friedman (H&F) noch, sie hätten leichtes Spiel beim Online-Tierbedarfshändler Zooplus. Dem Angebot des Private-Equity-Investors über 390 Euro pro Aktie, so das Kalkül, könnten die Anteilseigner nicht widerstehen. Immerhin war das damals ein Aufschlag von 40 Prozent auf den Aktienkurs.
Womit sie nicht gerechnet hatten: Ihr Vorstoß löste einen der erbittertsten Bieterkämpfe in Deutschland seit Jahren aus. Mittlerweile haben sich die Bieter H&F und EQT auf 470 Euro pro Aktie hochgetrieben und damit das Unternehmen mit 3,6 Milliarden Euro bewertet. Und der Markt spekuliert auf mehr: Der aktuelle Kurs liegt bei gut 483 Euro, in der Spitze hatte er schon die Marke von 490 Euro überschritten.
Doch immer deutlicher zeigt sich: So interessiert die Investoren an dem Onlinehändler sind – sie nähern sich ihrer Schmerzgrenze. In Bieterkreisen ist schon von „sportlichen Dimensionen“ die Rede. Ein Insider sagt: „Es ist nicht wahrscheinlich, dass noch große Sprünge kommen.“
In Finanzkreisen heißt es bereits, den Bietern sei der Prozess „entglitten“. Schon bei den aktuellen Geboten werde es extrem schwierig, dass sich die Übernahme mittelfristig rechne. Viel Spielraum sei da nicht mehr.
Erste Anzeichen für Nervosität bei den Kaufinteressenten gab es schon Ende vergangener Woche. Nachdem EQT ein verbessertes Angebot des Konkurrenten mit einem offiziellen Angebot von 470 Euro um zehn Euro nur knapp übertrumpft hatte, erwarteten Analysten, dass H&F noch einmal deutlich nachlegen würde. Doch der US-Investor zog nur gleich.
Aktienkurs von Zooplus liegt weit über Zielen der Analysten
Fakt ist: Die aktuellen Gebote liegen schon weit jenseits dessen, was Analysten Zooplus vorher als Potenzial zugetraut hatten. So hatte Barclays Mitte Mai noch ein Kursziel von 185 Euro ausgerufen. Analyst Christian Salis von Hauck & Aufhäuser hatte als Kursziel ursprünglich 225 Euro genannt und entsprechend schon die erste Offerte von 390 Euro als attraktiv bezeichnet – und zur Annahme geraten. Doch dann stieg der Kurs weiter.
Einig sind sich alle Fachleute, dass Zooplus noch großes Potenzial hat. „Es ist langfristig durchaus realistisch, dass sich der Onlineanteil im Handel mit Tierbedarf von heute rund 15 auf bis zu 50 Prozent erhöht“, prognostiziert Volker Bosse, Handels- und Konsumgüterexperte der Baader Bank.
Der Markt für Tierbedarf wächst jedes Jahr um sechs bis sieben Prozent, vor allem getrieben von den Onlineverkäufen. Aus Sicht von EQT ist Zooplus gut positioniert. Das Unternehmen habe in Europa expandiert und verfüge über eine führende Stellung in den jeweiligen Märkten, heißt es.
Die Entwicklung zeige, welche Wachstumsperspektiven das Unternehmen noch habe, betont auch Analyst Bosse. Er verweist dabei auf US-Unternehmen der Branche. Im Vergleich mit denen scheine „die Aktie von Zooplus auch beim aktuellen Kurs noch nicht überteuert“.
Vorbild ist der US-Anbieter Chewy. Bei einem Umsatz von 7,1 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr liegt seine Marktkapitalisierung aktuell bei mehr als 26 Milliarden Dollar – also fast dem Vierfachen des Umsatzes. Allerdings ist das Unternehmen in den vergangenen Jahren auch mit hohen zweistelligen Raten gewachsen.
Investoren wollen Wachstum von Zooplus beschleunigen
Zooplus hat zwar seinen Kurs seit Beginn der Übernahmeschlacht um 75 Prozent gesteigert. Doch immer noch liegt die Marktkapitalisierung bei 3,46 Milliarden Euro – was nicht mal das Doppelte des Umsatzes von 1,8 Milliarden Euro bedeutet.
Das Problem dabei: Zooplus hat selbst im Coronajahr 2020, wo der Onlinehandel boomte wie nie zuvor, nur um 18 Prozent zugelegt. Zum Vergleich: Konkurrent Fressnapf steigerte den Onlineumsatz im vergangenen Jahr um 40 Prozent.
Genau da wollen die Bieter ansetzen. Das Kalkül: Wenn das Unternehmen konsequenter investiert, statt auf Profitabilität zu schauen, kann es sein Wachstumspotenzial besser ausschöpfen. So verspricht beispielsweise EQT in seinem Angebot, „Investitionen zu fördern und zu beschleunigen, die für das Wachstum des Geschäfts der Zooplus-Gruppe notwendig sind“.
Mit dem Einstieg bei Zooplus will EQT einen weiteren Baustein hinzuholen, um von der wachsenden Bedeutung der Haustiere für Verbraucher zu profitieren. Der schwedische Investor hat bereits mehrere Beteiligungen, mit denen er ein Ökosystem rund um das Haustier bauen will. Dazu gehört unter anderem die Tierklinikkette IVC Evidensia, die Tierversicherung Bought by Many und die Musti Gruppe, die in Skandinavien Produkte für Haustiere vertreibt.
Beide potenziellen Investoren deuteten in ihren Offerten an, dass sie bereit wären, auch nach dem Kauf weitere Mittel in Zooplus zu stecken. „Kurzfristig wird das viele Investments nach sich ziehen“, heißt es in Bieterkreisen. Um Zooplus auf höhere Wachstumsraten zu bringen, müsse noch viel Arbeit gemacht werden.
Doch genau da sorgt der eskalierte Bieterkampf für Probleme: Je höher der Kaufpreis, umso geringer sei der Spielraum für weitere Investitionen, heißt es in Finanzkreisen. Auch bei Zooplus fühlt man sich durchaus geschmeichelt durch die hohen Gebote. Aber dem Management ist bewusst, dass das Unternehmen davon in keiner Weise profitiert – eher im Gegenteil.
Warten auf Stellungnahme von Management und Aufsichtsrat
Gerade weil es sich durch die aktuelle Aktionärsstruktur im Wachstum gebremst sah, hatte das Management die Suche nach einem neuen Investor aktiv angestoßen. Zooplus sei bestrebt, „einen finanziellen und strategischen Partner zu finden, um den eigenen Wettbewerbsvorsprung zu stärken und die Marktführerschaft auf dem wachsenden und sich schnell wandelnden europäischen Heimtiermarkt auf lange Sicht auszubauen“, hatte das Unternehmen mitgeteilt.
Wenn ein Investor die Mehrheit übernimmt und das Unternehmen von der Börse nimmt, so die Hoffnung, sei der Spielraum größer. So ist in der „strategischen Partnerschaft“, die Zooplus mit H&F vereinbart hat, von einem möglichen „Verzicht auf kurzfristige Profitabilität zugunsten langfristiger Wertschöpfung“ die Rede.
Sollte aber nun Zooplus seine Investitionsmittel komplett selbst erwirtschaften müssen, könnte der Weg steiniger werden als erhofft. Und sollte es keinem der beiden Bieter gelingen, einen so hohen Anteil zu erwerben, dass er das Unternehmen zügig von der Börse nehmen kann, dürfte der Aktienkurs bald wieder deutlich nachgeben.
Einiges hängt nun davon ab, wie die begründete Stellungnahme von Management und Aufsichtsrat von Zooplus auf das Angebot des schwedischen Investors EQT ausfällt. Gerechnet wird mit dieser frühestens Ende dieser Woche, wahrscheinlich eher kommende Woche. Da die Struktur der Angebote weitgehend identisch ist, müsste das Zooplus-Management EQT im Grunde genauso unterstützen wie das Gebot von H&F.
Noch sieht sich H&F beim Bieterkampf im Vorteil. Der Investor hat sich bereits über eine Vereinbarung mit Großaktionären 17,8 Prozent der Anteile gesichert. Doch diese Basis ist brüchig. Denn wenn EQT mehr bietet und H&F die Offerte nicht innerhalb von fünf Tagen kontert, sind diese Aktionäre nicht mehr an ihre Zusage gebunden.
Mehr: Investor Hellman & Friedman zieht bei Zooplus-Offerte mit EQT gleich
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