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E-Commerce Alibaba-Chef Jack Ma treibt seinen Angriff auf den globalen Onlinehandel voran

Mit einem Logistikdrehkreuz für Europa baut Jack Ma seine Handelsplattform aus. So verfolgt er einen großen Plan mit einem klaren Ziel: die Eroberung des globalen Onlinehandels.
02.01.2019 - 18:37 Uhr Kommentieren
Der Alibaba-Gründer ist auf globaler Werbetour für seine Handelsplattform. Quelle: dpa
Jack Ma

Der Alibaba-Gründer ist auf globaler Werbetour für seine Handelsplattform.

(Foto: dpa)

Düsseldorf Der reichste Mann Chinas denkt wie Staatschef Xi Jinping in großen Maßstäben. „Wir stellen neue Regeln für die Zukunft auf“, verkündete Alibaba-Gründer Jack Ma kürzlich. Gemeint ist eine neue Plattform für den Onlinehandel, mit der er die Welt verändern will.

Die Idee: Alibaba baut eine globale Handelsplattform auf, die für die Nutzer kostenlos ist. Von China hat Jack Ma sein Konzept bereits nach Südostasien und Afrika exportiert. Nun greift Ma in Europa an – im belgischen Lüttich errichtet Alibaba ein gigantisches Logistikzentrum.

Schon auf den ersten Blick ist es ein Megaprojekt: Auf 220.000 Quadratmeter Fläche will der chinesische Onlinehändler Alibaba am Flughafen Lüttich das Drehkreuz aufbauen. Mindestens 75 Millionen Euro will er im ersten Schritt dort investieren.

Von hier sollen europäische Mittelständler Ware nach China liefern können – und umgekehrt Produkte aus China nach Europa eingeführt werden. Allein aus Europa könnten so in den kommenden fünf Jahren Waren im Wert von über 200 Milliarden Euro in die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt exportiert werden.

Dahinter steckt ein Projekt, das weit über Belgien hinausgeht und sich auch nicht auf Logistik beschränkt. Alibaba geht es nicht mal nur um einen Aufschlag in der EU. Der Konzern von Gründer Jack Ma plant global.

„Das neue Drehkreuz in Lüttich ist realistisch betrachtet der Baustein eines viel größeren Plans“, erklärt Olaf Rotax, Managing Director bei der dgroup, einer der führenden Beratungen für digitale Transformation aus dem Accenture-Netzwerk. „Die Chinesen bauen ein digitales Pendant zur Welthandelsorganisation“, so Rotax, der selbst einige Jahre in China gelebt hat.

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Jack Ma nennt es „electronic World Trade Platform“, kurz eWTP. Hinter dem sperrigen Begriff verbirgt sich nicht weniger als der Versuch, den globalen Handel neu zu ordnen. In globalem Maßstab will Alibaba mit seiner weltumspannenden Plattform die Hersteller direkt mit den Endkunden zusammenbringen.

Damit verfolgt Alibaba ein radikal anderes Konzept als Amazon. Denn der US-Gigant ist selbst Händler und bietet auf seinem Marketplace anderen Onlinehändlern einen weiteren Verkaufskanal. Alibaba dagegen ist ein reiner Plattformanbieter, dessen wichtigster Partner die Konsumgüterindustrie ist. Deshalb kann Ma seine eWTP als angeblich neutralen Mittler präsentieren.

Lüttich ist nicht der erste Brückenkopf. Im vergangenen Jahr eröffnete Alibaba einen Standort in Kuala Lumpur, es folgten Hangzhou und dann Ruanda. Doch der Vertrag mit Belgien ist jetzt der entscheidende Schritt. „Das Unternehmen verbreitert damit seine Tür zu Europa“, sagt Digitalexperte Rotax. „Das setzt andere europäische Länder unter Druck, ähnliche Verträge abzuschließen.“

Damit läuft Alibaba auch der chinesischen Konkurrenz davon. Zwar hatte der Chef des größten chinesischen Wettbewerbers JD.com, Richard Liu, im Juli im Interview mit dem Handelsblatt angekündigt, eine eigene Plattform in Europa aufbauen zu wollen und noch bis Ende 2018 ein Büro in Deutschland zu eröffnen.

Die Chinesen bauen ein digitales Pendant zur Welthandelsorganisation. Olaf Rotax, Managing Director Accenture

Danach wurde es jedoch still um die Pläne. Bei einer US-Reise wurde Liu wegen des Verdachts auf sexuelles Fehlverhalten festgenommen. Auf Nachfrage erfuhr das Handelsblatt, dass vorläufig kein Büro von JD.com in Deutschland eröffnet wird. Derzeit liefen strategische Überlegungen, heißt es. Eine Entscheidung werde es frühestens im Laufe dieses Jahres geben.

Der Angriff von Alibaba dagegen ist generalstabsmäßig vorbereitet. Das Unternehmen hat sein globales Handelskonzept eng mit seinem Logistikdienstleister Cainiao verknüpft.

Mit Cainiao verfolgt Alibaba das Ziel, Bestellungen aus China innerhalb von 24 Stunden und in anderen Teilen der Welt innerhalb von 72 Stunden auszuführen. Eine gewaltige Vision: Pakete sollen weltweit spätestens innerhalb von drei Tagen vom Produzenten zum Käufer geliefert werden.

Das Bezahlsystem Alipay hat bereits 500 Millionen Nutzer

In den kommenden fünf Jahren will Alibaba mehr als 13 Milliarden Euro in die globale Expansion investieren. In Südostasien stockt der Konzern bereits massiv seine Logistikdrehkreuze auf. In Europa will der Händler neben dem Drehkreuz in Lüttich auch ein Versandzentrum in Bulgarien einrichten. Weitere Drehkreuze dürften folgen.

Auch Übernahmen gehören zur Strategie. Den von dem deutschen Maximilian Bittner gegründeten asiatischen Onlinehändler Lazada hat Alibaba bereits übernommen. In Europa gelten Zalando oder der Onlinehändler Lesara als mögliche Übernahmeziele. Mit Alipay verfügt Alibaba auch über einen eigenen Zahlungsdienstleister mit mehr als 500 Millionen Nutzern.

Seine wirtschaftlichen Interessen verpackt Jack Ma in einer Art trojanischem Pferd. Denn den Politikern weltweit verkauft er sein Konzept als Förderprojekt für den Mittelstand.

Die Grundlage dafür legte der Alibaba-Chef im September 2016. Staats- und Regierungschefs aus den führenden 20 Industrienationen der Welt reisten in die ostchinesische Metropole Hangzhou. Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte zum G20-Gipfeltreffen geladen und wollte den Aufstieg Chinas zur zweitgrößten Wirtschaftsnation der Welt feiern.

Dafür bot sich ein besonderer Partner an: Jack Ma. Er verkörperte den chinesischen Aufstieg wie kein Zweiter. Erst brauchte er mehrere Anläufe für sein Abitur, dann fand er nur Gelegenheitsjobs, und schließlich stieg er als Gründer in das Internetgeschäft ein.

Heute ist er der reichste Mann Chinas, mit einem geschätzten Vermögen seiner Familie von 39 Milliarden Dollar. Damit stand Jack Ma auch symbolhaft für den Aufstieg der Volksrepublik China. Und Ma wusste die Öffentlichkeit bestens für sich zu nutzen.

Er lud am Rande des Gipfeltreffens die Staats- und Regierungschefs zu Treffen ein und führte sie durch die Alibaba-Zentrale, die nur wenige Kilometer vom Kongresszentrum entfernt lag. Denn Ma wollte seine Handelsplattform vermarkten. „Wir werden die kleinen und mittelständischen Firmen stärken“, versprach er den Wirtschaftsdelegationen. Der Kern seiner Werbebotschaft lautet: Alibaba hat in China Millionen von kleinen Herstellern gefördert – ist also der Freund des Mittelstands.

Ma ist es zu verdanken, dass Onlineshopping für Millionen von Chinesen heute das Selbstverständlichste der Welt ist. Über seine Plattform machten viele Bürger in der Volksrepublik Anfang der 2000er-Jahre zum ersten Mal Erfahrungen mit dem Internet. Heute ist das Land mit 800 Millionen Internetnutzern nicht nur die größte Onlinenation, sondern auch die Volkswirtschaft mit dem größten Geschäft im Onlinehandel. Und Alibaba beansprucht rund zwei Drittel des lukrativen Marktes für sich.

Allein am sogenannten Singles‘ Day im November, dem größten Shoppingevent in China, hat Alibaba 2018 mehr als 30 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht. Zum Vergleich: Amazon setzte am Cyber Monday in den USA gerade mal 7,9 Milliarden US-Dollar um.

Doch selbst das reicht dem chinesischen Unternehmen nicht mehr. Es will sein Potenzial weltweit ausspielen. Um die neue globale Plattform eWTP rasch durchzusetzen, will sie Alibaba den Staaten kostenlos anbieten. Doch umsonst gibt es natürlich nichts. Im Gegenzug für den Aufbau der Plattform verlangt Alibaba Steuererleichterungen.

Den belgischen Premierminister Charles Michel hat Ma schon mit seiner Charmeoffensive eingefangen. Er traf sich mit dem Regierungschef bereits im Sommer, um den Vertrag einzufädeln. Mit Erfolg. „Ich begrüße die Einführung der eWTP in Belgien und das Engagement von Alibaba zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit belgischer und europäischer Unternehmen auf weltweiter Ebene im Rahmen dieser Partnerschaft“, sagte Michel jetzt.

Teil der Absichtserklärung ist es, dass Belgien und Alibaba die Zollverfahren digitalisieren und eine effizientere Warenabfertigung fördern. Von Steuererleichterungen ist noch nicht die Rede, aber das dürfte für Ma der nächste logische Schritt sein.

Chinesischer Botschafter für den weltweiten Onlinehandel

Und Alibaba hat einen mächtigen Unterstützer: den chinesischen Staat. „In China gibt es keine komplette Trennung zwischen Unternehmen und dem Staat“, weiß China-Experte Rotax. „Deshalb ist es nicht vollkommen abwegig, dass Alibaba diesen Vertrag mit Belgien in Abstimmung mit staatlichen Stellen abgeschlossen hat.“

Die enge Verbindung zeigt sich immer wieder: Im November etwa richtete die chinesische Regierung in Schanghai die internationale Handelskonferenz China International Import Expo aus. Mit 2800 Ausstellern aus 130 Ländern sollte sie Chinas Rolle im globalen Handel stärken. Und Alibaba wurde dort als chinesischer Botschafter für den Onlinehandel hofiert.

Auch das Engagement von Alibaba in Europa dürfte sich rasch nicht mehr auf den Export nach China beschränken. „Wenn die Plattform erst mal steht, bietet sie natürlich auch eine sehr interessante Export-Pipeline für chinesische Güter nach Europa“, betont Berater Rotax.

Das sehen auch Praktiker so. „Wir gehen davon aus, dass die Logistikzentren nicht nur für den Export nach China in Betrieb genommen werden“, bestätigt Marcel Münch, der mit seinem Unternehmen DongXii den digitalen Vertrieb für deutsche Mittelständler in China organisiert.

Das Kalkül von Alibaba sei es, damit eine eigene lokale Infrastruktur aufzubauen. Verlierer könnten dann entgegen allen Ankündigungen ausgerechnet die kleineren Hersteller sein. Nach der Erfahrung von Münch sind die bisherigen Plattformen von Alibaba wie TMall Global oder AliExpress wenig auf die Bedürfnisse kleiner Hersteller abgestimmt. Das dürfte bei der eWTP nicht viel anders sein.

Und auch den europäischen Händlern könnte die neue Alibaba-Plattform existenziell gefährlich werden. „Viele Hersteller werden diese Chance nutzen, direkte Geschäftsbeziehungen zu Endkunden in China aufzubauen“, prognostiziert Berater Rotax. Für die Händler sei das ein Signal, dass sie noch mehr neue Services und Mehrwert bieten müssten, den Hersteller und Kunden auf einer reinen Plattform nicht bekommen. „Wenn sie das nicht tun, machen Alibaba und Co. sie langfristig überflüssig.“

Die deutschen Verbraucher zumindest würden Alibaba mit offenen Armen empfangen. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov für das Handelsblatt sagten 48 Prozent der Befragten, sie würden es begrüßen, wenn Alibaba sein Europageschäft ausbaut. Ablehnend reagierten nur 25 Prozent. Die Werbekampagne von Jack Ma hat schon gewirkt.

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