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E-Commerce Das Milliarden-Problem: Wie Amazons Fahnder gegen Produktfälscher kämpfen

Mit dem Marketplace hat der Konzern die perfekte Plattform für Betrüger geschaffen. Nun reagiert Amazon auf steigenden Druck – und wirbt sogar FBI-Mitarbeiter ab.
18.10.2021 - 06:00 Uhr Kommentieren
Rund zwei Millionen gefälschte Produkte hat der Konzern 2020 in seinen Lagern sichergestellt und vernichtet. Quelle: imago images/photothek
Amazon-App

Rund zwei Millionen gefälschte Produkte hat der Konzern 2020 in seinen Lagern sichergestellt und vernichtet.

(Foto: imago images/photothek)

Düsseldorf Die Belege für den Betrug sind sauber dokumentiert: Die sieben Angeklagten aus zwei chinesischen Unternehmen sollen in großem Stil Zubehör der beliebten Kameramarke GoPro gefälscht und über den Marketplace von Amazon verkauft haben. Jetzt stehen sie vor dem Richter im District Court von Seattle, ihnen drohen empfindliche Strafen.

Dass GoPro diesen Betrügern das Handwerk legen konnte, verdankt das Unternehmen einer Truppe von Sonderermittlern in Diensten von Amazon. Die vor einem Jahr gegründete Amazon Counterfeit Crime Unit (CCU), gebildet aus ehemaligen FBI-Agenten, Experten für Cybercrime und Datenanalysten, macht Jagd auf die Verbrecherbanden, die den Marketplace mit gefälschten Produkten fluten. Und sie kann jetzt erste Erfolge vermelden.

64 Gerichtsverfahren konnten Markenhersteller im vergangenen Jahr auf Basis der Ermittlungen der CCU gegen Fälscher eröffnen, meldet Amazon an diesem Montag. Darunter sind Luxuslabels wie Valentino und Salvatore Ferragamo, die Spielwarenfirmen Dutch Blitz und Asmodee oder der Kühlboxhersteller Yeti. „Die ersten Erfolge sind sehr ermutigend“, sagt Kebharu Smith, der Leiter der CCU, dem Handelsblatt.

Rund 250 Betrüger wurden bereits identifiziert und die Informationen an die Behörden übergeben. „Es ist so wichtig, dass wir hier Transparenz schaffen, damit die Webshops sich rechtzeitig vor den Betrügern schützen können und damit den Betrügern klar wird, dass sie hier kein leichtes Spiel haben“, sagt Smith, der zuvor als Experte für Computerkriminalität beim US-Justizministerium gearbeitet hat.

Es geht um gigantische Summen. Nach Schätzungen der OECD machen Produktpiraten weltweit einen jährlichen Umsatz von mehr als 500 Milliarden US-Dollar. Das sind rund 3,3 Prozent des Welthandels – oder so viel wie das Bruttoinlandsprodukt von Belgien.

Händler und Marken setzen Amazon unter Druck

Für diese Betrüger hat Amazon mit seinem Marketplace die perfekte Handelsplattform geschaffen. Millionen von Händlern konnten dort jahrelang weitgehend unkontrolliert ihre Waren verkaufen. Ob sie sich dabei an die Gesetze hielten, ob die Güter sicher waren, ob sie überhaupt Umsatzsteuer zahlten, schien kaum jemanden zu interessieren.

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Doch mittlerweile ist der Druck der Regierungen und aus der Öffentlichkeit groß. Der Konzern, der seit Juli von Andy Jassy geführt wird, muss dabei nicht nur staatliche Regulierungen fürchten, die bis zur Zerschlagung reichen könnten. Auch der Ruf von Amazon bei den Kunden steht auf dem Spiel. Fälschungen zerstören das Vertrauen der Kunden – und das ist gerade im E-Commerce die wichtigste Währung.

„Der politische Druck ist gestiegen, die Plattform mehr in die Verantwortung zu nehmen für betrügerisches Verhalten der Händler“, beobachtet Nils Zündorf, Geschäftsführer der Agentur Factor-a, die Markenhersteller bei ihrem Geschäft auf dem Amazon Marketplace betreut. Und was für Amazon mindestens genauso wichtig ist: Auch die Markenhersteller forderten entschiedene Schritte.

So haben sich jetzt in den USA Hersteller und Händler zusammengeschlossen und in einem Report für den Kongress angeprangert, wie ihrer Einschätzung nach der Handel über die Onlineplattformen mit gefälschten Produkten geflutet wird. Mehr als 54 Milliarden Dollar an Umsatz gingen dem US-Einzelhandel dadurch jedes Jahr verloren, so der Report der sogenannten „Buy Safe America Coalition“, die von großen Händlern wie Walmart und Target unterstützt wird.

Zwei Millionen gefälschte Produkte vernichtet

Der Zeitpunkt der Initiative ist kein Zufall. In Washington werden zurzeit Gesetzesvorhaben diskutiert, die Plattformbetreiber verpflichten sollen, mehr Transparenz zu zeigen und stärkere Verantwortung für die Dritthändler zu übernehmen. Ähnliche Gesetzesvorhaben sind auch in der EU in Vorbereitung.

Amazon bezeichnete die Studie in einer Stellungnahme als einseitig und betonte, das Problem sei nicht so groß wie dargestellt. Doch um weiterer Kritik vorzubeugen, greift Amazon jetzt radikal durch und versucht zu verhindern, dass gefälschte Produkte überhaupt erst in den Verkauf kommen.

So hat das Unternehmen im vergangenen Jahr zwei Millionen gefälschte Produkte aus seinen Lagern aussortiert und vernichtet. Zugleich wurden mehr als zehn Milliarden vermutlich gefälschte Angebote blockiert und gar nicht erst auf die Plattform gelassen.

Rund 700 Millionen Dollar hat Amazon nach eigenen Angaben 2020 eingesetzt, um die Plattform vor Betrügern zu schützen. 10.000 Mitarbeiter sollen damit beschäftigt sein, Betrug zu verhindern. Doch hauptsächlich setzt Amazon auf Algorithmen und technische Hilfsmittel, die Fälschungen erkennen sollen.

Betrüger umgehen die technischen Hürden

So hat der Konzern das „Project Zero“ eingeführt, bei dem teilnehmende Unternehmen gefälschte Artikel eigenständig von der Plattform entfernen können. Diese Möglichkeit nutzen bisher mehr als 18.000 Marken. Beim Service „Transparency“ versehen die Hersteller ihre Artikel mit speziellen QR-Codes, damit beim Wareneingang eindeutig ihre Echtheit erkannt werden kann. An diesem Programm nehmen bisher rund 15.000 Markenhersteller teil.

Nach Aussagen von Amazon haben sich gerade mal 0,01 Prozent der Kunden im vergangenen Jahr beschwert, ein gefälschtes Produkt gekauft zu haben. Doch der Anteil der Produkte, die es durch die Kontrollen auf die Plattform geschafft haben, dürfte deutlich höher liegen.

Es ist wie beim Katz-und-Maus-Spiel: „Die Betrüger finden immer neue Wege und Technologien, um auf unsere Seite zu kommen und schaffen es so, an den automatisierten Hürden vorbeizukommen“, berichtet Amazon-Fahnder Smith. Und für genau diese Verbrecherbanden ist seine Spezialeinheit CCU zuständig, die bisher erst 20 Experten beschäftigt, aber weiter ausgebaut werden soll.

„Wir nutzen den großen Datenbestand von Amazon, um die Personen zu identifizieren, die hinter den Betrügereien sitzen“, erklärt er. Die Detektivarbeit stützt sich beispielsweise auf die Kombination von IP-Adressen, Log-in-Daten, Bankverbindungen und E-Mail-Adressen. Wichtige Informationen liefert beispielsweise auch der Zeitpunkt, wann bestimmte Accounts eröffnet und wieder geschlossen wurden.

Influencer machen Werbung für Produktfälscher

Die Methoden der Kriminellen werden immer vielfältiger. „In den vergangenen Wochen haben wir ein Betrugssystem aufgedeckt, bei dem Social-Media-Influencer gefälschte Luxusprodukte beworben haben und ihre Follower direkt zu den Verkäufern auf dem Amazon Marketplace weitergeleitet haben“, berichtet Smith.

Um den Betrug wirkungsvoll einzudämmen, fordert Alexandra Poch, Expertin für Recht beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (Euipo), eine noch engere Kooperation zwischen Markeninhabern, Händlern und Plattformen, um Fälschungen zu identifizieren, noch bevor diese angeboten werden können. „Das ist der Schlüssel, um die gefälschten Produkte zu entdecken“, erklärt sie.

Genau das schlägt auch Amazon-Manager Smith vor. „Wir brauchen eine engere Zusammenarbeit in der Branche im Kampf gegen die Fälscher“, betont er. „Die Verbrecher wechseln von einem E-Commerce-Store zum nächsten und sie machen auch keinen Halt vor Landesgrenzen.“ Amazon habe bereits begonnen, Daten und Listen mit Betrügern mit anderen E-Commerce-Händlern auszutauschen.

Zugleich fordert Smith aber auch eine bessere personelle Ausstattung der Strafverfolgungsbehörden und eine engere Zusammenarbeit des Zolls mit den Handelsplattformen. „Wenn wir unsere Daten mit dem Zoll in Echtzeit austauschen, können wir die Täter früh identifizieren und verhindern, dass die gefälschte Ware überhaupt erst ins Land kommt“, erklärt er.

Mehr: Die eigene Arroganz bringt Amazon an die Wachstumsgrenze

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