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E-Commerce Onlinehändler wehren sich gegen die Amazonisierung des Konsums

Gegen die Übermacht von Amazon kommen inzwischen auch kleinere Onlinehändler kaum noch an. Doch es gibt durchaus erfolgreiche Überlebensstrategien.
28.05.2019 - 04:02 Uhr Kommentieren
Vor allem kleine Onlinehändler müssen sich vermehrt differenzieren, um zu überleben. Quelle: Oh April
Zwei Frauen in einem Geschäft

Vor allem kleine Onlinehändler müssen sich vermehrt differenzieren, um zu überleben.

(Foto: Oh April)

München, Düsseldorf Er galt als Wunderkind des E-Commerce. Einen Shoppingclub hatte Roman Kirsch erfolgreich aufgebaut und für einen Millionenbetrag an den US-Marktführer Fab verkauft. Mit dem Geld wollte er nicht weniger als den Onlinehandel revolutionieren: Sein Start-up Lesara sollte Fast Fashion, also das Geschäftsmodell von H&M und Zara, ins Internet übertragen – und mittels Künstlicher Intelligenz auf eine ganz neue Stufe bringen.

Doch nach beeindruckenden Anfangserfolgen ist Lesara jetzt Geschichte. Unter anderem folgten der vermurksten Einführung eines neuen Lagers Lieferprobleme. Die Kunden zeigten wenig Loyalität und waren mit einem Klick bei der Konkurrenz. Das Unternehmen rutschte in die Insolvenz und ist seit Kurzem abgewickelt.

Das Beispiel Lesara zeigt: Auch im Onlinehandel wird die Luft immer dünner. Galt es bisher als gesetzt, dass der stationäre Handel leidet und der E-Commerce boomt, müssen jetzt auch mehr und mehr Onlinehändler aufgeben. Die schärfer werdende Konkurrenz und die Übermacht von Amazon verzeihen keine Fehler mehr.

„Es ist eindeutig eine zunehmende Dominanz der Amazon-Plattform im Onlinehandel zu beobachten“, sagt Eva Stüber vom Handelsforschungsinstitut IFH in Köln. „Viele kleinere Onlineshops können da nicht mithalten und müssen aufgeben“, weiß die Expertin für Digitalisierung im Handel.

Aktuelle Marktzahlen, die das IFH jetzt erhoben hat, belegen das. Beherrschten die vier großen Plattformen Amazon, Ebay, Otto und Zalando im Jahr 2013 schon 52 Prozent des deutschen E-Commerce, waren es im vergangenen Jahr sogar 61 Prozent. Tendenz: weiter steigend.

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Diese Konzentration hat Folgen. „Wir sehen eine Amazonisierung des Konsums: Ein immer größerer Teil des Kaufprozesses läuft direkt über die Amazon-Plattform, selbst die Produkt- und Preisrecherche startet oft schon bei Amazon“, erklärt Handelsexpertin Stüber. „Das Verhalten der Kunden verändert sich nachhaltig.“

Das ist auch vielen Onlinehändlern sehr bewusst. „Onlinehändler werden dieselben Probleme bekommen wie der stationäre Handel“, warnt Renata DePauli. „Denn auch Onliner müssen immer stärker um die Frequenz kämpfen“, sagt die Gründerin und Chefin des Internetshops Herrenausstatter.de. Die Münchenerin hat ihren Internetladen schon vor mehr als 20 Jahren gegründet. Sie will Männern das unliebsame Shoppen so bequem wie möglich machen.

Es werde zunehmend schwerer, aus der Masse der Anbieter im Netz herauszustechen, stellt die Unternehmerin fest. „Alle Onlinehändler müssen sich fragen, wie sie sich differenzieren“, so die Geschäftsfrau. Viele Internetläden säßen zwar auf einem Berg von Informationen über ihre Kunden, wüssten aber nichts damit anzufangen, beobachtet DePauli. Überleben werde auch im Netz nur, wer die Nutzer möglichst individuell bediene.

Das macht beispielsweise Limango. Der Shoppingclub für junge Familien bietet Sonderposten bekannter Marken an: Jeweils für zwei, drei Tage findet sich auf der Internetseite oder der App Aktionsware, die Unternehmensangaben zufolge bis zu 70 Prozent günstiger ist als der Normalpreis. Mal sind T-Shirts von Adidas zu haben, dann wieder Kinderschuhe von Geox.

„Die Konsumenten finden bei uns gute Ware zu sehr guten Preisen“, erläutert Gründer Sven van den Bergh. Wer sich anmeldet, erhält jeden Tag neue Angebote; wer mag, bekommt die Schnäppchen vorsortiert nach den eigenen Wünschen. Es gebe nicht immer alles und auch nicht in unbegrenzter Menge, schränkt van den Bergh ein. Zudem werde nicht sofort geliefert, sondern meist erst nach einer Woche. Aber übers Jahr gesehen könne sich eine Familie bei der Tochterfirma des Versandhauses Otto komplett ausstatten.

Service-Leistung als Chance

Ein offenbar erfolgreiches Konzept. Seit 2012 hat sich der Umsatz auf 229 Millionen Euro mehr als verdreifacht, die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate liege bei 23 Prozent. Familien seien eine ausgesprochen loyale Zielgruppe, hat van den Bergh festgestellt. Mehr als einmal die Woche schauen die Konsumenten normalerweise bei Limango im Netz vorbei. „Die Kundin kommt wieder, weil wir es ihr leicht machen“, erklärt van den Bergh.

Der einfachste Weg für Onlinehändler ist es, als Verkäufer auf den Marktplatz von Amazon zu gehen. Das vergrößert zwar die Reichweite, zieht aber die Händler auch in eine gefährliche Abhängigkeit von Amazon. Wenn Händler wie Limango es wagen, ihren ganz eigenen Weg zu gehen, um gegen den Onlineriesen zu bestehen, dann gibt es nur eine Devise: Sie müssen aus der Masse der Konkurrenz im Internet herausstechen.

Wie das geht, demonstriert Philipp Simon. Der 38-Jährige hat sein Studium vor 15 Jahren abgebrochen, um im Service des Onlineversenders Bike-Components anzuheuern. Heute ist er Geschäftsführer des Radbedarfsversands und sieht seine große Chance in einer hervorragenden Beratung der Kunden.

Der Mittelständler aus Aachen beschäftigt 180 Mitarbeiter, „überwiegend Rad-Enthusiasten“ wie er selbst, so Simon. Das ist wichtig, denn die Firma hält 70.000 Artikel von 350 Marken auf Lager. Meist wissen die Konsumenten nicht so genau, was für ihr Velo passt. Viele Kunden schicken auch einfach ein Foto des Teils, das sie ersetzen wollen. „Es geht nicht ohne Service“, hat Simon festgestellt.

Sein Ziel: Bike-Components „soll Europas zuverlässigster Partner für sportliche Biker“ sein. Es ist ein umkämpfter Markt, in dem neben Amazon auch Spezialisten wie Bike 24 oder Bike Discount um die Radler werben. Dieses Frühjahr hat Simon daher den Webshop umgebaut und die Filterfunktion so verbessert, dass die Radfahrer mit zwei Klicks weniger zum gewünschten Ersatzteil kommen. „Wir haben das selbst entwickelt“, erklärt der Manager. „Eine Lösung von der Stange hätte es nicht getan.“

Bike-Components wächst und kommt inzwischen auf 80 Millionen Euro Umsatz. Dass der Service im Vordergrund stehe, sei der Schlüssel zum Erfolg, bestätigt Jürgen Siegwarth, Geschäftsführer des Radtaschen-Herstellers Ortlieb und damit einer der wichtigsten Lieferanten.

„Die haben eine ausgezeichnete Kundenberatung. Da können sich viele andere etwas abschauen“, sagt der Manager. Bike-Components liegt im Trend. Konsumenten scheinen immer häufiger bereit, sich online beraten zu lassen. 23 Prozent der Internetkäufer hätten sich schon einmal von Mitarbeitern eines Internetstores unterstützen lassen, fand der IT-Branchenverband Bitkom jüngst in einer Umfrage heraus. Vor drei Jahren seien es noch 19 Prozent gewesen.

Gerade die Begeisterung für das Produkt und die Bildung einer Community, zu der sich die Kunden zugehörig fühlen, macht einen Großteil des Erfolgs von Unternehmen wie Bike-Components aus. „Wichtig ist, das Produkt und den Verkaufsprozess zu emotionalisieren. Der Händler muss Teil des Lebensumfeldes seiner Kunden werden, ihren Lifestyle bedienen“, sagt Handelsexpertin Stüber.

Influencer steigern E-Commerce

Auf die Spitze treiben das häufig Influencer, die sich erst eine Fangemeinde auf Instagram aufgebaut haben und dann in den E-Commerce einsteigen. „Für sie gelten eigene Regeln. Da sind Kunden sogar bereit, wochenlang auf ein Produkt zu warten, nur um es zu bekommen“, so Stüber. Durch die Inszenierung ihrer Produkte und die hohe Kundenbindung entgehen sie dem Wettbewerb mit dem Branchenführer Amazon, der mit seinen immer kürzeren Lieferfristen viele Onlinehändler in den Wahnsinn treibt.

Exemplarisch betreibt das Carmen Kroll, die unter dem Namen Carmushka einen Instagram-Account mit 532.000 Abonnenten aufgebaut hat. Zusammen mit einer Geschäftspartnerin führt sie seit dem vergangenen Jahr den Modehandel „Oh April“. Der Shop hat eigene Kollektionen, die über die Social-Media-Kanäle beworben werden. Durch den massiven Hype auf Instagram war gleich die erste Kollektion sofort ausverkauft.

Wichtig war auch, dass den Kundinnen von vorneherein klar war, dass es die Produkte nur eine begrenzte Zeit gibt. Seit Kurzem hat „Oh April“ auch einen eigenen Shop in Köln. Wenn der Verkauf einer neuen Kollektion startet, reisen Kundinnen aus der gesamten Bundesrepublik an und stehen vor dem Laden Schlange – um nichts zu verpassen.

Ein Rezept, das nach Ansicht von Experten auch auf andere Onlinehändler übertragbar ist. „Diese künstliche Verknappung funktioniert gut, beispielsweise mit limitierten Auflagen oder Sondereditionen. Das erzeugt beim Kunden das Gefühl, schnell zugreifen zu müssen“, beobachtet Eva Stüber.

Im Grunde macht auch die Otto-Tochter Limango mit ihren Aktionsartikeln nichts anderes. Gründer van den Bergh ist deshalb überzeugt, dass er auch künftig gegen Amazon bestehen kann. „Wir wollen das Tempo halten“, sagt er. Muss er auch, denn trotz ihrer gewaltigen Größe sind die Amerikaner in Hochform.

Vergangenes Jahr ist der Umsatz in Deutschland um gut 17 Prozent auf knapp 17,4 Milliarden Euro gestiegen. Und dabei sind die Umsätze der Dritthändler auf dem Amazon-Marketplace noch nicht einmal mitgerechnet, die schneller wachsen als der Konzern selbst. So wächst die Konzentration im deutschen E-Commerce weiter – und nur die besten unter den selbstständigen Webshops werden die Auslese überleben.

Mehr: An Amazon kommt man in Deutschland sowohl als Händler als auch als Kunde kaum vorbei. Eine Studie zeigt, wie der Online-Riese diese Abhängigkeit erreicht und festigt.

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