E-Minivan „Tropos” Autotransporteur stellt Elektrogefährt vor – und zieht Lehren aus Streetscooter-Flop der Post

Der Mini-E-Laster wurde für den Innenstadtverkehr konzipiert.
Berlin Exakt 318 Millionen Euro Verlust, verrät der Geschäftsbericht der Deutschen Post, bescherte die Produktion des „Streetscooters“ vergangenes Jahr dem Bonner Dax-Konzern. Schon zuvor fuhr der kultige Elektrolieferwagen tiefrote Zahlen ein, weshalb ihn Vorstandschef Frank Appel nun an die Luxemburger Firma Odin verscherbeln will, eine Neugründung des Ex-BMW-Vorstands Stefan Krause.
Auch Jörg Mosolf, dem Vorstandschef des traditionsreichen Autotransporteurs Mosolf in Kirchheim/Teck, hatte man die defizitäre Post-Tochter angeboten – doch der winkte ab. Zu groß sei das Risiko gewesen, berichtete er nach ersten Sondierungen, mit der Übernahme die gesamte Unternehmensgruppe zu ruinieren.
Entsprechend überraschend kommt nun Mosolfs jüngster Auftritt auf dem diesjährigen Kongress der Bundesvereinigung Logistik. Im Foyer des Berliner Hotels Intercontinental platzierte der 65-Jährige Mitte Oktober einen weißen Elektrolieferwagen, der dem Streetscooter in vielem ähnelt: 700 Kilogramm Zuladung, 260 Kilometer Reichweite, 85 Stundenkilometer Spitzengeschwindigkeit.
Nur in einem soll es einen riesigen Unterschied zum Elektrogefährt der Deutschen Post geben, wie der Firmenchef verspricht: „Dieses Jahr wollen wir den Break-even sehen.“ Dabei startete die Produktion gerade einmal vor 13 Monaten.
Sie ist für Mosolf zudem weitestgehend Neuland. 1955 gründete der vor sechs Jahren verstorbene Horst Mosolf eine Spedition, die sich mitten in der Wirtschaftswunderzeit auf Automobiltransporte spezialisierte. Als ersten Großkunden gewann der Vater des heutigen Firmenchefs den Hersteller Borgward, kurz danach folgte Volkswagen. Heute zählt Mosolf mit 3100 Mitarbeitern, rund 1000 Autotransportern und 350 Doppelstockwaggons zu den führenden Autospeditionen der Republik – und ist im Komplettauto-Transport die Nummer zwei hinter der halbstaatlichen Bremer Lagerhausgesellschaft (BLG).
Umsatzrekord 2019
2019 meldete die Spedition mit 430 Millionen Euro einen Umsatzrekord – bei einem gleichzeitigen Nettogewinn von 14,6 Millionen Euro. Im Coronajahr 2020 allerdings gingen die Erlöse um 30 Millionen Euro zurück, und auch das Geschäftsjahr 2021 dürfte angesichts der unter Autoherstellern grassierenden Chipkrise wenig befriedigend ausfallen.
Umso mehr drängt Konzernherr Jörg Mosolf auf den Ausbau seiner bislang kleinsten Unternehmenssparte, die er unter der Bezeichnung „Sonderbau“ führt. Sie rüstet gewöhnlich simple Limousinen und Kombis zu Polizei- und Zollfahrzeugen um, baut Zusatzeinrichtungen für den Katastrophenschutz ein oder montiert in die braunen Lieferwagen des Paketverteilers UPS umweltfreundliche Elektromotoren.
Auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern stieß der Spediteur von der Schwäbischen Alb auf die kalifornische Firma Tropos, die im Silicon Valley südlich von San José Patente an einem nur 1,40 Meter breiten Elektrolieferwagen hält – und diese per Lizenz an interessierte Hersteller vergibt.
„Für uns war das die perfekte Nische“, schwärmt Mosolf. „Das Fahrzeug ist kleiner als etwa ein Sprinter oder Crafter und steht deshalb nicht mit Mercedes oder VW im Wettbewerb.“ Seine mächtigen Kunden, so viel ist klar, will der süddeutsche Autotransporteur schließlich nicht vergraulen. Denn immerhin 600 Fahrzeuge sollen schon in diesem Jahr ausgeliefert werden, mindestens doppelt so viele im nächsten.

Der gelernte Speditionskaufmann promovierte nach dem MBA in St. Gallen.
Konzipiert ist der Mini-E-Laster für den Innenstadtverkehr, von Fachleuten gern als „urban logistics“ bezeichnet. Starten sollen die Tropos-Lieferwagen bevorzugt von Umschlagplätzen am Stadtrand, von wo aus sie die sogenannte „letzte Meile“ zu Privathaushalten oder Einzelhandelsgeschäften bedienen. „Beim Tropos geht es um Logistik und Prozesse“, doziert der gelernte Speditionskaufmann, der nach seinem MBA-Abschluss in St. Gallen promovierte.
Entsprechend bietet er der Kundschaft eine Vielzahl von Nutzungsmöglichkeiten – von der dreiteiligen Schiebetür über den Planwagen-Aufbau bis hin zur Kippvorrichtung. Eine solche Fokussierung auf die Kundschaft, glaubt der Firmenchef einen Erfolgsfaktor gefunden zu haben, sei beim Streetscooter versäumt worden.
Tatsächlich gibt es für den Tropos eine bunte Kundenliste. Die niederländische Supermarktkette Albert Heijn orderte die Fahrzeuge, um mit ihnen Lebensmittel CO2-frei auszuliefern. Auch die Frankfurter Facility-Management-Gruppe Wisag bestellte die kleinen E-Transporter, wie auch der französische Citylogistiker Swoopin, der für Kunden wie Hellofresh, Zalando oder Carrefour unterwegs ist.
Basismodell ab 24.000 Euro
„Auch auf Campingplätzen, in Freizeitparks und in Zoos ist der Tropos im Einsatz“, berichtet Marketingchef Gordon Krug. Bestellungen gebe es aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Benelux und Dänemark. Der europäische Umsatz sei inzwischen weit größer als der in Amerika.
Ein möglicher Grund: Das Fahrzeug ging zwar erstmals vor vier Jahren in den USA an den Start, entworfen wurde es ursprünglich aber in Frankreich für den europäischen Markt. Der Erfinder hatte es vom österreichisch-kanadischen Autozulieferer Magna entwickeln lassen, war anschließend aber in die Insolvenz geschlittert. Die Patente erwarb daraufhin die US-Firma Tropos Technologies.
Mit Preisen ab 24.000 Euro ist das hierzulande in Lizenz gebaute Fahrzeug deutlich günstiger als ein Streetscooter mit vergleichbarer Zuladung, für den Interessenten knapp über 40.000 Euro auf den Tisch legen mussten. Laden müssen ihn Nutzer allerdings per gewöhnlicher Steckdose, was zwischen acht und zehn Stunden dauert. Künftig soll ein Solarpanel, das auf dem Lieferwagendach montiert ist, für zusätzlichen Strom sorgen.
50 Mitarbeiter sind mit dem Bau inzwischen beschäftigt, die meisten davon im Werk Herne, das die Schwaben 2019 auf einer Industriebrache neu errichtet haben. „Dort gab es zahlreiche qualifizierte Fachkräfte, nachdem Opel das Werk in Bochum dichtgemacht hatte“, berichtet Jörg Mosolf.
Zwischen 30 und 40 Zulieferer haben die Tropos-Monteure für die Produktion ausfindig machen müssen, am Ende aber liefern sie das Fahrzeug, anders als unter Lkw-Herstellern üblich, komplett mit Aufbau und IT.
Lob gibt es dafür sogar vom einstigen Branchenwettbewerber. Detthold Aden, lange Zeit Vorstandschef der BLG und damit des größten deutschen Autotransporteurs, vermerkte nach dem Besuch des Berliner Logistikkongresses auf LinkedIn: „Der Tropos kommt einfach gut an.“
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