Einzelhandel Edeka verkauft Bringmeister – und heizt dadurch den Wettlauf der Onlinesupermärkte an

Bringmeister war als Teil der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann zu dem Supermarktbetreiber gekommen. Der Hamburger Handelskonzern entwickelte das Geschäft allerdings kaum weiter.
Hamburg, Düsseldorf München wird zu einem der Schauplätze des Rennens um den Onlinesupermarkt der Zukunft. Möglich macht das der größte deutsche Supermarktbetreiber Edeka mit dem Verkauf seines Lieferdiensts Bringmeister. Käufer ist der tschechische Investor Rockaway, der in seinem Heimatland bereits den großen Online-Anbieter Kosik betreibt.
Das Interesse von Rockaway ist kein Zufall: Schließlich hat Kosiks tschechischer Rivale Rohlik bereits die Expansion nach Deutschland als neuen Schlüsselmarkt angekündigt. Erstes Duellgebiet hierzulande wird die bayerische Landeshauptstadt.
Der große Andrang zeigt, wie attraktiv der deutsche Lebensmittelmarkt für Investoren derzeit ist. Risikokapitalgeber pumpen zweistellige Millionensummen in die erst wenige Monate alten, superschnellen Anbieter Gorillas und Flink.
Während die beiden Start-ups mit Lieferung innerhalb weniger Minuten nach Bestellung werben, verfolgen die Tschechen eine etwas andere Strategie. Sie liefern innerhalb von drei Stunden – und damit immer noch erheblich schneller als etwa Rewe Online oder Amazon Fresh. Ob auch Bringmeister auf das Konzept umgestellt wird, ist noch unklar.
Für den Verkäufer Edeka dürfte das Interesse zur rechten Zeit kommen. Bringmeister war als Teil der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann in den Konzern gekommen. Edeka entwickelte das Geschäft allerdings kaum weiter. Beobachter rechneten sogar damit, dass die Hamburger Bringmeister eines Tages ganz einstellen könnten – zumal der größte deutsche Lebensmittelhändler beim niederländischen Bringdienst Picnic eingestiegen ist und sich offenbar auf dieses Modell konzentrieren will.
Händler will Bringmeister weiter beliefern
Nun dürfte Edeka sogar noch Geld für das Geschäft bekommen. „Alle rund 260 Arbeitsplätze in Logistik, Einkauf, IT und Verwaltung bleiben erhalten“, verspricht der Konzern. Der Händler werde Bringmeister weiterhin beliefern, obwohl Kosiks Partner in Tschechien Kaufland ist.
Bislang ist der schon vor 20 Jahren gegründete Versender nur in Berlin und München aktiv. Edeka betonte in der Mitteilung, seit der Übernahme vor drei Jahren habe Bringmeister den Umsatz verdreifacht.
Allerdings hat Edeka bislang wohl nicht ganz freiwillig an dem Konzept festgehalten: Im Rahmen der Übernahme musste sich der Handelsverbund verpflichten, fünf Jahre lang die Arbeitsplätze zu erhalten. Das war eine Auflage der damaligen Ministererlaubnis, die die Bedenken des Kartellamts übertrumpfte. Der aktuelle Verkauf ist nur möglich, weil die Gewerkschaft Verdi zustimmt.
Offenbar glauben die Gewerkschafter an den Schub durch den neuen Investor. Zu Rockaway gehören auch der osteuropäische Online-Anbieter Mall Group und ein Paketdienst. „Die Investition wird Rockaway Capital die Chance geben, im deutschen Markt Fuß zu fassen, da das Unternehmen das Geschäft von Bringmeister in den kommenden Jahren steigern und positiv weiterentwickeln will“, heißt es in der Mitteilung.
Rohlik: Über München an die Frankfurter Börse
Für Tomas Cupr dürfte sich das wie eine Kampfansage des Rivalen lesen. Der Gründer hat die Expansion seines tschechischen Onlinesupermarkts Rohlik in den Großraum München bereits fest eingeplant. In zwei Monaten soll es losgehen – als Beginn einer großen Deutschland-Expansion. „Die Frankfurter Börse ist unser Ziel. Daher wollen wir in Deutschland sehr bekannt werden“, sagte er dem Handelsblatt.
Gerade erst hat er eine 190 Millionen Euro schwere Finanzierungsrunde, angeführt vom Investor Partech, abgeschlossen. Diese soll die Expansion nach Deutschland unter der neuen Marke Knuspr befeuern.
In vier bis fünf Jahren könne sein Unternehmen börsenreif sein, sagte Cupr. Bis dahin will er vier bis fünf Milliarden Euro Umsatz erzielen. Cupr ist der bestimmende Kopf bei dem 2014 in Prag gegründeten Unternehmen: Trotz der Finanzierungsrunden halte er selbst noch 56 Prozent am Unternehmen, da er ebenfalls investiert habe.
Abhängig ist die Operation Börsengang von der Entwicklung der Expansion. Im kommenden halben Jahr will sich Cupr auf München konzentrieren, wo der Tscheche in zwei Monaten starten will. „Das Modell ist international bereits sehr erfolgreich. Daher erwarten wir in München keine negativen Überraschungen“, sagte er.

In Deutschland nutzt er die Marke Knuspr.
Ende des Jahres soll Frankfurt hinzukommen. Der Vertrag für ein Lager in der Stadt sei bereits unterschrieben. Dort sollen 20.000 unterschiedliche Produkte lagern. Anschließend sollen schnell weitere Städte in Deutschland dazukommen – etwa Köln, Düsseldorf und Dortmund. „Wir werden schnell Stadt für Stadt eröffnen“, sagte Cupr. Auch Standorte in Ländern wie Rumänien, Polen und Frankreich seien denkbar.
Knuspr soll sich vor allem an Familien richten, die größere Wocheneinkäufe bestellen wollen. In Deutschland strebe er knapp 100 Euro pro Einkauf an – gegenüber 60 Euro im Heimatland Tschechien.
Damit grenzt sich Cupr zudem von Rivalen wie Gorillas und Flink ab, die dank kleinerer Sortimente innerhalb von 20 Minuten liefern. Er bezweifele, dass deren Modell profitabel werden könne, obwohl sie anders als Knuspr Liefergebühren verlangen. „Man verdient mit Warenkörben von 20 Euro kein Geld“, sagte er. Daher müssten die aggressiven Newcomer ihren Investoren „Wachstum um jeden Preis“ zeigen.
Rohlik dagegen sei bereits in Tschechien und Budapest profitabel, sagte Cupr. In Wien solle die Gewinnzone innerhalb von 18 Monaten erreicht werden.
Hauptkonkurrenten seien für ihn nicht die anderen Online-Anbieter, sondern die stationären Supermärkte, sagte Cupr. Auf dem Markt sei Platz für drei bis vier Online-Anbieter pro Stadt. Doch trotz des Optimismus sieht er insgesamt nur ein begrenztes Potenzial für den Online-Lebensmittelhandel. Drei bis vier Prozent Marktanteil der Onlinehändler insgesamt seien innerhalb der nächsten fünf Jahre realistisch, schätzte er.
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