Einzelhandel Mymuesli schließt fast alle Läden – und macht trotz Corona Gewinn

Fast alle Geschäfte des Müsli-Versenders sollen geschlossen werden.
Düsseldorf Die Fußgängerzonen füllen sich langsam wieder mit Besuchern, nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen zieht es wieder mehr Besucher zum Einkaufen in die Innenstädte. Doch für viele Mymuesli-Filialen kommt das zu spät. Die Entscheidung, fast alle der 23 noch existierenden Läden des Müsliversenders zu schließen, ist gefallen. Nur die Geschäfte in Passau, München und Geisslingen sollen offen bleiben.
Doch Hubertus Bessau bereut diese Entscheidung nicht. „Die Coronakrise war nicht der Hauptgrund für die Schließung. Wir verfolgen eine Online-first-Strategie und folgen dem Trend weg von stationären Läden“, sagte der Co-Gründer von Mymuesli dem Handelsblatt.
Laut Bessau hat Corona die neue Strategie des Unternehmens nur beschleunigt. Mymuesli glaubt, mit einer Rückbesinnung auf eine Online-Strategie besser wachsen zu können. Die gerade veröffentlichten Unternehmensdaten bestärken ihn darin. Denn während der Corona-Zeit wuchs der Online-Umsatz um 33,2 Prozent auf 58,4 Millionen Euro, die Anzahl der aktiven Online-Kunden stieg um 28 Prozent auf fast eine Million.
Das kompensierte sogar die Umsatzeinbußen der Filialen. So stieg der Gesamtumsatz um 15,7 Prozent auf 80,3 Millionen Euro. Der operative Gewinn (Ebitda) sprang sogar um 369 Prozent auf fünf Millionen Euro.
Eine solche Entwicklung war in den Anfängen von Bessaus Karriere nicht abzusehen. Während der Schulzeit begann er, Websites zu entwickeln. Beim BWL-Studium in Passau lernte er Philipp Kraiss kennen. Gemeinsam gründeten sie zunächst eine der ersten vollautomatischen Videotheken in Deutschland.
2005 kam ihnen dann am Badesee die Idee: Bio-Müsli, das sich jeder individuell zusammenstellen kann. Zusammen mit Max Wittrock gründeten sie zwei Jahre später Mymuesli.
Die Passauer sind damals die Ersten mit der Idee, Lebensmittel im großen Stil zu individualisieren. Jeder Kunde kann die Zutaten für sein Müsli frei wählen und es online bestellen. Heute bietet die weiterentwickelte Müsli-Mix-Maschine 566 Billiarden verschiedene Kombinationsmöglichkeiten.
Filialumsatz von Mymuesli bricht im Lockdown um 80 Prozent ein
Die Idee kommt gut an: Schon nach zwei Wochen ist das Start-up ausverkauft. Am Anfang wurde noch jede einzelne Dose von Hand abgefüllt. Das Unternehmen erhielt 2013 den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Aufsteiger.
Selbst von zeitweise sechs Wochen Wartezeit ließen sich viele Kunden nicht abschrecken. Und das, obwohl die Marktforschung mit über 1000 Teilnehmern vor dem Start ergeben hatte, dass niemand Müsli online bestellen möchte.

Der Co-Gründer kehrt bei MyMuesli zurück zu einer reinen Online-Strategie.
Schon bald eröffnen die Gründer erste eigene Läden, um mehr Kunden zu erreichen. „Das beste Marketing ist das Probieren des Müslis“, sagt Bessau. „Wir wollten nahe am Kunden sein.“ Das Filialwachstum ging rasch voran – möglicherweise zu rasch. Schon 2016 eröffnen die Gründer den 50. Laden. Auch nach Österreich und in die Schweiz wurde expandiert.
Dadurch machten sie ihre Marke extrem bekannt. Laut dem Neuroscape-Markenmonitor punktete Mymuesli insbesondere emotional und wurde 2017 von den Marktforschern zur stärksten Lebensmittelmarke in Deutschland gekürt.
Doch die vielen Läden wurden zunehmend zum Kostenfaktor und trugen dazu bei, dass das Unternehmen jahrelang Verluste schrieb. Zugleich wurden sie weniger wichtig für die Kundengewinnung. Heute bestellen die Kunden gern online, und auch Probierpakete können einfach vertrieben werden. Dazu kommt: Fertig gemischte Varianten von Mymuesli werden auch in Supermärkten wie Rewe oder Edeka verkauft.
So war gut die Hälfte der Läden schon wieder geschlossen, als mit der Pandemie der Lockdown kam. Der Umsatz in den Filialen brach um 80 Prozent ein. Das gab dann den letzten Anstoß, sich wieder radikal auf die Onlinestrategie zurückzubesinnen. Heute wird das Müsli online in neun verschiedene Länder verkauft.
Wachsen will Mymuesli jetzt auch über eine Verbreiterung des Sortiments. Inzwischen können über die Website des Unternehmens verschiedene andere Produkte wie Bio-Blatttee (Tree of Tea) oder pflanzliche Milchalternativen (Nilk), erworben werden. „Wir möchten von Europas führender Müsli-Marke zur führenden Plattform für individualisierte Lebensmittel wachsen“, sagt Bessau.
Mehr: Bund droht nach Ende des Lockdowns Welle an Entschädigungsklagen.
Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.