Essenslieferant mit steigenden Umsätzen Rewe sagt Hello-Fresh den Kampf an

Mehrwert für den Kunden.
Düsseldorf Seine ersten Bestellungen lieferte der Kochbox-Versender Hello-Fresh 2012 noch in Tüten aus. Die Zutaten hatten die Gründer vorher selbst im Supermarkt eingekauft. Lebensmittelhändler hielten das für eine verrückte Idee. Doch 2016 machte Hello-Fresh in den ersten neun Monaten weltweit 440 Millionen Euro Umsatz – doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum.
Plötzlich sind die Händler elektrisiert. Rewe ist die erste Supermarktkette, die auf Hello-Fresh und andere Start-ups reagiert hat. Die Kölner verzahnen auf ihrer Website die Rezeptdatenbank mit dem eigenen Lieferdienst. Für den Kunden wird der Zutateneinkauf im Netz dadurch deutlich vereinfacht – eine Kampfansage an die Kochbox-Lieferdienste. Schließlich richten sich beide Angebote an dieselbe Zielgruppe: Kunden, die keine Zeit im Supermarkt verlieren, aber trotzdem selbst kochen wollen.
Bei Hello-Fresh kann der Kunde aus einer wöchentlich wechselnden Auswahl an fertig zusammengestellten Kochboxen wählen. Die Zutaten sind bereits portioniert und abgewogen. Die Anzahl der Gerichte ist dabei ebenso optional wie die Zahl der Menüs. Zugestellt werden die Boxen per Expressversand.

Bei dem Lieferdienst kann der Kunde aus einer wöchentlich wechselnden Auswahl an fertig zusammengestellten Kochboxen wählen.
Bei Rewe läuft es etwas anders. Dort können sich die Kunden auf der Homepage ein Rezept aussuchen, dazu bietet das System eine Auswahl der jeweils passenden Produkte an. Der Käufer kann selbst entscheiden, ob er das Markenprodukt oder die günstigere Eigenmarke nimmt. Die Bestellung kommt dann mit dem Rewe-Lieferdienst. „Es geht darum, Vertriebswege miteinander zu verzahnen, neue kundenorientierte Services und Mehrwerte zu schaffen, mit neuen Funktionalitäten Kunden zu binden und zusätzliche Umsätze zu generieren“, erklärte ein Rewe-Sprecher.
Schließlich hat Rewe-Chef Alain Caparros für den Umsatz des Lieferdienstes ehrgeizige Ziele gesetzt: „In drei Jahren wollen wir bei 800 Millionen Euro sein.“ Nach aktuellem Stand wäre Rewe damit hinter Amazon, Otto und Zalando der drittgrößte Onlinehändler. Doch davon ist Rewe noch weit entfernt. Die letzten veröffentlichten Zahlen wiesen für 2014 einen Umsatz von rund 25 Millionen Euro aus. Doch Experten gehen von hohen Wachstumsraten in diesem Geschäft aus, so dass der Umsatz mittlerweile bei 100 Millionen Euro liegen könnte.
Rewe dürfte nicht als einziger Lebensmittelhändler in direkte Konkurrenz zu den Kochbox-Lieferdiensten treten. Andere werden folgen, glaubt Thomas Täuber, Geschäftsführer für den Bereich Einzelhandel bei der Unternehmensberatung Accenture: „Dass weitere Spieler nachziehen, halte ich für sehr wahrscheinlich. Es kann sich keiner leisten, nicht in diesen Bereich zu gehen.“
So hat der Discounter Lidl im November 2015 den Lieferdienst Kochzauber übernommen, auch andere Konkurrenten machten sich auf den Weg. Mittlerweile haben alle namhaften Händler auf ihren Websites Rezeptdatenbanken integriert. Es fehlt aber meist die direkte Verknüpfung mit den Produkten sowie mit dem Lieferdienst. Da hat jetzt Edeka eine neue Perspektive: Der Marktführer sicherte sich mit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann auch deren Lieferservice Bringmeister.
Die Verknüpfung von Rezeptvorschlägen, Zutateneinkauf und Lieferservice bringt dem Kunden einen Mehrwert, der ihn an den Händler bindet. Er kann beim Kunden Bestandteil der Küche werden, letztlich sogar dessen Vorratsschrank managen. Doch aktuell hecheln die Händler der Start-up-Konkurrenz hinterher. „Dabei haben sie eigentlich die besseren Voraussetzungen als die Kochbox-Anbieter“, sagt Täuber. Durch die einzeln verpackten Zutaten habe Hello-Fresh Nachteile in puncto Nachhaltigkeit. Zudem können die Supermärkte eine viel größere Auswahl an Produkten zu einem geringeren Preis anbieten, weil sie größere Mengen einkaufen.
Zwar können die Supermärkte auch online nur vollständige Einheiten verkaufen. Aber auch dieses Problem lässt sich lösen, so Täuber: „Der nächste Schritt für die Supermärkte liegt in intelligenten Systemen.“ Sie könnten den Kunden dabei helfen, den Einkauf optimal in der Küche zu nutzen und beispielsweise Rezepte längerfristig zu planen. Auch die Verknüpfung des Einkaufs mit bestimmten Ernährungsplänen wird damit möglich.
Fest steht: Das Thema Onlinehandel wird für den Lebensmittelhandel in der Zukunft wichtiger. Zwar machte 2015 der Onlinehandel nur ein Prozent am gesamten Lebensmittelhandel aus. Aber die Margen sind so gering, dass die Geschäfte auf jeden Artikel angewiesen sind, der Umsatz und Gewinn bringt.
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