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Fahrgastrechte Reisende überziehen Deutsche Bahn mit Entschädigungsforderungen

Die immer größere Zahl an Verspätungen kostet den Konzern viele Millionen Euro. Denn immer mehr Reisende nehmen ihre Rechte wahr.
18.02.2019 Update: 18.02.2019 - 09:55 Uhr 2 Kommentare

Berlin Die Bahn steht unter hohem Druck, dass ihre ICEs schnell pünktlicher und zuverlässiger werden. Der Bund als Eigentümer stärkt Konzernchef Richard Lutz dafür den Rücken. Neue Erwartungen gibt es aber auch. „Das Team Lutz muss die Bahn in den nächsten Monaten wieder fit machen“, sagte kürzlich Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Was der Minister meint, klingt auch schon im Koalitionsvertrag an. „Pünktlichkeit, guter Service und hohe Qualität müssen das Markenzeichen der Eisenbahnen in Deutschland sein“, steht dort als hehres Versprechen. Ganz so einfach ist das aber nicht.

Im Tagesgeschäft steht der bundeseigene Konzern wegen Verspätungen und Servicemängeln bei vielen Fernzügen in der Kritik. Ein Problem, das der Bahn seit Jahren zu schaffen macht. So haben sich im Fern- wie im Nahverkehr die Beschwerden der Reisenden in den vergangenen zehn Jahren mehr als verzehnfacht. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf ein Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, die dem Handelsblatt vorliegt.

Sind im gesamten Jahr 2009 bei der Bahn rund 200.000 Fahrgastrechte-Formulare eingereicht worden, mit denen Kunden ihre Ansprüche geltend machen, waren es im Jahr 2018 etwa 2,2 Millionen (2017: 1,5 Millionen; 2016: 1,3 Millionen).

Die Masse an Beschwerden – pro Fahrgast-Formular können das auch mehrere Reisende sein – belastet die Bahn finanziell erheblich. Die immer größere Zahl an Verspätungen kostet den Konzern viele Millionen Euro.

Im vergangenen Jahr habe die Bahn an 2,7 Millionen Reisende eine Entschädigungssumme von insgesamt 53,6 Millionen Euro für Kunden im Nah- und Fernverkehr gezahlt, sagte eine Unternehmenssprecherin dem Handelsblatt. Im Jahr 2017 waren es 34,6 Millionen Euro an 1,8 Millionen Reisende, ein Jahr zuvor 24,6 Mio. Euro an 1,5 Millionen Fahrgäste.

Damit belaufen sich die Kosten für Entschädigungen allein in den vergangenen drei Jahren auf 112,8 Millionen Euro. Zum Vergleich: Ein neuer ICE-4-Zug kostet etwa 40 Millionen Euro.

Laut der Bahn-Sprecherin sind die Fälle 2018 im Vergleich zum Vorjahr aufgrund „vieler externer Einflüsse“ angestiegen: Nach den Stürmen Friederike und Burglind im Januar vergangenen Jahres seien harte Wintereinbrüche im Februar und März zu verzeichnen gewesen. Im Mai und Juni hätten starke Niederschläge für Erdrutsche und Unterspülungen gesorgt. Blitzeinschläge hätten darüber hinaus viele Stellwerke und Züge außer Gefecht gesetzt, erklärte die Bahn-Sprecherin.

Auch mit der Sommerhitze hatte die Bahn zu kämpfen. So habe die ausgeprägte Trockenheit aufgrund der dauerhaft hohen Temperaturen unter anderem zu zwei Großbränden bei Kassel im Juli und bei Siegburg im August geführt. „Massive Verspätungen durch eine wochenlange Streckensperrung zog auch der Brand eines ICE-Zuges im Oktober auf der wichtigen Schnellfahrstrecke zwischen Köln und Frankfurt/Main nach sich“, sagte die Bahn-Sprecherin. Im Dezember habe schließlich ein Warnstreik massive Verspätungen und Ausfälle ausgelöst, die zahlreiche Entschädigungszahlungen nach sich zogen.

Wer wie entschädigt wird, ist klar geregelt. Derzeit müssen Bahnunternehmen in der EU bei mindestens einer Stunde Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstatten, bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent. Wird im schlimmsten Fall eine Übernachtung nötig, muss das Unternehmen auch die Kosten für ein Hotelzimmer tragen.

Künftig können sich geschädigte Kunden vielleicht noch mehr Geld zurückholen. Das EU-Parlament fordert, dass schon ab einer Stunde die Hälfte des Fahrkartenpreises fällig wird, ab eineinhalb Stunden dann drei Viertel. Bei mehr als zwei Stunden soll nach dem Willen der EU-Parlamentarier der volle Preis erstattet werden.

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Als ärgerlich empfinden es indes viele Fahrgäste, dass sie ihre Entschädigung immer noch in Papierform geltend machen müssen. Das dafür notwendige Fahrgastrechte-Formular können sie sich aus dem Internet, bei einem „Service Point“ oder einem Reisezentrum der Bahn besorgen. Anschließend muss das Formular ausgefüllt im Reisezentrum abgeben oder per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte in Frankfurt geschickt werden.

Die FDP kritisiert die Entschädigungspraxis und fordert Änderungen. „Viele Fahrgäste schrecken vor diesem Aufwand zurück“, sagte der FDP-Obmann im Rechtsausschuss des Bundestags, Roman Müller-Böhm, dem Handelsblatt. „Es wird dringend Zeit, diesen Prozess zu digitalisieren und dort, wo es möglich ist, zu automatisieren.“

Verbraucherschützer sehen das genauso. „Dass Geschädigte das Fahrgastrechte-Formular ausdrucken und per Briefpost zusenden müssen, ist nicht mehr zeitgemäß, sondern geradezu antiquiert. Digitalisierung ist für die Bahn eine Einbahnstraße: Digital verkaufen ja, aber nicht digital entschädigen“, sagte die Leiterin des Teams Mobilität und Reisen beim Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Marion Jungbluth, dem Handelsblatt. „Für ein Unternehmen, dass stolz ist auf seine vielen digitalen Produkte, ist es beschämend, dass ein Online-Formular zur Entschädigung nicht zur Verfügung steht.“

Jungbluth sieht den Bund als Eigentümer des Bahnkonzerns in der Pflicht, für Verbesserungen zu sorgen. „Der Eigentümer muss beim Bahnvorstand Druck machen und bis spätestens Sommer einen online-basierten Erstattungsantrag einfordern“, sagte die VZBV-Expertin. Jungbluth geht davon aus, dass dann auch die Entschädigungsforderungen an die Bahn deutlich höher ausfallen werden als bisher.

Obwohl die Entschädigungsansprüche von der Höhe her nur ein „marginaler Ausgleich“ für Stress, Zeitverlust, verpasste Termine und dadurch resultierende Kosten seien, summierten sich die Kleinbeträge aktuell zu einer stattlichen Summe. „Die Summe wäre wohl noch höher, wenn die Deutsche Bahn den Fahrgästen eine online-basierte Möglichkeit für einen Erstattungsantrag bieten würde“, so Jungbluth.

Die Verbraucherschützerin erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass die Fluggesellschaften bis zum nächsten Fluggipfel im März eine einfache online-basierte Erstattungsmöglichkeit liefern müssten. Damit gingen sie mit gutem Beispiel voran.

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2 Kommentare zu "Fahrgastrechte: Reisende überziehen Deutsche Bahn mit Entschädigungsforderungen"

Das Kommentieren dieses Artikels wurde deaktiviert.

  • Bei solch hohen Summen Entschädigung sollte einmal darüber nachgedacht werden zumindest die ICE Strecken mit Zäunen vor unbefugtem Zutritt zu sichern. Aus meiner kleinen Sicht als Fahrgast ist sehr oft die "Person im Gleis" ein Grund der Verspätungen. Ein Freund von mir ist seit 4 Jahren Lokführer und hat bereits 2 Personen tot gefahren und eine fast. So kann es nicht weitergehen!
    Und es gibt auch Leute die nicht tot gefahren werden wollen sondern sich an den Schaltschränken der Signaltechnik zu schaffen machen. Bahngelände ist Betriebsgelände und muss gesichert werden!
    Auch Tiere ("Schafe im Tunnel??") gab es schon auf den Gleisen, weil irgendein durchgeknallter Tierschützer denen die "Freiheit" gab.
    In anderen Ländern sind die Schnellbahnstrecken alle mit Zaun und teilweise sogar die Bahnsteige abgeriegelt.
    Dann noch die Bäume die zu nah stehen weg und die anderen regelmäßig untersucht.

  • Es wäre in der Tat kundenfreundlicher, den Anspruch auf Entschädigung wegen nicht vertragsgemäßer Beförderungsleistung in digitaler Form zu ermöglichen
    Ich persönlich würde eine Beschwerde an das Bundesverkehrsministerium schreiben und gleichzeitig meinen Unmut über das Versagen der CSU-Minister an der Spitze des Verkehrsministeriums zum Ausdruck bringen. Anstatt sich mit falschen Angaben von "Lungenfachärzten" zu brüsten. wäre es ratsamer, wenn Minister Andreas Scheuer sich zunächst um die zahlende und umweltfreundliche Kundschaft der Deutschen Bahn AG kümmern würde. Die Betonung liegt hier auf umweltfreundlich.
    Prioritäten richtig setzen heißt die Devie, Herr Scheuer. Wenn Herr Scheuer dazu nicht in der Lage, sollte er sich einen anderen Job suchen. Der Arbeitsmarkt bieter hervorragende berufliche Chancen z. B. bei Volkswagen oder weil der Bayer ist alternativ bei BMW. Das ist der deutsche Automobilhersteller, bei dem angelblich die für den US-amerikansichen Markt eingebauten Abgasreinigungssysteme in Deutschland nicht zur Verfügung stehen.

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