Familienunternehmen Wie sich Steinhaus aus Remscheid mit frischer Pasta gegen den Weltmarktführer Barilla behauptet

Unternehmerin Anja Steinhaus-Nafe führt den Feinkosthersteller aus Remscheid in fünfter Generation.
Düsseldorf Im Lockdown war frische Pasta gefragt wie nie. In Zeiten von Homeoffice und Homeschooling waren die Menschen dankbar, dass sie Ravioli oder Tortellini für die ganze Familie in wenigen Minuten servieren konnten. „Unsere 700 Mitarbeiter haben dankenswerterweise Sonder- und Wochenendschichten gefahren, damit wir die hohe Nachfrage bedienen konnten“, sagt Anja Steinhaus-Nafe, Unternehmerin in fünfter Generation. „Viele neue Kunden sind auf den Geschmack gekommen, sich mit frischer Pasta zu Hause zu verwöhnen. Zudem sich diese ganz schnell mit frischen Zutaten individuell verfeinern lässt.“
Dieser Trend bleibt – auch nach Wiedereröffnung der Gastronomie, beobachtet Steinhaus. „Jetzt merken viele, dass sie hochwertige Pasta zu Hause viel günstiger haben können.“ Der Absatz des Feinkostherstellers ist 2020 um 21 Prozent gestiegen. Der Umsatz erreichte 142 Millionen Euro. In diesem Jahr will die Unternehmerin den Absatz noch mal steigern. Und nach der Pandemie endlich die Präsenz im Ausland weiter ausbauen.
Bestseller waren zuletzt Klassiker wie Tortellonis mit Käse, Fleisch oder Spinat-Ricotta. Aber auch Premiumpasta Rustica war gefragt. Im zweiten Lockdown funktionierte Dinkelpasta für Gesundheitsbewusste besonders gut.
Weil die Kunden in der Pandemie im Supermarkt schnell ihre Einkaufsliste abarbeiteten, funktionierten neue Produkte dagegen weniger gut. Neueinführungen hat Steinhaus deshalb auf dieses Jahr verschoben. „Unsere neue vegane Pasta läuft hervorragend an.“
Die Herausforderung ist es, neben den Dauerbrennern immer wieder neue Produkte zu kreieren. So ist Steinhaus bekannt für frische Gyoza, japanische Teigtaschen, im Kühlregal. „Hier haben wir nun die Rezepte leicht verändert, neue Sorten entwickelt und die Verpackung nachhaltiger gemacht“, sagt die 50-Jährige. Der Trend gehe klar zu Premiumprodukten, Regionalität und gesunder Ernährung.
Deutscher Pionier für frische Pasta
Steinhaus ist Pionier für frische Pasta in Deutschland und auch der größte Hersteller hierzulande – und einer der führenden in Europa. Die Wurzeln liegen in einer Metzgerei im Bergischen Land. Steinhaus’ Ururgroßvater Johann-Peter gründete 1841 in Bergisch Born eine Ochsenschlachterei mit angeschlossener Schankwirtschaft. Vater und Onkel begannen Anfang der 50er-Jahre nicht nur für die eigenen Filialen, sondern auch für andere Metzger zu produzieren. 1972 stieg der Feinkostmetzger in die Großproduktion ein.
1983 brachte Steinhaus die erste frische Pasta in Deutschland auf den Markt. Die Idee kam aus der Schweiz. Der Handel reagierte zunächst ungläubig. „Convenience gab es damals noch nicht“, so Steinhaus. Die Firma belieferte Feinkosthäuser von Hertie bis Karstadt. Die Familie musste anfangs eigene Kühlregale aufstellen. „Damals waren wir sicher Deutschlands größter Kühlmöbelausstatter“, scherzt Steinhaus. „Das war mutig, aber zahlte sich langfristig aus.“ Heute ist Pasta im Kühlregal das Ankerprodukt in der Convenience-Abteilung jedes Supermarkts.

Produkte ohne Fleisch liegen auch bei Feinkost Steinhaus aus Remscheid im Trend.
Der deutsche Markt für frische Pasta ist zuletzt um 20 Prozent auf 317 Millionen Euro Umsatz im Einzelhandel gestiegen, hat Marktforscher Nielsen ermittelt. Nahezu drei Viertel des Absatzes werden von Handelsmarken dominiert. 65 Prozent seines Geschäfts macht auch Steinhaus mit Handelsmarken etwa für Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka. „Frau Steinhaus hat frische Pasta nach vorn gebracht – mit guter Qualität und einem Gespür für internationale Trends. Der Platz im Kühlregal von uns Händlern ist hart umkämpft“, sagt Klaus Dohle, Chef der Dohle Gruppe, die etwa die Hit-Märkte betreibt.
Im Markengeschäft liegen die Remscheider hierzulande auf Platz zwei hinter Hilcona aus Liechtenstein. Weitere Wettbewerber sind Giovanni Rana aus Italien oder der schwäbische Maultaschenspezialist Bürger, ebenfalls ein Familienunternehmen.
Barilla aus Parma dagegen, Weltmarktführer für Pasta, hat den 2017 gestarteten Markttest mit frischer Pasta in Deutschland nach zwei Jahren wieder beendet. Gekühlte Teigwaren hätten durchaus Potenzial, erklärte das Unternehmen auf Anfrage. Kürzlich hat Barilla etwa das britische Start-up Pasta Evangelist übernommen, das frische Pasta und Saucen vor allem online verkauft. „Unser strategischer Fokus in Deutschland ist jedoch das Pasta-Premium-Segment.“
Der Rückzug zeige, wie komplex und schwierig das Frische-Geschäft mit seinen kurzen Haltbarkeiten ist, meint Steinhaus. „Es erfordert besondere Planung. Unsere Mitarbeiter sind viel vor Ort in den Supermärkten, um die Frische zu garantieren.“
Expansion nach Europa
Ein weiterer Faktor erschwert das Geschäft: Die Rohstoffpreise sind sehr volatil geworden. Hartweizengrieß für die Pasta etwa ist stark im Preis gestiegen. „Die Hauptanbaugebiete liegen in Kanada, wo extreme Hitze herrscht, und in Frankreich, wo es Überschwemmungen gab“, so Steinhaus. Auch Preise für Energie, Verpackungsmaterial und Kartons haben angezogen.
Das zweite Standbein der Remscheider sind Braten- und Wurstspezialitäten. Bessere Haltungsformen bei Vieh werden sich laut Steinhaus etablieren und auch bei Fleisch höhere Einkaufspreise nach sich ziehen. „Wir werden wohl nicht umhinkommen, beim Handel Preiserhöhungen anzusprechen. Schließlich wollen wir unsere Mitarbeiter vernünftig bezahlen.“
Anja Steinhaus hatte immer schon den Wunsch, eines Tages ins Familienunternehmen einzusteigen. Sie und ihre Geschwister durften schon als Kinder Vorkoster spielen für neue Pasta und Bratenvariationen. „Da fragen nun unsere Kinder gezielt nach“, so Steinhaus, die für Produktentwicklung, Vertrieb und Marketing zuständig ist. Nach Banklehre und Studium der Betriebswirtschaft arbeitete sie bei großen Familienunternehmen der Nahrungsmittelbranche wie Zentis, der Molkerei Müller und Weihenstephan.
Ihren Mann Götz Nafe konnte sie dazu gewinnen, mit ins traditionsreiche Familienunternehmen einzusteigen. Er trat ein Jahr früher an als seine Frau und ist Geschäftsführer für Produktion und alles Kaufmännische. Die Unternehmerin sei zielorientiert, bodenständig und immer nah am Kunden dran, charakterisiert sie Händler Klaus Dohle. „Ihr Mann hat Know-how aus der Unternehmensberatung in den Betrieb gebracht – ein ideales Team.“
2003 stieg Steinhaus’ Onkel aus dem operativen Geschäft aus, 2008 ihr Vater. „Es gibt kein Familienunternehmen ohne Generationsreibereien“, beschreibt sie die Übergangsphase.
2006 entschied sich die Familie für einen radikalen Schnitt: Die Metzgereifilialen, Ursprung des Unternehmens, wurden verkauft. „Das war sehr schwer für meinen Vater, aber letztlich die richtige Entscheidung“, so Steinhaus. Danach entwickelte sich die Produktion der frischen Pasta rasant.
Nun will das Unternehmen endlich mit seiner Pastamarke die Expansion ins Ausland angehen. Frankreich, Großbritannien und Spanien standen eigentlich schon 2020 auf dem Programm. „Doch Corona hat uns komplett ausgebremst“, sagt die Unternehmerin. Als Handelsmarken vom deutschen Discounter wissen die Europäer schon lange frische Tortelloni und Ravioli aus dem Bergischen Land zu schätzen.
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wenn die Ernten weiter verdorren/ verbrennen/ wegschwimmen wird das mit den steigenden Rohstoffpreisen wacker so weiter gehen.
Und wenn der Mutterboden erst mal weggeschwommen ist, wächst da so schnell auch nichts mehr nach.