Fernbusmarkt Flixbus kauft den größten Busbetreiber in den USA und wird Marktführer

Das deutsche Jungunternehmen Flixmobility kauft die Ikone des US-Fernbusgeschäftes.
Frankfurt Flixmobility, eines der erfolgreichsten deutschen Mobilitäts-Start-ups, setzt zum großen Wurf in den USA an. Das Jungunternehmen übernimmt den bekannten US-Busdienstleister Greyhound. Damit wird die Tochter Flixbus, die seit 2018 in den USA aktiv ist, auf einen Schlag zur Nummer eins im amerikanischen Fernbus-Markt, in dem bis zur Pandemie jährlich rund 62 Millionen Fahrgäste die Busse nutzten.
Flixmobility erwirbt von der britischen First Group die Busse von Greyhound, deren Fahrer sowie die Marke. Nicht zum Paket gehören die Immobilien sowie die Pensionsverpflichtungen. Der Kaufpreis beträgt 46 Millionen Dollar. Greyhound hat wegen der Pandemie im letzten Geschäftsjahr einen Betriebsverlust von umgerechnet zehn Millionen Euro eingefahren.
„Der Charme des Deals liegt für uns in dem einzigartigen Markt, den Greyhound bedient und der unser Angebot in den USA gut ergänzt“, sagte André Schwämmlein, Mitgründer und CEO von Flixmobility, dem Handelsblatt.
Flixmobility – 2012 gegründet und mit einer Bewertung von drei Milliarden Euro ein deutsches Einhorn – ist die Dachgesellschaft für Flixbus und Flixtrain. Kerngeschäft ist eine Technologieplattform, über die zum Beispiel die Tickets vermarktet werden. Den Betrieb der Busse und Züge überlässt man anderen Unternehmen. Mit Greyhound übernimmt man allerdings 1200 Busse samt Fahrer. Über die Jahre will Flixmobility aber auch in den USA den Busbetrieb auf externe Partner umstellen.
Flixmobility will mit Greyhound das Angebot auf der eigenen Technologieplattform ausbauen und ankurbeln. Einen ähnlichen Ansatz nutzt der Autovermieter Sixt, der mit der eigenen IT als Basis die Flotte in den USA stark ausbaut.

Mit einer Flotte von rund 1200 Bussen beförderte das Unternehmen bis zum Beginn der Pandemie 16 Millionen Fahrgäste pro Jahr von und zu 2400 Orten in Nordamerika.
Für Flixmobility ist die Übernahme ein großer Schritt auf dem Weg zur globalen Marktführerschaft. In großen Teilen Europas wurde das schon erreicht. Flixmobility ist im deutschen Fernbusgeschäft mit einem Marktanteil von 90 Prozent eine Art Monopolist. Das Unternehmen ist zudem in Großbritannien, Frankreich, der Türkei, in Osteuropa sowie seit Mai 2018 auch in den USA aktiv. Eine Präsenz in Brasilien wird gerade aufgebaut.
Das alles kostet Geld. Laut Bundesanzeiger erzielte Flixmobility 2019 einen Konzernumsatz von rund 970 Millionen Euro, der Nettoverlust stieg von 15 auf 61 Millionen Euro. Das ist allerdings eine Folge der hohen Marketingaufwendungen und auch von Zukäufen. In vielen Märkten fahren die grünen Busse des Jungunternehmens bereits profitabel, auch an der Westküste der USA.
Für die Expansion hat sich Flixmobility finanziell gerüstet. Anfang Juni sammelte das Team um CEO André Schwämmlein 650 Millionen Dollar ein. An der Finanzierungsrunde – einer Mischung aus Kapital und Krediten – beteiligten sich bestehende Investoren wie zum Beispiel General Atlantic, Permira, TCV, HV Capital, Blackrock und Baillie Gifford. Mit Canyon Partners konnte Flixmobility auch einen neuen Investor gewinnen. Die drei Gründer Schwämmlein, Jochen Engert und Daniel Krauss halten nach letzten Angaben noch knapp über 25 Prozent der Anteile.
Mit dem Geld wollen Schwämmlein und sein Team „grüne und erschwingliche Mobilität für so viele Menschen wie möglich verfügbar machen“ und gleichzeitig globaler Marktführer werden. Dabei sind die USA als großer Mobilitätsmarkt schon länger auf dem Radar der Deutschen. Flixmobility-CEO Schwämmlein hatte in der Vergangenheit immer wieder betont, Marktführer in den USA werden zu wollen. Dabei schloss er auch Zukäufe nicht aus. „Im Moment wachsen wir in den USA sehr stark organisch. Wir schauen uns aber natürlich immer an, wie wir expandieren können, und wollen mittelfristig auch dort die Nummer eins sein“, sagte der Unternehmer dem Handelsblatt vor einigen Wochen.
Flixmobility übernimmt mehr als 1000 Busse
Dennoch geht das Unternehmen mit der Übernahme von Greyhound Risiken ein. So kommen mehr als 1000 Busse in die Flixmobility-Bilanz – mit einem Durchschnittsalter von über fünf Jahren. Hier dürfte die Flixmobility-Spitze einige Überzeugungsarbeit bei den bisherigen Investoren geleistet haben. Denn der Kauf bedeutet eine gewisse Abkehr von der Strategie, möglichst wenig belastende „Assets“ in der Bilanz zu haben (Asset Light).
Andererseits hat die Führung von Flixmobility bereits einmal bewiesen, dass sie auch komplette Busunternehmen übernehmen kann. In der Türkei übernahm man 2019 den Busanbieter Kamil Koc samt „Inventar“ und integriert diesen derzeit in das bestehende Geschäftsmodell. Nicht zuletzt deshalb dürften Schwämmlein und sein Team am Ende grünes Licht für die Greyhound-Übernahme bekommen haben.
„Hier geht es um mehr als nur die Ikone Greyhound, es geht um den US-Markt, den man sich kauft“, ist aus verhandlungsnahen Kreisen zu hören. Die Übernahme von Greyhound ist zudem mit Blick auf einen möglichen Börsengang von Flixmobility interessant. Zwar gibt es nach letzten Aussagen des Managements keine konkreten Pläne für einen sogenannten IPO, aber ausgeschlossen wird ein solcher Schritt auch nicht. Fest steht: Wer im größten Kapitalmarkt der Welt operativ stark vertreten ist, dürfte sich bei einem Börsengang künftig leichter bei Investoren tun.

Kerngeschäft ist nicht das Fahren der Busse und Züge. Das überlässt das Management lieber Partnern, die auch den Fuhrpark vorhalten.
Greyhound ist eine Ikone im sogenannten Intercity-Busverkehr in den Staaten. Mit einer Flotte von rund 1200 Bussen beförderte das Unternehmen bis zum Beginn der Pandemie 16 Millionen Fahrgäste pro Jahr von und zu 2400 Orten in Nordamerika. Damit ist der Buslinienbetreiber der größte Anbieter. Der Billig-Rivale Megabus beförderte bis zur Krise jährlich rund sechs Millionen Fahrgäste in den Staaten.
Allerdings hat die Coronakrise Greyhound mächtig zugesetzt. Fuhren bis zur Krise täglich rund 40.000 Passagiere mit der Marke mit dem Windhund-Logo, waren es zuletzt nur noch 10.000. Aus dem Geschäftsbericht der First Group geht hervor, dass Greyhound im Fiskaljahr 2021 (bis Ende März 2021) einen Verlust von 12,1 Millionen Dollar – umgerechnet 10,4 Millionen Euro – einfuhr. Im Geschäftsjahr zuvor waren es sogar minus 15,3 Millionen Dollar. Der Umsatz brach von 766 Millionen auf 422,6 Millionen Dollar ein.
Die Belegschaft wurde auf 2500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als halbiert, unter anderem durch Teilverkäufe und die Schließung des Betriebs in Kanada. Rund 600 Busse wurden wegen Corona aus dem Betrieb genommen. Dennoch wartet auf das Management von Flixmobility noch einige Arbeit in den USA. Beim Umbau auf das Plattformmodell müssen die Gewerkschaften ins Boot geholt werden, die traditionell stark bei Greyhound vertreten sind.
Hinzu kommt der Wettbewerb mit den Billig-Airlines in den USA sowie mit teils regionalen Bus-Rivalen auf kürzeren Distanzen. Schon vor der Pandemie geriet das Geschäft unter Druck. Die operative Ergebnismarge sackte von 6,2 Prozent im Fiskaljahr 2017 auf nur noch 0,3 Prozent in 2019 ab. „Der Wettbewerb durch Airlines beeinflusst die Nachfrage nach Bus- und Zugreisen, besonders im Langstrecken-Geschäft von Greyhound“, heißt es im jüngsten Geschäftsbericht des bisherigen Eigentümers First Group.
Greyhound steht bereits seit 2019 im Schaufenster. Zunächst hatte die First Group, der größte Busbetreiber in Großbritannien, beschlossen, sich stark auf das US-Geschäft zu konzentrieren. Doch der Investor Coast Capital, der zehn Prozent an dem britischen Unternehmen hielt, drängte das Management 2019 zu einem radikalen Strategieschwenk.
Nun konzentriert sich die First Group auf den Heimatmarkt Großbritannien und trennt sich sukzessive von anderen Aktivitäten. Allerdings fand die First Group bisher keinen Investor für Greyhound – wohl auch wegen der Pandemie.
Der US-Busmarkt wurde bereits 1982 liberalisiert, viel früher als in den meisten anderen Ländern der Welt. Dennoch kurbelte das den Markt zunächst nicht an. Gut 20 Jahre lang blieb alles beim Alten. Greyhound – 1914 gegründet – war der Platzhirsch und konkurrierte weitgehend allein gegen den Bahnbetreiber Amtrak und Billigflieger wie Southwest. Erst 2006 kam Bewegung in den Markt, als die britische Stagecoach Group mit ihrer Marke Megabus einen Billiganbieter in den USA startete.
Danach explodierte der Markt förmlich. Zwischen 2006 und 2016 wuchs die Zahl der werktäglichen Intercity-Busverbindungen nach Schätzungen von Joseph P. Schwieterman von der DePaul-Universität in Chicago um rund 35 Prozent auf rund 5000. In der Spitze beförderten die Busunternehmen in den Staaten über 62 Millionen Fahrgäste pro Jahr.
Doch schon vor der Pandemie ließ die Euphorie etwas nach. Mit ihren Kampfpreisen zogen die Billig-Airlines zunehmend Kunden ab. Niedrige Spritpreise machten zudem das Auto attraktiver. Im Markt für Intercity-Busverbindungen begann eine Konsolidierung. Die Busunternehmen strichen ihr Netz zusammen, die Stagecoach Group trennte sich im April 2019 von den US-Aktivitäten inklusive der Marke Megabus und verkaufte diese an den amerikanischen Private-Equity-Investor Variant Equity Advisors.
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