Fernbusse Flixbus plant Expansion nach Russland

Der deutsche Fernbus-Riese will sein internationales Angebot ausbauen.
Moskau, Berlin Vor dem Paweletzki Woksal, einem der sieben großen Moskauer Bahnhöfe, wird noch mit Mundpropaganda geworben: „Wer will noch mit dem Bus nach Saratow?“ ruft ein drahtiger, schwarzhaariger Mann mit Stoppelbart. „Nach Woronesch“, übertönt ihn sein Nachbar.
Der Markt für Fernbusfahrten in Russland ist hart umkämpft. Offiziell gibt es 1 372 reguläre Busunternehmen. 2015 waren es 2400, doch die Krise und gesetzliche Vorgaben haben viele Firmen in die Pleite getrieben – oder in die Illegalität.
Nun könnte ein neuer Konkurrent den Markt aufmischen: Flixbus bestätigt einen Bericht der Tageszeitung „Kommersant“, dass das Münchener Start-up auf dem Sprung nach Russland ist. „Wir können bestätigen, dass wir in einer frühen Geschäftsaufbauphase sind“, sagte ein Sprecher. Als Hauptdrehkreuz soll Moskau dienen. Wie in allen anderen Märkten wolle Flixbus mit regionalen Busunternehmen ein Netz aufziehen.
Flixbus ist bereits in 28 Ländern unterwegs, darunter beinahe alle west- und mitteleuropäischen Staaten. Seit 2018 betreibt das Unternehmen auch erste Linien an der US-Westküste und fordert damit den Fernbuspionier Greyhound heraus. Ständig werden Expansionsmöglichkeiten in weitere Ländern sondiert.
Die Gründung des Unternehmens in Deutschland ist noch nicht lange her. 2013 hatte der Gesetzgeber den innerdeutschen Fernbusfernverkehr liberalisiert, der zuvor zum Schutz der Eisenbahn verboten war.
Die Münchener haben inzwischen fast alle Konkurrenten verdrängt. Selbst Post und Bahn haben aufgegeben. Die Bahn hat nur grenzüberschreitende Linien beibehalten. Flixbus dominiert mit fast 95 Prozent Marktanteil innerhalb Deutschlands.
Buchen lassen sich inzwischen auch einige Zugverbindungen unter dem Namen Flixtrain. Das sind die Linien Hamburg-Köln und Stuttgart-Berlin. Dazu soll im kommenden Jahr eine Verbindung Berlin-Köln kommen. Die Strecke Berlin-München muss noch warten weil Flixtrain so schnell keine Züge organisieren konnte, die auf dieser Hochgeschwindigkeitsstrecke fahren dürfen.
Lukrative Verbindungen
Flixmobility, die Muttergesellschaft von Flixbus und Flixtrain, dementierte auf Anfrage russische Berichte, nach denen die Betriebsaufnahme am 21. Februar bekannt gegeben werden soll. Es gebe noch keine feststehenden Daten und Termine, hieß es in München dazu.
Flixbus hat eine russischsprachige Webseite, diese bietet aber keine Möglichkeit, Fahrten in dem Land zu buchen. Es gibt es somit keine Informationen über mögliche Reiserouten. Als lukrativ gelten Busverbindungen von Moskau in größere Städte im Umkreis von 300 bis 500 Kilometern – vor allem, wenn es keine Bahnanbindung gibt. Diese Busse werden oft von Pendlern und fliegenden Händlern genutzt.
Flixbus schlägt dem Bericht der russischen Zeitung zufolge den Busunternehmen ein Partnerschaftsmodell vor: Die Münchener verpflichten sich, mindestens 50 Prozent der Sitzplätze im Bus selbst zu verkaufen, die Fahrer zu schulen und Fahrzeuge mit eigener Software und Technik auszustatten.
Als Gegenleistung will Flixbus 30 Prozent der Einnahmen kassieren. Die Verträge laufen demnach mindestens eineinhalb Jahre. Das entspräche in etwa dem Modell in Westeuropa.
Flixbus besitzt selbst keine Fahrzeuge, sondern betreibt nur die Buchungsplattform, das Marketing und die Streckenplanung. Das Geschäftsmodell haben die drei Münchener Unternehmensgründer Jochen Engert, Daniel Krauss und Andre Schwämmlein erfolgreich multipliziert. Auch Flixtrain funktioniert danach. Der Clou liegt darin, dass Flixmobility kein Kapital bindet. Die Fahrzeuge bleiben im Risiko der Busunternehmer, die für Flixbus fahren.
In den vergangenen Monaten gab es immer wieder Gerüchte, Flixmobility, deren größte Investoren General Atlantic und Silverlake sind, plane eine Kapitalerhöhung. Das wird in Kreisen des Unternehmens klar dementiert. Solange keine größeren Übernahmen anstünden oder Geld für außergewöhnliche Projekte gebraucht würde, reiche die derzeitige Kapitalausstattung aus.
Allerdings scheint Flixbus inzwischen so große Aufmerksamkeit erregt zu haben, dass weitere Investoren wie Rocket Internet aufmerksam geworden sind und Interesse bekundeten. Ein Einstieg des deutschen Start-up-Finanzierers scheint aber nicht zur Diskussion zu stehen.
Zum Einhorn aufgestiegen
Weil das Unternehmen genug Cashflow generiert, um die laufende organische Expansion selbst zu finanzieren, steht wohl auch kein Börsengang an, über den schon seit einiger Zeit spekuliert wird. Die drei Gründer selbst hatten den Gang aufs Parkett als eine Option ins Spiel gebracht, zugleich aber immer versichert, dass sie keinen Ausstieg planten.
Auch die angebliche Bewertung des Start-ups mit bis zu 2,5 Milliarden Euro scheint Insidern etwas hoch gegriffen. Nach der letzten Kapitalrunde Ende 2917 war Flixmobility in die Riege der sogenannten Einhörner aufgestiegen, die mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet werden.
Den potenziellen Passagieren in Russland wird das recht gleichgültig sein. Sie würden vom Einstieg profitieren, meint Verkehrsanalyst Wjatscheslaw Subbotin. „Der Markt befindet sich im halblegalen Zustand. Oft muss bar bezahlt werden, ohne Abrechnung und Quittung und damit auch ohne hundertprozentige Verantwortlichkeit“, sagte er.
Wenn etwas passiere – allein in den vergangenen Tagen gab es zwei schwere Busunfälle mit Dutzenden Verletzten – sei oft niemand in Regress zu nehmen. „Wenn Flixbus in Russland arbeitet, dann gibt es jemanden, der in der Verantwortung steht und den man wegen schlechter Qualität zur Rechenschaft ziehen kann“, sagte Subbotin.
Bei Busunternehmern hingegen herrscht weniger Freude: Mehrere größere Anbieter sollen eine Kooperation schon abgelehnt haben, wird berichtet. Der Präsident der Vereinigung „Autobuslinien des Landes“, Boris Loran, begründete die Skepsis der Betreiber mit der Angst vor einer Monopolisierung des Markts: Flixbus werde womöglich Preis-Dumping betreiben, befürchtet er.
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