Fluggesellschaft Flüchtlingskrise: Turkish Airlines stoppt Transport von Passagieren aus Irak, Syrien und Jemen nach Belarus

Die Fluggesellschaft hatte sich zuletzt stark von der Pandemie erholt.
Istanbul Es waren schwere Vorwürfe, die den wirtschaftlichen Aufschwung der Fluggesellschaft Turkish Airlines in Gefahr zu bringen drohten. Nachdem Berichte öffentlich wurden, das teilstaatliche Unternehmen befördere wissentlich syrische und irakische Flüchtlinge nach Belarus, hatte die EU der Airline mit Sanktionen gedroht.
Das schlug sich auf den Aktienkurs nieder: Am Freitagvormittag lagen die Anteilsscheine knapp drei Prozent im Minus. Bis zum Mittag drehten sie dann aber wieder ins Plus, nachdem bekannt wurde, dass Turkish Airlines Passagiere aus Syrien, Irak und dem Jemen auch mit gültigen Visa vorerst nicht mehr nach Belarus reisen lassen will.
Zuvor hatte unter anderem die „Bild“-Zeitung berichtet, dass die Türkei mithilfe von Turkish Airlines Migranten gezielt in das Land einfliege, um so Machthaber Alexander Lukaschenko zu unterstützen. Die polnische Regierung und die EU werfen Lukaschenko vor, die Migranten ins Land bringen zu lassen, um sie dann in die EU zu schleusen. Der oft als „letzter Diktator Europas“ kritisierte Präsident hatte angekündigt, die Menschen auf ihrem Weg nach Europa nicht länger aufzuhalten – als Reaktion auf westliche Sanktionen gegen Belarus.
Die Fluggesellschaft hatte entsprechende Berichte dementiert. „Die Nachrichten in den Medien entsprechen nicht der Wahrheit“, teilte Turkish Airlines am Dienstag mit. „Unsere Gesellschaft arbeitet bei Flügen in die ganze Welt mit internationalen Behörden zusammen, berücksichtigt dabei alle Sensibilitäten bei der Sicherheit und führt ihre Operationen in diesem Umfang aus“, hieß es.
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hatte die Berichte als haltlos zurückgewiesen. In einem Telefonat mit seinem polnischen Kollegen Zbigniew Rau am Mittwochabend habe Cavusoglu sein Bedauern über Vorwürfe gegen die Türkei und Turkish Airlines ausgedrückt, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf Quellen aus dem Außenministerium.
Cavusoglu habe vorgeschlagen, dass ein technisches Team aus Polen in die Türkei komme. In diesen Tagen soll es außerdem hochrangige Kontakte zwischen der EU und der Türkei geben.
Starker Tourismus, hohe Impfquote: Turkish Airlines versucht, die Krise hinter sich zu lassen
Die EU hatte zuvor Sanktionen gegen Fluggesellschaften angedroht, die Migranten mit der Absicht der illegalen Einreise in die EU nach Belarus befördern. Nach Angaben eines EU-Beamten sollen jetzt auch keine One-Way-Tickets mehr für Flüge aus der Türkei nach Minsk verkauft werden.
Die belarussische Airline Belavia werde zudem auch nicht mehr das Netzwerk von Turkish Airlines nutzen können, um Reisende über Istanbul nach Minsk zu fliegen, hieß es in Brüssel. Die jetzt getroffenen Maßnahmen seien von den türkischen Behörden mit einem Team von EU-Ratspräsident Charles Michel vereinbart worden.
Turkish Airlines fliegt Belarus laut dem aktuellen Flugplan zehnmal pro Woche an. In den Sommermonaten waren es 14 Flüge pro Woche. Von Istanbul aus gehen zurzeit täglich ein bis zwei Direktflüge nach Minsk. Auch Belavia fliegt die belarussische Hauptstadt von Istanbul aus bis zu zweimal täglich an.
Turkish-Airlines-Chairman Ilker Ayci hat damit eine Krise abgewendet, die dem florierenden Geschäft womöglich länger hätte schaden können. Das Unternehmen, das er seit April 2015 leitet, beförderte zuletzt zwar weniger Menschen als vor der Pandemie. Mit einem Minus von 23 Prozent im Oktober im Vergleich zu Oktober 2019 steht die Airline aber besser da als die Konkurrenz. Im September lag das Minus bei 26 Prozent. Zum Vergleich: Lufthansa beförderte im September 53 Prozent weniger Passagiere als im gleichen Zeitraum 2019.
Die gute Entwicklung hat auch mit dem starken Spätsommer im türkischen Tourismus zu tun, darüber hinaus mit der relativ hohen Impfquote im Land. Im September kamen nach Angaben des Tourismusministeriums in Ankara 3,51 Millionen Urlauber in die Türkei, 60 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.
Zudem haben in der Türkei 79,7 Prozent der Erwachsenen eine vollständige Impfung erhalten. Turkish Airlines lässt seit September nur Vollgeimpfte an Bord – die hohe Impfquote hilft, den Flugbetrieb vor allem auch im Inland aufrechtzuerhalten und auszubauen. Derzeit fliegt Turkish Airlines 333 Ziele in 128 Ländern an.
Aktie von Turkish Airlines hat 42 Prozent zugelegt
Außerdem weitete Ayci während der Pandemie das Frachtgeschäft aus. Im Frühjahr einigte er sich zudem beinahe geräuschlos mit den angestellten Piloten, die auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtet hatten. Unterdessen hat das Unternehmen die Gehälter wieder um 25 Prozent angehoben.
Aycis Manöver der vergangenen Monate haben sich gelohnt: In den ersten drei Quartalen erwirtschaftete das Unternehmen trotz Inflation einen Nettogewinn in Höhe von 735 Millionen US-Dollar. Seit Jahresbeginn stieg der Aktienkurs um mehr als ein Drittel auf einen Höchststand von zwischenzeitlich 18,16 Lira. Seit Jahresbeginn haben die Papiere damit um fast 42 Prozent zugelegt.
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