Flughafen Köln-Bonn Neue Vorwürfe gegen Ex-Flughafenchef Garvens – verschenkte Parktickets sorgen für Ärger
Köln Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Anders lässt sich der Auszug aus der Buchhaltung des Flughafens Köln-Bonn wohl nicht erklären. Seite um Seite ist aufgeführt, wem der ehemalige Flughafenchef Michael Garvens einen Gefallen getan haben dürfe.
50 Prozent Ermäßigung beim Parken für Bundespolitiker wie Norbert Röttgen, 100 Prozent für Lokalgrößen wie den ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma. Auch Rudolf Kreitz, der stellvertretende Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeigers“, durfte mit Segen von Garvens frei parken.
„Garvens verteilte die Parkkarten wie andere Leute Hustenbonbons“, erzählt ein Flughafen-Insider. „Bei Geschäftsbesuchen, bei Abend-Veranstaltungen. Garvens ist ein sehr jovialer Typ. Wenn er jemanden mochte oder dachte, es könnte irgendwie und irgendwann einmal nützen, dann steckte er ihm eine von diesen Karten zu.“
Durfte er das? Es ist eine Frage, die inzwischen über vielem steht, was Michael Garvens in seiner Zeit als Flughafenchef zwischen Februar 2002 und November 2017 unternahm. Jahrelang als erfolgreicher Geschäftsführer gefeiert und verantwortlich für eine Verdoppelung der Passagierzahlen, endete seine Amtszeit plötzlich und unehrenhaft. Unregelmäßigkeiten bei der Personalführung, Großmannssucht und Untreue lauteten die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft Köln nahm Ermittlungen auf, das Unternehmen selbst beauftragte gleich zwei Kanzleien mit der internen Aufklärung.
Die sollte längst beendet sein. Im Dezember 2017 präsentierten zwei Ermittlungsteams dem Aufsichtsrat des Flughafens ihre Untersuchungsergebnisse. Eine Betrugseinheit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY war mit der forensischen Aufarbeitung der Ära Garvens betraut, die Kanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek bewertete die rechtlichen Aspekte.
Fragwürdige Zahlungen an einen Geschäftspartner
Das Ergebnis klang unangenehm für den Flughafen, und geradezu bedrohlich für Garvens. Fehler im Personalmanagement könnten zu „Bußgeldern bis zu 500.000“ Euro führen, lautete eine Zusammenfassung, außerdem gebe es bei Garvens „Indizien für schwerwiegende Pflichtverletzungen der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsleitung“. Aus den Verstößen ließen sich „wichtige Gründe für den Widerruf der Geschäftsführerbestellung und die außerordentliche Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags ableiten“.
Es war eine Formulierung, die sich in dem Bericht mehrfach wiederholte. So habe Garvens fragwürdige Zahlungen an einen Geschäftspartner geleistet, bei dem er private Flüge zu Sonderkonditionen abgerechnet haben soll. Auch das Auswahlverfahren für den Wirtschaftsprüfer rügten die Ermittler. Der Flughafen mandatierte nicht die Kanzlei Rödl & Partner, die im Bewerbungsverfahren die meisten Punkte erhielt, sondern Pricewaterhouse Coopers (PWC).

Der Manager musste Ende 2017 abtreten.
„Unstimmigkeiten bei der Einhaltung der festgelegten Auswahlkriterien“, notierten die Anwälte. Diese gelten „sowohl für die Gewichtung des Angebotspreises als auch die der Qualität“. Der Flughafen könnte sich deshalb „gegenüber unterlegenen Anbietern schadensersatzpflichtig gemacht haben“. Bestätige sich der Verdacht auf „aktive Manipulation“ des Auswahlverfahrens, sei dies ein „Verstoß gegen die Sorgfalts- und Treuepflichten der Geschäftsführung.“
Garvens verstand die Botschaft. Hatte sich der Flughafenchef im November noch „mit Entschiedenheit gegen die öffentlich erhobenen Vorwürfe“ gewehrt, die ihn „in nicht zu akzeptierender Weise schädigten“, schlug er im Dezember andere Töne an. Garvens und der Aufsichtsrat hätten eine „wirtschaftlich vertretbare Lösung“ für eine Trennung gefunden, meldete sein Anwalt Rolf Bietmann. Anders gesagt: Garvens erhielt aus seinem noch bis 2022 laufenden und mit mehr als 400.000 Euro pro Jahr dotierten Vertrag eine ordentliche Summe ausgezahlt.
Nun sollte das wirtschaftliche Wohlergehen von Garvens nicht das Ziel der Aufklärung sein. Doch als Garvens einmal aus der Geschäftsführung und aus den Schlagzeilen war, verlangsamte sich das Tempo der Ermittlungen merklich. Der Aufsichtsrat wechselte die Ermittler. Der neue Aufsichtsratschef Friedrich Merz zog EY und die Kanzlei Heuking Kühn von dem Fall ab.
Man wolle die erhaltenen Berichte „von einer zweiten juristischen Meinung“ begleiten lassen“, hieß die Begründung. Das sei so üblich. Die Namen der Begleiter: die Kanzlei CMS Hasche Sigle für die Klärung zivil- und steuerrechtlicher Fragen und die Kanzlei Feigen Graf für strafrechtliche Themen.
Beide kamen nicht Recht in Gang. „Eigentlich sollten die Kanzleien für eine Aufsichtsratssitzung im März das erste Zwischenergebnis präsentieren“, sagt ein Beteiligter. Aber eine Woche vor diesem Termin sei aufgefallen, dass man den Anwälten gar nicht die 1400 Seiten Beweismittel übergeben hatte. So dauern die Arbeiten noch immer an. Für die Anwälte lohnt sich das. Die erste Phase der Untersuchung schlug mit rund zwei Millionen Euro zu Buche. Diese Summe soll sich durch die Beauftragung neuer Kanzleien inzwischen verdoppelt haben.
Am Freitag erwartet der Aufsichtsrat eine Präsentation der beiden neuen Kanzleien. Zahlreiche Bewertungen für mögliche strafrechtliche Vergehen von Garvens wurden deutlich abgeschwächt, eine mögliche Untreue von Garvens durch die die vielen Parkvergünstigungen für Politiker und Journalisten ist nicht thematisiert.
Anwalt sieht kein Fehlverhalten von Garvens
Dabei hat Garvens aus Sicht des Flughafens hat Garvens Leistungen gewährt, ohne dafür eine angemessene Gegenleistung zu verlangen. Parken an Flughäfen ist nicht billig. Köln-Bonn belegt in Deutschland einen Spitzenplatz, 14 Tage können mehr als 400 Euro kosten. Nach Ansicht der Anwälte besteht die Möglichkeit, Garvens dafür in Regress zu nehmen – in dem Bericht soll aber nur eine mögliche Forderung von 25.000 Euro genannt sein. Auch dies wäre freilich Untreue – und ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Garvens‘ Verteidiger Rolf Bietmann sieht in den Parkkarten kein Fehlverhalten seines Mandanten. „Herr Garvens hat die Vergabe von Freitickets sehr restriktiv gehandhabt, es waren weniger als 100 für Mitglieder des Aufsichtsrats oder wichtige Geschäftspartner“, sagte Bietmann. Die ermäßigten Tickets seien Marketingmaßnahmen gewesen. „Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn ich höre, dass daraus ein Schaden für den Flughafen entstanden sein soll.“
Trotzdem müssten sich auch die Beschenkten Fragen gefallen lassen. Haben Garvens-Freipark-Freunde die geldwerten Vorteile versteuert? Oberbürgermeister Schramma und Chefredakteur Kreitz ließen Fragen hierzu unbeantwortet. Mehrere vom Handelsblatt angeschrieben Politiker teilten mit, sie hätten das Angebot nicht genutzt.
Der frühere CDU-Bundesminister Röttgen dagegen sagte, er habe schon „in ersten Jahren meiner Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag eine Parkkarte vom Flughafen erhalten“. Von Juli 2012 bis Februar 2018 nutzte er dann die „Airport Card VIP 50“, versteuerte sie aber nicht. Röttgen: „Ich sehe in einem Vielfliegerrabatt keinen steuerpflichtigen Vorgang.“
Garvens‘ Verteidiger Rolf Bietmann sieht in den Parkkarten auch kein Fehlverhalten seines Mandanten. „Herr Garvens hat die Vergabe von Freitickets sehr restriktiv gehandhabt, es waren weniger als 100 für Mitglieder des Aufsichtsrats oder wichtige Geschäftspartner“, sagte der Anwalt. Die ermäßigten Tickets seien Marketingmaßnahmen gewesen. „Ich kann nur den Kopf schütteln, wenn ich höre, dass daraus ein Schaden für den Flughafen entstanden sein soll.“
Garvens jedenfalls hat es nicht geschadet. Seine Parkkarten wurden nicht nur von Politikern, sondern auch zahlreichen Journalisten genutzt. Als Garvens gehen musste, veröffentlichte der Kölner Express einen Artikel, in dem die Gründe für die Ermittlungen nicht vorkamen. Eine Flughafen-Mitarbeiterin wurde nur mit den Worten zitiert: „Eine Riesensauerei, was mit Ihnen gemacht wurde. Alle meine Kollegen denken so.“
Ob die Staatsanwaltschaft auch so denkt? Ein Sprecher: „Die Ermittlungen laufen. Die Auswertung der Unterlagen ist noch nicht abgeschlossen. Der zuständige Dezernent wird auch die Aufsichtsratssitzung abwarten.“ Der Flughafen wollte sich weder zu der stockenden Aufarbeitung noch neuen Vorwürfen gegen Garvens äußern. Ein Sprecher sagte nur: „Von uns bekommen Sie dazu keinen Kommentar.“
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