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Folgen der Pandemie Auftragszuwachs in Milliardenhöhe: Türkische Textilindustrie profitiert von Coronavirus

Das Virus setzt chinesischen Textilunternehmen zu. Für die Türkei ist das die Chance, internationale Bekleidungsfirmen von ihren Vorzügen zu überzeugen.
13.02.2020 - 06:32 Uhr Kommentieren
Türkische Textilindustrie profitiert von Coronavirus Quelle: imago images/Independent Photo Agency Int.
Hugo Boss in Mailand

Das Unternehmen lässt 30 Prozent seiner Produkte in der Türkei fertigen.

(Foto: imago images/Independent Photo Agency Int.)

Istanbul, Peking, Düsseldorf Es ist noch nicht lange her, dass internationale Investoren die Türkei mieden. Doch jetzt scheint das Land zwischen Europa und Asien für sie zum sicheren Hort geworden zu sein. Zumindest für Firmen, die bis dato mit chinesischen Produzenten zusammengearbeitet haben.

Die türkische Textilindustrie erwartet wegen der Auswirkungen des Coronavirus einen Auftragszuwachs von bis zu zwei Milliarden US-Dollar. „Viele bekannte Marken haben bereits Verhandlungen für die Produktion neuer Saisonware mit uns aufgenommen“, erklärt Hadi Karasu, Präsident des türkischen Verbandes der Textilproduzenten (TGSD) in einer Stellungnahme.

Das Virus mit dem offiziellen Namen Sars-CoV-2 war Ende Dezember in einer chinesischen Großstadt ausgebrochen und hat seitdem mehr als 1000 Menschen das Leben gekostet.

Viele Fluggesellschaften haben ihre Verbindungen von und nach China eingestellt, an den Börsen fallen bei konjunktursensiblen Rohstoffen die Preise. Die chinesische Industrie leidet und gerät in einen gefährlichen Sog. „Immer mehr Firmen meiden das Land und kündigen ihre Verträge mit chinesischen Produzenten“, weiß auch der türkische Verbandspräsident Karasu.

Die mit der Bekämpfung des Coronavirus einhergehenden Quarantänemaßnahmen und Verkehrsbeschränkungen setzen besonders chinesischen Textilunternehmern zu. Noch immer unterliegen viele Arbeiter, die während des chinesischen Neujahrsfestes zu ihren Familien gefahren waren, Reisebeschränkungen und können nicht an die Produktionsstandorte zurückkehren. Zudem seien derzeit Lieferketten, die durch die zentralchinesische Provinz Hubei verlaufen, lahmgelegt, weiß Salmon Lee, Analyst bei der Beratungsfirma Wood Mackenzie.

Davon profitiert jetzt die türkische Textil- und Bekleidungsindustrie. Die Türkei ist der weltweit sechstgrößte Hersteller von Baumwolle und damit Chinas Konkurrent. Fast alle großen Marken, von C&A über H&M bis zu Boss, lassen in dem LandGeese produzieren. Vier Millionen Menschen arbeiten in der türkischen Textil- und Bekleidungsindustrie, das ist fast ein Zehntel des gesamten Arbeitsmarktes. Der Exportwert lag 2018 bei 27,7 Milliarden US-Dollar.

Verspätete Lieferung aus China

Das deutsche Modeunternehmen Hugo Boss zum Beispiel lässt rund 30 Prozent seiner Produkte in der Türkei fertigen. Zu etwaigen weiteren Verlagerungen aus anderen Ländern in die Türkei sei noch keine Entscheidung gefallen, sagte eine Sprecherin des Metzinger Modekonzerns dem Handelsblatt.

Das Unternehmen C&A erwartet derzeit eine Verspätung von zwei bis drei Wochen bei Lieferungen aus China. „Das hängt vor allem davon ab, wie schnell chinesische Arbeiter nach dem Chinesischen Neujahrsfest in die Fabriken zurückkommen“, erklärte ein Sprecher dem Handelsblatt. Die Türkei sei seit vielen Jahren Produktionsstandort „mit gleichbleibender Bedeutung, insbesondere für kurzfristige Orders“.

Für deutsche Hersteller von Spinnerei- und Webmaschinen ist die Türkei neben China nach Angaben von „Germany Trade & Invest“ (GTAI), der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland für Außenwirtschaft und Standortmarketing, der wichtigste Absatzmarkt. Das Institut für technische Textilien der Universität RWTH Aachen unterhält seit 2016 ein Forschungszentrum in Istanbul.

Trotz der hohen Anzahl an informell Beschäftigten sind die Löhne in der Türkei soweit gestiegen, dass sie nicht mit der geringen Bezahlung asiatischer Nähfabriken mithalten können, heißt es in einer GTAI-Branchenanalyse. „Der geografische Vorteil türkischer Unternehmen gegenüber chinesischen Konkurrenten steht wegen der neuen Seidenstraße und der Erschließung schnellerer Transportrouten auf dem Spiel.“

Freihandelsabkommen, die die Europäische Union derzeit mit Indien und Südkorea verhandelt, würden den Druck auf die türkischen Produzenten zusätzlich erhöhen.

Fokus nach Krise auf höherwertigen Produkten

Vor wenigen Jahren durchlebte die Branche in der Türkei eine schwere Krise. Weil asiatische Länder wie Bangladesch und China deutlich billiger produzierten als die Türkei, brach die Nachfrage ein. Deshalb konzentrieren sich die türkischen Hersteller seitdem auf höherwertige Produkte, die teurer verkauft werden können. Nach Angaben des Branchenverbandes stammt rund die Hälfte der Baumwolle aus Bioproduktion.

Doch so richtig konnte die Branche nicht mehr mit den Billigheimern in Fernost mithalten. Auch die schwache Lira sorgte zuletzt nicht für das erhoffte Exportplus – bis jetzt. „Im Vergleich zu China sind unsere Produktionskosten im Verhältnis zum Dollar um 36 Prozent gesunken“, erklärt Verbandspräsident Karasu.

Die chinesische Textilindustrie, die laut Zahlen des chinesischen Statistikamtes rund 4,8 Millionen Arbeiter beschäftigt, war dabei zuletzt sogar geschrumpft. Zum einen machen die steigenden Lohnkosten den Herstellern zu schaffen: Allein 2018 wuchs das Jahresgehalt der Chinesen um elf Prozent, laut Zahlen des chinesischen Statistikamtes. Ertug

Zudem setzen internationale Modehäuser verstärkt auf die Diversifikation ihrer Produktion und Zulieferer. Zu den neuen Standorten gehören Bangladesch, Kambodscha, Vietnam – und die Türkei.

In den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres exportierte das Land Textilien und Bekleidung im Wert von 247 Milliarden Dollar, 2,6 Prozent weniger als noch zum Vorjahr. Während der Umsatz zwischen Januar bis Oktober um 0,2 Prozent auf rund 575 Milliarden Dollar sank, fiel der Profit für die gesamte Branche sogar um 8,7 Prozent auf 24 Milliarden Dollar.

Kein Wunder, dass sich die türkischen Textilproduzenten jetzt die Hände reiben. Sie erhalten die Chance, die internationalen Bekleidungsfirmen wieder von ihren Vorzügen zu überzeugen. Der große Konkurrent ist geschwächt, und türkische Hersteller können nach einer Wirtschaftskrise jeden Auftrag gebrauchen. Es gilt daher das Credo, bloß keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass die Produzenten in dem Land dem Nachfragedruck standhalten werden.

Der Präsident des türkischen Verbandes für Bekleidungshersteller (IHKIB), Mustafa Gültepe, sieht die Branche deswegen gerüstet für den Auftragszuwachs. „Wir haben die Kapazitäten, um auch kurzfristig Auftragseingänge anzunehmen“, sagt er auf Anfrage.

Er berichtet, dass sich die Mitgliedsunternehmen seines Verbandes bereits in Gesprächen mit Auftraggebern befinden und Preisverhandlungen stattfänden. „Bis Mai wird die Zahl der Aufträge deutlich zunehmen, und das wird dann ein halbes Jahr lang so weitergehen“, freut er sich.

Mehr: Viele internationale Luxusmarken sind stark von der Kaufkraft der chinesischen Kunden abhängig. Doch nicht nur das China-Geschäft leidet.

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