Franchisebetrieben droht Pleitewelle Ein schnelllebiges Geschäft

Profitabilität im Einzelhandel geht zurück.
Düsseldorf Gerade erst hat die Insolvenz von zwei großen Franchisenehmern der Bäckerei-Kette Dunkin’ Donuts Schlagzeilen gemacht. 30 Standorte in Berlin und Nordrhein-Westfalen sind betroffen – fast die Hälfte der insgesamt 67 Läden in Deutschland. Doch fast zeitgleich und wenig beachtet ging gleich ein ganzes Franchisesystem in Insolvenz – die Fitnesskette Shape-Line, mit Partnern in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Nur einen Monat zuvor hatte der hoffnungsvoll gestartete Franchiseversuch Xond seinen einzigen Standort geschlossen. An dem veganen Imbiss ist auch Andreas Läsker beteiligt, der Manager der Musikgruppe „Die fantastischen Vier“.
Lauter Einzelfälle? Der Insolvenzverwalter Tobias Hartwig von der Kanzlei Schultze & Braun ist vom Gegenteil überzeugt. „Die Situation ist alarmierend“, warnt der Experte, der auch Insolvenzrecht an der Hochschule Ostfalia in Wolfenbüttel lehrt. „In der Franchisewirtschaft rollt eine Insolvenzwelle heran, die so rasch nicht vorbei sein wird.“
Genaue Statistiken über Pleiten im Franchise gibt es nicht, doch Felix Peckert, Unternehmensberater und Deutschlands renommiertester Franchiseexperte, schätzt, dass pro Jahr 100 bis 150 komplette Franchisesysteme aus dem Markt verschwinden. Wobei dies nicht immer Insolvenzen sind, sondern auch Ketten, die dann statt mit Franchise nur noch mit eigenen Filialen arbeiten.
Zugleich aber versuchen jedes Jahr rund 150 neue Franchisesysteme ihr Glück, so dass ihre Zahl in den vergangenen Jahren relativ stabil blieb. Zurzeit gibt es etwa 950 Franchisesysteme in Deutschland, die in 160.000 Partnerbetrieben knapp 700.000 Menschen beschäftigen.
Die größten Probleme haben Betriebe im Handel und in der Systemgastronomie, die mehr als die Hälfte aller Systeme ausmachen. Sie leiden nicht nur unter der Einführung des Mindestlohns, der ihre ohnehin meist knappe Gewinnmarge weiter geschmälert hat, sondern insbesondere unter den zurückgehenden Besucherzahlen in den Städten. Nach Berechnungen des Warenkreditversicherers Euler Hermes hat der deutsche Einzelhandel in den vergangenen fünf Jahren einen Rückgang der Profitabilität von sieben auf drei Prozent erlitten. Die Insolvenzquote sei dadurch um zwei Drittel gestiegen.
Ganz dramatisch wird es für Betriebe, die sich in Einkaufszentren eingemietet haben. „Es gibt eine geradezu toxische Schicksalsgemeinschaft mit den zunehmend notleidenden Einkaufszentren“, warnt Insolvenzverwalter Hartwig. Dort reduziere sich im Schnitt die Laufkundschaft immer mehr, während die meist hohen Mieten gnadenlos weiterlaufen. „Die kleinen Händler und Franchisenehmer sind somit oft das erste Opfer der Krise in den Shoppingcentern“, beobachtet Hartwig.
„Einkaufszentren sind für kleine Franchisebetriebe schon immer ein Problem“, bestätigt Experte Peckert. Ganz heikel seien die vorgeschriebenen langen Öffnungszeiten und die kurzen Stoßzeiten, die die Personalplanung schwierig machten. „Wer will schon morgens Pizza essen?“ Wenn dann noch die Besucherfrequenz sinke, bekomme das ein Geschäft allein nicht gedreht – egal, wie gut es wirtschafte.
Dazu kommen in vielen Franchisesystemen hausgemachte Probleme – und das betrifft nicht nur unerfahrene Neulinge. „Viele Systeme sind lange erfolgreich am Markt und stehen jetzt vor der Herausforderung, sich verändern zu müssen, um auch in Zukunft bestehen zu können“, so Peckert. Damit kommen viele nicht klar. Als positives Gegenbeispiel hebt Peckert den Bulettenbrater McDonald’s hervor. Er habe mit den Bestellautomaten und der Am-Platz-Bedienung zeitgemäße Innovationen eingeführt. Das jedoch bedeute auch für die Franchisenehmer regelmäßig hohe Investitionen.
Der überwiegende Teil der Franchisenehmer jedoch bekommt in der Krise keine Unterstützung von seinem Systemanbieter – weder in Form von Innovationen noch als gezielte Beratung. „In schwierigen Zeiten ist der Unternehmer da auf sich allein gestellt“, kritisiert Peckert. Er schätzt die Zahl der Systeme, die nur die Gebühren kassieren, sich aber sonst nicht weiter um die Partner kümmern, auf mindestens 600 in Deutschland.
Trends wechseln schnell
Auf besonders dünnem Eis bewegen sich Franchisebetriebe, wenn sie auf meist kurzfristige Konsumtrends aufspringen. „Die Trends wechseln immer schneller“, so Peckert. „Die Konsumenten wechseln immer rascher von einer Vorliebe zur nächsten.“ Einige Zeit waren Smoothies in Mode, im Moment ist Frozen Joghurt als Sommererfrischung gefragt. Wie viele dieser Geschäfte auch nächstes Jahr noch am Markt sind, ist fraglich.
Gerade werden viele Waffel-Läden eröffnet, einer der Stars ist das System Wonder-Waffel. Die neuen Franchisenehmer brauchen nach Angaben des Unternehmens keinerlei Vorkenntnisse, eine Investitionssumme von maximal 80.000 Euro reicht. Entsprechend schnell expandiert das System. 2013 als Franchise gestartet, hat die von den Brüdern Ulvi und Bahri Murat Topcuoglu gegründete Kette jetzt schon 24 Standorte. Doch die Konkurrenz wächst – unter Namen wie Happy Waffel, Waffle-Bike oder Waffle Brothers – und damit das Risiko.
Wie brutal kurzlebig solche Hypes sein können, hatte der Boom der Bubble-Tea-Läden gezeigt, der 2012 Existenzgründer elektrisierte. Fast täglich eröffneten neue Läden, Franchisesysteme wie Bobo Q oder Botea schienen Selbstläufer zu sein – trotz der nicht gerade gesundheitsfördernden Zutaten der klebrigen Getränke. Doch schon im gleichen Jahr brach der Trend wieder in sich zusammen. Den Rest gegeben hatte ihm eine Falschmeldung über angeblich krebserregende Stoffe in den Getränken.
Wer sich mit einem Franchise selbstständig machen will, muss deshalb vorsichtig sein. „Die Franchiseketten haben teilweise unausgereifte Systeme“, klagt Insolvenzverwalter Hartwig. Hohe Franchisegebühren stünden da oft einer mangelnden Beratung und Unterstützung der Franchisenehmer gegenüber. „Da werden unerfahrene Franchisenehmer in ein Abenteuer getrieben, dem sie nicht gewachsen sind.“
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