Fritz Joussen im Interview Tui-Chef nach Thomas-Cook-Pleite: „Einen Hotelblock mieten reicht nicht mehr“

Der Tui-Chef will den Konzern zum digitalen Plattformanbieter machen.
Frankfurt Tui-Chef Friedrich Joussen beklagt seit Monaten die massiven Überkapazitäten im Ferienfluggeschäft. Dennoch deutet er an, sich nach der Pleite des Rivalen Thomas Cook nicht unmittelbar selbst an der Konsolidierung beteiligen zu wollen. Auch um Konzerntöchter von Thomas Cook – wie etwa die deutsche Condor – bemüht sich Tui nach seinen Angaben nicht.
Zwar werde Tui die Konsolidierung als „aktiver Beobachter“ verfolgen. Aktiv bezieht Joussen sich aber vor allem auf Märkte und bestimmte touristische Strecken, die durch den Marktaustritt von Wettbewerbern frei werden. Dort will Joussen mit Tui dann gezielt wachsen.
Sorgen um sein Geschäftsmodell hat der Top-Manager nach dem Scheitern des Wettbewerbers nicht. Beide Unternehmen seien nicht miteinander vergleichbar, so Joussen.
Lesen Sie hier das ganze Interview:
Herr Joussen, was macht Tui anders als Thomas Cook?
Die Unternehmen sind nicht vergleichbar. Wir erzielen 70 Prozent unseres Ergebnisses mit dem Betrieb von Hotels oder Kreuzfahrtschiffen. Nur noch 30 Prozent stammen aus dem klassischen Veranstaltergeschäft, in dem Thomas Cook stark ist. In dem herrschen aber hohe Überkapazitäten, vor allem im Airline-Bereich. Diesen Druck spüren wir natürlich auch, aber unsere Margen machen wir mit dem Reiseerlebnis, also den Hotels, Kreuzfahrtschiffen und Aktivitäten in den Zielländern.
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Der Erfinder der Pauschalreise ist gescheitert. Ist das auch das Ende der Paketreise?
Nein. Aber es reicht heute nicht mehr, einen Hotelblock anzumieten und die Urlauber an den Strand zu bringen. Die Kunden wollen individuelle Angebote, Komfort und Sicherheit bei der Organisation ihrer Reisen. Tui bietet diese Differenzierung.
Also wird Tui ein Profiteur der Pleite von Thomas Cook sein?
Es ist noch viel zu früh. Niemand weiß, wie es mit Thomas Cook, mit Condor, mit Neckermann und all den anderen Tochtergesellschaften weitergeht. Aber wir haben nach dem erfolgreichen Umbau der Tui und unabhängig von Thomas Cook die nächste Stufe unserer Neuausrichtung eingeleitet. Wir werden ein digitaler Plattformanbieter. Dadurch können wir noch differenziertere Angebote machen. Und die Kunden sind auch bereit, für eine solche Differenzierung mehr zu bezahlen. Wir werden weiter wachsen.
Sie haben die Überkapazitäten erwähnt. Bietet sich durch die Insolvenz von Thomas Cook nicht die Chance für Tui, selbst zu konsolidieren?
Es muss Kapazität aus dem Markt weichen, gerade in der Luftfahrt. Das ist bei der Insolvenz von Air Berlin nicht gelungen. Air Berlin fliegt weiter – in Form von Easyjet, Ryanair und Eurowings. Alle zusammen haben hier in Deutschland Verluste von 500 Millionen Euro angehäuft. Tickets für 19 Euro nach Mallorca sind eben völliger Unsinn und unwirtschaftlich. Wir verfolgen die Entwicklung wie schon häufiger erwähnt als aktiver Beobachter.
Was heißt aktiver Beobachter?
Wir nutzen zum Beispiel die Gelegenheit, wenn Strecken oder Ziele frei werden. In Großbritannien werden wir darüber deutlich wachsen.
Kein Interesse an Condor?
Wir haben kein Interesse bekundet.
Herr Joussen, vielen Dank für das Interview.
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