FTI Ägyptische Gefangenschaft

Immer weniger Touristen reisen in das Urlaubsland.
München Dietmar Gunz, Gründer des Münchener Urlaubskonzerns FTI, versucht es mit Galgenhumor. „Es ist ein Erlebnis besonderer Güte, dass man nach Ägypten fliegen darf, aber ohne Gepäck.“ Was den ansonsten introvertierten Chef des viertgrößten deutschen Reiseveranstalters in Rage bringt: Nachdem ein russisches Charterflugzeug über dem Sinai explodiert war, verbot Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt vergangenes Jahr, Gepäck aus Scharm El-Scheich an Bord deutscher Flugzeuge zu nehmen. Gunz gab schließlich auf. Den ägyptischen Badeort lässt er seither nicht mehr anfliegen.
Der 57-Jährige ist mit seinem Ärger nicht allein. Um acht Prozent gingen branchenweit die Sommerbuchung im Vergleich zum Vorjahr zurück. Bombenattentate und Flüchtlingselend im östlichen Mittelmeerraum schrecken die Deutschen. Aus Angst, Opfer eines Terroranschlags zu werden, bleiben viele lieber zu Hause – oder doch zumindest im eigenen Land.
Doch kaum einen deutschen Reiseveranstalter trifft die Terror bedingte Buchungskrise härter als den FTI-Gründer. Ganz unschuldig ist er daran nicht. Denn lange Zeit schien es, als habe sich der gebürtige Vorarlberger beim eigenen Wachstum übernommen. 1983 war die „Frosch Touristik“ – später FTI – aus einer kleinen Sprachreisefirma des Firmengründers hervorgegangen. Den Namen „Frosch“ borgte sich Gunz bei seiner damaligen Freundin, die diesen Familiennamen trug.
Was folgte, war eine beispiellose Expansion, die ihm 2015 über 2,6 Milliarden Euro Umsatz bescherte, die Finanzdecke zuvor aber bedenklich dünn werden ließ. Anfang 2014 suchte er sich finanzielle Hilfe beim Investor Samih Sawiris, der mit 30 Prozent Eigenkapital einstieg. Der Haken daran: Der reiche Ägypter ist nicht nur größter Hotelbesitzer im Land der Pharaonen. Er erwartet entsprechend auch vom Münchener Reiseveranstalter, das Engagement am Nil und am Roten Meer zu verstärken. Dem Wunsch des neuen Geschäftspartners kam Gunz in vollem Umfang nach. Heute ist FTI in Ägypten Marktführer – ein Rang mit zweifelhafter Ehre. Seit den revolutionären Wirren im Land machen deutsche Touristen lieber einen Bogen um das ganzjährige Urlaubsparadies.
Nilkreuzfahrt samt einer Woche Badeurlaub in Ägypten für 399 Euro
Zwischenzeitlich führte das Klumpenrisiko in Ägypten dazu, dass sich Gunz mit großen Teilen der Branche überwarf. Als das Auswärtige Amt während des „Arabischen Frühlings“ vor Reisen zu den Pyramiden warnte, brach FTI aus dem Kreis der deutschen Reiseveranstalter aus, die ihr Ägypten-Geschäft einstellten. „Gunz agierte damit unverantwortlich“, kritisiert ein Wettbewerber. Um das Buchungsgeschäft in Ägypten nicht völlig seinem Schicksal preiszugeben, verschleuderte er Nilkreuzfahrten samt einer Woche Badeurlaub in Hurghada für 399 Euro, was selbst Reisebüroinhaber ins Grübeln brachte. „Damit kann FTI seine eigenen Kosten niemals decken“, wunderte sich einer von ihnen.
In der Konzernbilanz hinterließ dies tiefe Kratzer. 2014 – ein neuerer Bericht steht noch aus – blieb ein Fehlbetrag von 17,3 Millionen Euro, nach einem Minus von 14,1 Millionen im Vorjahr. Die eingekauften Reiseleistungen wie Hotels und Flüge verkaufte Gunz mit einem Aufschlag von nicht einmal 19 Prozent – viel zu wenig, um damit den 6.500 Mitarbeiter starken Betrieb profitabel am Laufen zu halten.
Mit Macht arbeitet er deshalb am Befreiungsschlag. 24 Hotels hat er 2015 unter der Marke „Labranda“ auf den Kanaren gestartet, fünf weitere sind im Bau, darunter auf Malta und in Marokko. Auch in den Oman oder in die Vereinigten Emirate versucht er, Feriengäste umzuleiten.
An Ägypten hält Gunz dennoch hartnäckig fest. „Ab November bieten wir dort wieder volles Programm“, verkündete er gestern. „Wir haben ein gutes Gefühl, was die Sicherheit betrifft.“ Die Zahl der Kreuzfahrtschiffe auf dem Nil hat er sogar auf 18 aufgestockt.
In die Karten könnte ihm dabei spielen, dass Urlauber bei der Flut von Anschlägen gelassener werden. Nach den Anschlägen im Flughafen Istanbul, berichtet FTI, gab es gerade einmal zwei Stornierungen.