Gepäckkontrolle an Flughäfen Im Sommer droht ein neues Flughafen-Chaos

Gepäckkontrollen wie vor 50 Jahren.
Frankfurt Das Versprechen klingt gut. „Der Urlaub beginnt am Flughafen“, werben Flughäfen, Fluggesellschaften und Reisekonzerne um ihre Kunden. Allein bei der Einlösung dieses Versprechens hapert es. Vor der Erholung im Urlaubsdomizil steht immer häufiger langes Warten – wohl auch wieder in den nun bevorstehenden Sommerferien.
Vor allem die Sicherheitskontrollen haben sich in den zurückliegenden Monaten zu einem Engpass bei der Abfertigung von Passagieren entwickelt. „Seitens der Bundespolizei wird empfohlen, sich immer zeitgerecht am Flughafen einzufinden und das Reise- und Handgepäck entsprechend der Kontrollvorgaben vorzubereiten“, rät ein Sprecher der Behörde den Fluggästen für die kommenden Wochen.
Auch die Lufthansa-Tochter Eurowings hat ihre Kunden in Berlin per Mail vorsorglich aufgefordert, noch früher am Airport zu sein. Tegel arbeite bereits jenseits der Kapazitätsgrenze, nicht zuletzt an den Sicherheitskontrollen, heißt es: „Diese Engpässe betreffen die Passagiere aller Airlines einschließlich Eurowings. Wir bedauern diese Situation zutiefst.“
Das Geduldsspiel am Flughafen zehrt an den Nerven der Fluggäste. Vor knapp einem Jahr führte Personalmangel bei dem für die Kontrollen zuständigen Dienstleister Kötter am Flughafen Düsseldorf zu tumultartigen Zuständen.
Um die Wannen für das Einlegen von Handgepäck oder Jacken wurde regelrecht gekämpft, es kam zu Handgreiflichkeiten gegenüber dem Personal. Um eine Wiederholung zu vermeiden, versuchen die Flughäfen und Dienstleister nun in aller Eile gegenzusteuern.
Kötter etwa holt sich für die Hauptreisezeit in Nordrhein-Westfalen Mitte Juni Unterstützung von einem anderen Dienstleister, dem Unternehmen Agello Aviation. Der Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport wiederum errichtet neue Kontrolllinien.
Sicherheitskontrollen wie vor 50 Jahren
Die ersten gehen in Terminal 1 in diesen Tagen in Betrieb, im ersten Quartal des kommenden Jahres sollen dann noch mal zehn weitere dazukommen. Auch in Terminal 2 werden zusätzliche Sicherheitskontrollen aufgebaut. „Wir tun alles in unserer Macht stehende, um diese Einschränkungen für unsere Kunden und Passagiere so gering wie möglich zu halten“, so Fraport-Vorstandschef Stefan Schulte.
Das sorgt zwar für Entspannung, doch das eigentliche Problem ist ein anderes: Die Sicherheitskontrollen laufen in Deutschland immer noch nach den Mechanismen und Verfahren wie vor 50 Jahren ab.
Am deutlichsten zeigt sich das an den Kontrollstellen selbst. Immer nur ein Fluggast kann seine persönlichen Utensilien auflegen, die dann durch den Scanner laufen. Erst dann ist der nächste dran.
In Frankreich etwa können Passagiere selbst an etwas kleineren Flughäfen wie Toulouse ihre persönlichen Dinge längst parallel auflegen – während sie an einem langen Transportband mit vielen Wannen entlanglaufen. Die Schlange bleibt so in ständiger Bewegung, jeder merkt, dass es voran geht.
In Deutschland dagegen hat die Politik die Modernisierung der Sicherheitskontrollen über Jahre verschlafen. Das System ist starr und unflexibel. Das liegt nicht zuletzt an den Zuständigkeiten.
In Deutschland sind die Behörden für alle Teile der Sicherheitskontrollen verantwortlich – von der Durchführung über die Gestaltung der Kontrollstelle und die Beschaffung der Technik bis hin zum Qualitätsmanagement und zur Kostenkontrolle.
Nur bei der Durchführung der Kontrollen und dem Technikeinkauf dürfen Dienstleister eingeschaltet werden. Jede Veränderung des Systems muss erst durch die politischen Instanzen. Das sind viele, denn im zuständigen Innenministerium muss man auf die landesspezifischen Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.
Ganz anders sieht es an den Airports in europäischen Nachbarländern aus. In Amsterdam, Madrid, Brüssel oder auch London haben die Behörden nur noch die sogenannte Fachaufsicht über den Kontrollprozess – dessen Umsetzung obliegt in allen Teilen den Flughäfen beziehungsweise Dienstleistern.
Auffällig dabei: An diesen Flughäfen kommt häufig modernste Technik zum Einsatz. So löste etwa in Amsterdam Schipol im Jahr 2015 ein komplett neues Sicherheitskonzept das in die Jahre gekommene zentrale System ab. Moderne Kontrolllinien, bei denen parallel aufgelegt werden kann, sowie der Einsatz von begehbaren Metalldetektoren haben den Durchsatz an Passagieren deutlich erhöht.
In Deutschland dagegen ist man erst in der Evaluationsphase. Ein entsprechendes Pilotprojekt am Flughafen Köln-Bonn mit Linien zum parallelen Auflegen von persönlichen Gegenständen sowie begehbaren Körperscannern wurde Ende Oktober vergangenen Jahres beendet - und mittlerweile sogar wieder abgebaut.
„Innerhalb noch nicht einmal eines Jahres konnten alle notwendigen Erkenntnisse, die für die zukünftige Gestaltung von Luftsicherheitskontrollstellen erforderlich sind, im Realbetrieb getestet werden“, lobt die Bundespolizei den Versuch.
Hoffen auf die GroKo
Doch welche Erkenntnisse aus dem Projekt mit dem Namen „Easy Security“ in die so dringend notwendige Modernisierung des gesamten Systems einfließen werden und vor allem wie schnell, ist völlig offen. Dabei sind die Ergebnisse vielversprechend.
Zwar will die Bundespolizei noch keine Daten nennen, die „Ergebnisdokumentation mit den industrieseitigen Partnern“ laufe noch. Doch in Luftfahrtkreisen kursieren bereits angeblich belastbare Daten.
Danach konnte der Durchsatz an Passagieren in Köln-Bonn durch den Einsatz zweier Körperscanner und einer Linie zum parallelen Auflegen von 190 auf 329 Passagiere pro Stunde gesteigert werden. Einzige Voraussetzung neben der neuen Technologie: Die Personalstärke musste von zwölf auf 16 erhöht werden.
„Aus gemeinsamen Pilotprojekten mit dem Bund, aber auch aus der Praxis im Ausland wissen wir, dass es erhebliche Verbesserungspotenziale gibt“, sagt Matthias von Randow, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL): „Wir brauchen eine deutliche Verbesserung der bisher staatlichen Organisation der Luftsicherheitskontrollen, damit Sicherheit und eine flüssige Abwicklung des Luftverkehrs wieder gleichermaßen möglich werden.“
Luftfahrtmanager und auch zigtausend Passagiere können jetzt nur auf die neue Große Koalition hoffen. Die hat in ihrem Koalitionsvertrag immerhin das Thema Luftfahrtsicherheitskontrollen dezidiert aufgenommen.
Und vielleicht geht ja der Wunsch vieler Flughafen-Chefs doch noch in Erfüllung: die Übernahme von mehr Verantwortung für den Sicherheitscheck. Bei der Bundespolizei steht man solchen Ideen grundsätzlich offen gegenüber. Alle Optionen müssten aber auf ihre rechtliche und tatsächliche Machbarkeit geprüft werden.
Daran arbeiten die Flughafen-Lobbyisten gerade mit Hochdruck. „Bei den Luftsicherheitskontrollen ist ein Systemwechsel dringend erforderlich. Die großen deutschen Flughäfen sind bereit, die Auswahl und Steuerung der privaten Dienstleister unter Beteiligung der Airlines von der Bundespolizei zu übernehmen“, wirbt Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer des Flughafenverbandes ADV, für den neuen Ansatz: „Von diesem Erfordernis möchten wir das Bundesinnenministerium überzeugen.“
Das unterstreicht auch Stefan Schulte, Chef des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, und verweist auf laufende Gespräche mit dem Ministerium. Lange Wartezeiten an den Pass- und Sicherheitskontrollen haben zu heftiger Kritik des Hauptkunden Lufthansa geführt.
Im vergangenen Jahr war die Zahl der Fluggäste am größten deutschen Flughafen um 6,1 Prozent auf 64,5 Millionen gewachsen. Im laufenden Jahr betrug die Steigerung in den ersten vier Monaten 8,7 Prozent.
Mittelfristig will Fraport bei den Personen- und Handgepäckskontrollen von der Bundespolizei die Koordinationsaufgabe übernehmen. „Wir möchten die Prozesse ändern, um die Abläufe flexibler zu gestalten und zu beschleunigen“, sagt Schule. „Wir möchten in den Verträgen mit Dienstleistern Leistungsanreize setzen. Und wir möchten modernste Technik schneller beschaffen können.“
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