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Gericht attackiert Gabriel Edeka läuft die Zeit davon

Das Oberlandesgericht Düsseldorf stoppt die Erlaubnis des Wirtschaftsministers für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka. Es gibt einen Verdacht: Der Bundeswirtschaftsminister könnte befangen gewesen sein.
12.07.2016 - 20:00 Uhr Kommentieren
Vor Gericht erleidet Edeka beim Kampf um die Fusion mit Tengelmann eine entscheidende Niederlage – die Optionen sind nur noch eingeschränkt. Quelle: dpa
Fast in der Sackgasse

Vor Gericht erleidet Edeka beim Kampf um die Fusion mit Tengelmann eine entscheidende Niederlage – die Optionen sind nur noch eingeschränkt.

(Foto: dpa)

Berlin, Düsseldorf Es sind heftige Vorwürfe, die das Oberlandesgericht Düsseldorf gegen Sigmar Gabriel (SPD) erhebt. Rund vier Monate nachdem der Wirtschaftsminister die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka genehmigt hat, spricht das Gericht ein Machtwort. Gabriel hätte über die Erteilung der Ministererlaubnis gar nicht entscheiden dürfen, da sein Verhalten im Verfahren die „Besorgnis seiner Befangenheit und fehlenden Neutralität“ begründe. Bis das Gericht endgültig entschieden hat, darf Edeka die Supermarktkette nicht kaufen.

Die Richter kritisieren vor allem zwei Sechsaugengespräche, die Gabriel mit den Firmenbossen von Edeka und Tengelmann im Geheimen geführt haben soll. Das Ministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die Gespräche seien im Rahmen eines solchen Verfahrens „üblich, möglich und zulässig“.

Unüblich war aber offenbar der Umgang mit Informationen über den Fortgang der Ministererlaubnis. Angeblich hätten Beamte des Wirtschaftsministeriums Edeka-Lobbyist Klemens Joos immer wieder über die laufenden Fusionsgespräche informiert, erfuhr das Handelsblatt aus Regierungskreisen. Das Ministerium wies das auf Anfrage zurück.

Neben den formellen Fehlern sieht das Gericht auch inhaltliche Probleme. So sei die geforderte Sicherung der Arbeitnehmerrechte nicht im Interesse des Gemeinwohls. Auch seien die Auflagen nicht ausreichend, um die 16.000 Jobs bei Kaiser‘s Tengelmann „in vollem Umfang“ zu sichern.

Die Beteiligten reagierten geschockt. „Die Entscheidung des Gerichts hat große Bestürzung ausgelöst“, sagte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub. Edeka teilte mit, man würde die Entscheidung rechtlich prüfen.

Doch spätestens als bekannt wurde, dass Richter Thomas Kühnen Akten aus dem Bundeswirtschaftsministerium angefordert hatte, musste den Beteiligten klar gewesen sein, dass es ernst wird. Denn der Vorsitzende des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf interessierte sich im Zusammenhang mit der Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka für zwei Treffen: Am 1. und am 18. Dezember 2015 hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Chefs von Edeka, Markus Mosa, und Tengelmann, Karl-Erivan Haub, empfangen − und zwar heimlich, ohne dass die anderen Verfahrensbeteiligten davon wussten.

Diese Sechsaugengespräche könnten die ohnehin umstrittene Übernahme endgültig zu Fall gebracht haben. Die Konkurrenten Rewe und der Einkaufsverbund Markant mussten dadurch den Eindruck gewinnen, „der Minister führe das Verfahren einseitig zugunsten der zusammenschlussbeteiligten Unternehmen“, schreiben die Richter in der Begründung ihrer Eilentscheidung. „Der Grundsatz der Transparenz und Unparteilichkeit im Verwaltungsverfahren wurde damit klar missachtet“, kritisiert auch Dario Struwe, Kartellrechtler der Kanzlei FPS in Frankfurt.

Besonders verdächtig ist: Wie die Richter betonen, wurden die Inhalte der Gespräche im Wirtschaftsministerium nicht aktenkundig gemacht. Zu den Treffen gab es lediglich jeweils eine vertrauliche Informationsvorlage an den Minister.

Einer der Strippenzieher für diese geheimen Absprachen ist ein in alle Parteien hinein bestens verdrahteter Lobbyist. Klemens Joos ist Chef von Eutop, einer auf dezente Vermittlungstätigkeit spezialisierten Agentur. Nach Informationen des Handelsblatts sollten Spitzenbeamte im Bundeswirtschaftsministerium Klemens Joos „immer auf dem Laufenden über das Fusionsverfahren halten“. Das Ministerium betonte auf Anfrage, dass es keine entsprechende Anweisung an Beamte gegeben habe.

„Die geheimen Gespräche des Bundeswirtschaftsministers mit Edeka und Tengelmann übertreffen unsere Befürchtungen, wie anfällig die Ministererlaubnis für Lobbyarbeit ist“, kritisierte Katharina Dröge, wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag. Grüne und Union fordern eine Reform der Ministererlaubnis, in der die Stellung des Wirtschaftsministers im Verfahren geschwächt werden soll.

In den Gesprächen soll Gabriel laut Gericht mit Mosa und Haub nicht nur darüber beraten haben, ob sie bereit sind, seine Bedingungen für die Erteilung der Ministererlaubnis zu erfüllen, er habe mit ihnen auch über das Alternativangebot von Rewe gesprochen. Danach hätten Edeka und Kaiser’s Tengelmann „ihr Übernahmeangebot substanziell erweitert und es dem Angebot von Rewe angepasst“. Diese Verfahrensführung, so das Gericht, rechtfertige „die Besorgnis der Befangenheit“. „Das ist ein Paukenschlag und auch eine Ohrfeige für den Minister“, urteilt Justus Haucap, Wettbewerbsökonom von der Uni Düsseldorf und Ex-Chef der Monopolkommission.

Das Wirtschaftsministerium weist diese Vorwürfe zurück. Die Feststellung des Gerichts sei nicht zutreffend, es habe kein „transparentes, objektives und faires Verfahren“ gegeben. Außerdem hätten die Verfahrensbeteiligten „zu keinem Zeitpunkt“ die vom Gericht behauptete Befangenheit vorgetragen.

Hätten ihn seine Mitarbeiter warnen müssen, welchen Eindruck die Gespräche im Geheimen erwecken mussten? „Ich glaube nicht, dass ein Bundesminister den Hinweis braucht, dass Geheimgespräche sich gerade in einem so heiklen Verfahren wie einer Ministererlaubnis verbieten“, sagte Unionsfraktionsvize Gitta Connemann.

Die Entscheidung über den vorläufigen Rechtsschutz des Gerichts für Rewe bremst nur den Vollzug der Übernahme, ein rechtskräftiges Urteil kann erst im eigentlichen Verfahren fallen. Doch die Richter haben bereits deutliche Hinweise gegeben, dass sie große Bedenken gegen die Ministererlaubnis haben, nicht nur wegen der möglichen Befangenheit des Minister. So haben sie festgestellt, dass der Schutz der Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann keine hinreichende Begründung dafür sei, dass die Übernahme im Gemeinwohlinteresse liege.

Sowohl die Gewerkschaft Verdi als auch das Wirtschaftsministerium zeigten sich verwundert über diese Begründung. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Arbeitnehmerrechte nicht als Gemeinwohl angesehen werden. „Tariflich garantierte existenzsichernde Einkommen und Mitbestimmungsrechte sind entscheidend für die soziale Stabilität und damit Kern der Sozialen Marktwirtschaft“, sagte Verdi-Vorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Auch Haucap wundert sich: „Die Feststellung, dass die Wahrung von Arbeitnehmerrechten kein Gemeinwohlbelang ist, finde ich bemerkenswert, gerade in Zeiten des Mindestlohnes und der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen.“ Weitere Kritikpunkte des Oberlandesgerichts sind die in den aufschiebenden Bedingungen genannten regelmäßigen Verhaltenskontrollen.

Das OLG hat eine Revision gegen den Eilantrag vor dem Bundesgerichtshof nicht zugelassen. „Das zeigt, dass die Richter von ihrer Ansicht überzeugt sind, dass die Ministererlaubnis keinen Bestand haben wird“, erklärt Kartellrechtler Struwe. Edeka und Tengelmann läuft nun die Zeit davon. Sie können noch Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlegen, aber die Chancen dafür werden unter Juristen als eher gering eingestuft. Das eigentliche Verfahren, das Rewe und Markant gegen die Ministererlaubnis angestrengt haben, dürfte sich über drei bis vier Jahre hinziehen.

Tengelmann-Chef Haub hatte bereits gesagt, dass Kaiser’s Tengelmann ein jahrelanges Gerichtsverfahren nicht durchstehen könne. Wenn Edeka nicht übernehmen darf, bleiben wohl nur noch eine Zerschlagung und der Verkauf in Einzelteilen. „Es muss jetzt ein Cut gemacht werden und eine regionale Lösung für Kaiser’s Tengelmann gefunden werden“, mahnte auch Grünen-Politikerin Dröge.

Rewe-Chef Alain Caparros wäre dann doch noch am Ziel. Er hatte mehrfach Alternativangebote für eine Übernahme von Kaiser’s Tengelmann vorgelegt – komplett oder in Teilen.

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